Mit Urteil vom 24. Oktober 2017 bestätigte das Bundesgericht eine Busse der Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) in der Höhe von rund CHF 157 Mio gegen die Bayerische Motoren Werke AG (BWM). Nach den Feststellungen der WEKO hatte BMW mit seinen Vertragshändlern im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ein Verbot zum Export von Neufahrzeugen der Marken BWM und Mini in Länder ausserhalb des EWR vereinbart, damit den Schweizer Markt abgeschottet und gegen das Schweizer Kartellgesetz verstossen (Art. 5 Abs. 4 KG).
BWM verwendete laut Urteil seit dem 1. Oktober 2003 in den Verträgen seiner europäischen Vertragshändler unter “1.5 Export” folgende Klausel:
“Dem Händler ist es weder gestattet, unmittelbar oder über Dritte neue BMW Fahrzeuge und Original BMW Teile an Abnehmer in Länder ausserhalb des EWR zu liefern, noch Fahrzeuge für solche Zwecke umzurüsten.”
Diese Bestimmung steht zwar im Einklang mit dem europäischen Kartellrecht (Art. 101 AEUV), zumal der Binnenmarkt durch das Verbot von Lieferungen an Abnehmer ausserhalb des EWR nicht tangiert wird. Darauf wies BMW auch in einer Stellungnahme zuhanden des Schweiz Konsumentenmagazins “Kassensturz” hin. BMW bestätigte in dieser Stellungnahme aber auch, dass in seinen europäischen Händlerverträgen Verkäufe an Kunden ausserhalb des EWR gerade nicht vorgesehen waren. Dazu gehören auch Kunden in der Schweiz. Nach Auffassung der WEKO verstiess BMW mit dieser Gebietsabschottung gegen das Kartellgesetz und büsste BMW mit einer Sanktion in der Höhe von rund CHF 157 Mio (hier). Das Bundesverwaltungsgericht wies in der Folge eine Beschwerde von BMW ab (hier).
Vor diesem Hintergrund hatte das Bundesgericht insbesondere den Geltungsbereich des Schweizer Kartellgesetzes zu prüfen (E 3) und ob die von BMW verwendeten Vertragsklauseln den Wettbewerb in der Schweiz erheblich beeinträchtigten (E 4). Ebenfalls hatte sich das Bundesgericht zur Sanktionierbarkeit und zur Sanktionsbemessung zu äussern (E 5 und 6).
Zur Frage nach dem Geltungsbereich des Kartellgesetzes hielt das Bundesgericht zunächst fest, dass mit dem Auswirkungsprinzip gemäss Art. 2 Abs. 2 KG eine extraterritoriale Anwendungserstreckung erfolge. Das Bundesgericht stellte zwar klar, dass Vertikalvereinbarungen ohne Bezug zur Schweiz nicht in den Anwendungsbereich des Schweizer Kartellgesetzes fallen sollen. Im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen, die sich in der Schweiz zumindest potentiell auswirken, würden jedoch erfasst (E 3):
“Allerdings ist es nicht so, dass Vertikalvereinbarungen amerikanischer Unternehmen, welche den Export nach Kanada beschränken, vom KG erfasst und sanktioniert würden. Für die Unterstellung unter das KG ist stets massgebend, dass sich die Tätigkeit in der Schweiz, d.h. auf dem Schweizer Markt, mindestens möglicherweise auswirken kann. […] Dabei verlangt Art. 2 Abs. 2 KG nicht, dass die Auswirkungen einer gewissen Intensität bedürfen.”
Mit dem Abstützen alleine auf mögliche Auswirkungen unter Verzicht auf das Erfordernis einer gewissen Intensität ist aber auch gesagt, dass beispielsweise ein generelles Exportverbot zwischen amerikanischen Unternehmen unter das Kartellgesetz fallen würde, da dies zumindest potentiell auch Schweizer Kunden betrifft. Die Praxis der WEKO zeigt denn auch, dass solche Fälle durchaus aufgegriffen werden können (vgl. RPW 2013/3, S. 285 ff., Harley Davidson). Da es sich bei Gebietsabreden zudem um Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich der Vermutungstatbestände handelt, müssen auch bei der materiellen Prüfung keine Auswirkungen nachgewiesen werden.
Das Bundesgericht hielt in diesem Zusammenhang unter Verweis auf seine Rechtsprechung zur Erheblichkeit in Sachen GABA (hier) daran fest, dass es bei horizontalen oder vertikalen Abreden der Art. 5 Abs. 3 und 4 KG auf eine tatsächliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht ankomme und etwaige Auswirkungen nicht geprüft werden müssen: Solche Abreden seien “grundsätzlich” bzw. “in der Regel” erheblich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 KG und vorbehältlich einer Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz nach Art. 5 Abs. 2 KG unzulässig. Im konkreten Fall wurden dem Urteil zufolge keine Rechtfertigungsgründe vorgebracht, weshalb die WEKO nach Ansicht des Bundesgerichtes mit Recht von einer unzulässigen und damit sanktionierbaren Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 KG ausgegangen war (E 4.5).
Mit Bezug auf die Sanktion hielt das Bundesgericht an seiner bisherigen Praxis fest, wonach erhebliche Wettbewerbsabreden mit den in Art. 5 Abs. 3 und 4 KG erwähnten Inhalten ebenfalls sanktioniert werden können. Die Bemessung der Sanktion habe sich am Gefährdungspotential der Wettbewerbsabrede, am Grad der Beeinträchtigung des Wettbewerbs sowie der Wirksamkeit des Verstosses zu orientieren. Sanktionsmindernd war im konkreten Fall von BMW etwa zu beachten, dass in einem gewissen Mass Parallel- und Direktimporte möglich waren. Das Festhalten an der Abrede seitens BMW trotz Kenntnis der Unzulässigkeit wurde dagegen erschwerend berücksichtigt. Das Bundesgericht bestätigt im Ergebnis die von der WEKO ausgesprochen Sanktion in der Höhe von rund CHF 157 Mio (E 5 und 6).
Weitere Informationen: BGer 2C_63/2016 vom 24. Oktober 2017 (HTML).