OG Zug, Z1 2016 12: Gleichwertigkeit von Krankentaggeld-Lösungen; GAV Personalverleih und LMV Bauhauptgewerbe

Die X. AG (Beklagte) ver­lei­hte A. (Kläger) an die D. AG (Ein­satz­be­trieb) für einen befris­teten Ein­satz als Gipser/Bauarbeiter ohne Fachken­nt­nisse. Im Ein­satzver­trag wurde fest­ge­hal­ten, das Ein­satzver­hält­nis unter­ste­he dem all­ge­mein­verbindlichen Lan­des­man­telver­trag für das schweiz­erische Bauhaupt­gewerbe (LMV Bauhauptgewerbe).

Wenige Stun­den nach Arbeits­be­ginn erlitt A. einen Herz­in­farkt. A. ist sei­ther zu 100% arbeit­sun­fähig. Die Kranken­taggeld­ver­sicherung der Beklagten richtete nach Ablauf ein­er 30-tägi­gen Karen­zfrist Taggelder in der Höhe von 80% des ver­sicherten Ver­di­en­stes aus. Gestützt auf den LMV Bauhaupt­gewerbe ver­langte A. von der X. AG im Wesentlichen den Dif­ferenz­be­trag zu 90% des ver­sicherten Verdienstes.

Der Einzel­richter am Kan­ton­s­gericht Zug wies die Klage von A. ab. Die dage­gen erhobene Beru­fung wies das Oberg­ericht Zug ab und bestätigte den einzel­richter­lichen Entscheid (Oberg­ericht Zug, Urteil Z1 2016 12 vom 20. Dezem­ber 2016).

Zwis­chen den Parteien war vor Oberg­ericht Zug ins­beson­dere stre­it­ig, ob bezüglich der Lohn­fortzahlung wegen krankheits­be­d­ingter Arbeitsver­hin­derung die Bes­tim­mungen des LMV Bauhaupt­gewerbe oder diejeni­gen des GAV Per­son­alver­leih anzuwen­den waren (E. 2). Das Oberg­ericht Zug gelangte nach instruk­tiv­en Erwä­gun­gen zum Schluss, dass die Bes­tim­mungen des LMV Bauhaupt­gewerbes keine Anwen­dung fan­den. Die Vorschriften des GAV Per­son­alver­leih waren bezüglich Kranken­taggeld­ver­sicherung min­destens gle­ich­w­er­tig und gin­gen daher vor (E. 5).

Gemäss Art. 3 GAV Per­son­alver­leih gilt der GAV Per­son­alver­leih grund­sät­zlich auch dort, wo für Ein­satzb­triebe ein ander­er Gesam­tar­beitsver­trag gilt. Bes­tim­mungen zur Kranken­taggeld­ver­sicherung eines anderen GAV wer­den jedoch über­nom­men, wenn die im GAV Per­son­alver­leih vorge­se­hene Lösung nicht gle­ich­w­er­tig ist (E. 3.1). Zu prüfen war daher, ob die Bes­tim­mungen zur Lohn­fortzahlung bei Krankheit gemäss GAV Per­son­alver­leih mit der Lösung des LMV Bauhaupt­gewerbe min­destens gle­ich­w­er­tig waren (E. 3.2).

Das Oberg­ericht Zug hielt im Wesentlichen fest, dass die Gesamtheit der Leis­tun­gen im Krankheits­fall aus der Sicht des einzel­nen Arbeit­nehmers nach einem objek­tiv­en Massstab zu prüfen war (abstrak­te Meth­ode; E. 3.3.2). Mass­ge­bliche Kri­te­rien sind die Höhe der Taggelder, die Dauer der Taggeld­berech­ti­gung, allfäl­lige Karen­z­tage, der Umfang der Ver­sicherungs­deck­ung, die Höhe der Prämien und deren Aufteilung zwis­chen Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer sowie die Höhe und die Ver­wen­dung der Über­schus­san­teile (E. 3.3.3).

Gemäss Oberg­ericht Zug ergab sich, dass der LMV Bauhaupt­gewerbe im Ver­gle­ich zum GAV Per­son­alver­leih zwar bezüglich Höhe der Taggelder und Anzahl Karen­z­tage gewichtige Vorteile aufweist. Diese Vorteile waren aber zu rel­a­tivieren, da krankheits­be­d­ingte Absen­zen häu­fig kurz sind und deshalb nur ger­ingfügige Leis­tung­sun­ter­schiede her­vor­rufen. Zu berück­sichti­gen war weit­er, dass gemäss GAV Per­son­alver­leih bere­its eine Arbeit­sun­fähigkeit von min­destens 25% zu Taggeldleis­tun­gen führt, während dies bei der Lösung des LMV Bauhaupt­gewerbe erst bei 50% der Fall ist. Beim GAV Per­son­alver­leih sind zudem grund­sät­zlich keine Ver­sicherungsvor­be­halte vorge­se­hen (E. 4.8). Die Lösung des GAV Per­son­alver­leih war damit immer noch gle­ich­w­er­tig, auch wenn die Taggelder nur in der Höhe von 80% des ver­sicherten Ver­di­en­stes auszuricht­en waren.