Die Folgen, die ein Widerruf der Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt durch den Beschuldigten zeitigt, stehen im Mittelpunkt eines für die amtliche Sammlung vorgesehenen Entscheids vom 16. Februar 2017. Das Bundesgericht setzt sich mit dieser Frage erstmals ausführlich seit Inkrafttreten der eidgenössischen Strafprozessordnung (StPO) auseinander.
Das höchste Gericht hatte in einem älteren Urteil noch entschieden, dass nach erfolgter Zustimmung zum Strafantritt nicht mehr auf die Frage der Untersuchungshaft zurückgekommen werden könne, weil die Einwilligung unwiderruflich sei (vgl. BGE 104 Ib 24 E. 3b). Später präzisierte es seine Rechtsprechung dahingehend, dass die beschuldigte Person berechtigt sein muss, jederzeit ein Begehren um Entlassung aus der Haft bzw. dem vorzeitigen Strafantritt zu stellen, da der Freiheitsentzug gegen den Willen des Betroffenen nur so lange gerechtfertigt sein könne, als die Haftvoraussetzungen gegeben seien (BGE 117 Ia 72 E. 1d).
In diesen früheren Erwägungen gab es jedoch keine richterliche Stellungnahme zur Frage, im Rahmen welchen Verfahrens diese Haftprüfung zu erfolgen hat – die Antwort darauf findet sich im aktuellen Urteil.
Das Bundesgericht äussert sich darin zunächst zum Vollzugsregime des vorzeitigen Strafantritts, bei dem es sich um eine blosse Variante der strafprozessualen Haft handelt:
2.1. Der vorzeitige Straf- oder Massnahmenantritt stellt seiner Natur nach eine strafprozessuale Zwangsmassnahme auf der Schwelle zwischen Strafverfolgung und Strafvollzug dar (BGE 133 I 270 E. 3.2.1). Damit soll schon vor Erlass des rechtskräftigen Strafurteils ein Haftregime ermöglicht werden, das auf die persönliche Situation der beschuldigten Person zugeschnitten ist; ausserdem können erste Erfahrungen mit der voraussichtlich sachlich gebotenen Vollzugsform gesammelt werden (BGE 126 I 172 E. 3a). Für eine Fortdauer der strafprozessualen Haft in den Modalitäten des vorzeitigen Strafvollzugs muss weiterhin mindestens ein besonderer Haftgrund (analog zu Art. 221 StPO; BGE 133 I 270 E. 3.2.1) vorliegen. Sodann muss der vorzeitige Strafvollzug verhältnismässig sein (Urteil 1B_69/2016 vom 21. März 2016 E. 2.1).
Weiter hält das Bundesgericht fest, dass trotz Einwilligung auch für den mit dem vorzeitigen Strafantritt verbundenen Freiheitsentzug einer klaren gesetzlichen Grundlage bedarf:
2.2. […] Vor dem Eintritt der Rechtskraft und damit dem Vollzug eines Urteils verlangt das Gesetz für die Anordnung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft (inklusive Ersatzmassnahmen) einerseits einen dringenden Tatverdacht und andererseits das Vorliegen eines besonderen Haftgrunds (Art. 221 StPO). Die Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt ändert daran grundsätzlich nichts. Sie entbindet die Strafbehörden lediglich davon, das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Anordnung und Prüfung der strafprozessualen Haft (Art. 224 ff. StPO) einzuhalten. Mit seiner ausdrücklichen Einwilligung zum vorzeitigen Strafantritt verzichtet die beschuldigte Person auf die ihr durch Verfassung und EMRK garantierten und in der Strafprozessordnung konkretisierten Garantien; denn ohne seine Einwilligung müssten diese zwingend eingehalten werden (BGE 117 Ia 72 E. 1c).
Zieht der Beschuldigte im Nachhinein seine Einwilligung in den vorzeitigen Strafantritt zurück, hat dieser Widerruf verschiedene rechtliche Konsequenzen:
2.3. […] Reicht die beschuldigte Person, die vorzeitig die Strafe angetreten hat, ein Haftentlassungsgesuch ein, ist unbestritten, dass ein weiterer Freiheitsentzug nur gerechtfertigt ist, wenn nach den massgebenden Bestimmungen der Strafprozessordnung die Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft gegeben sind. Mit ihrem Haftentlassungsgesuch bringt sie aber auch klar zum Ausdruck, dass sie nicht nur die materiellen Voraussetzungen der Haft bestreitet, sondern im Hinblick auf einen allfälligen weiteren Freiheitsentzug nicht mehr länger auf die ihr nach der Strafprozessordnung zustehenden Verfahrensgarantien verzichtet.
Aufgrund dieser Umstände kann es nicht bei einer blossen Abweisung des Haftentlassungsgesuchs im Rahmen eines mehr oder weniger formlosen Verfahrens bleiben:
2.3. […] Vielmehr hat die mit der Behandlung des Haftentlassungsgesuchs befasste Behörde nach den für die Haftprüfung geltenden Verfahrensregeln zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft nach wie vor gegeben sind. Verneint sie diese, hat sie die Haftentlassung zu verfügen. Bejaht sie die Voraussetzungen, hat sie formell die Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft anzuordnen, da nur so die zur Begründung eines rechtmässigen Freiheitsentzugs bestehenden Garantien eingehalten werden können. Der Vollzugsort bleibt davon grundsätzlich unberührt, da auch die Untersuchungs- und Sicherheitshaft in einer Vollzugsanstalt vollzogen werden können.
Abschliessend hält das Urteil fest, dass die Regelung in Art. 233 StPO, wonach aufgrund des strafprozessualen Beschleunigungsgebots über Haftentlassungsgesuche innerhalb von fünf Tagen zu entscheiden ist, auch für Gesuche um Entlassung aus dem vorzeitigen Sanktionenvollzug gilt (E. 3.2. m.w.H.).