5A_791/2017: Öffentliches Inventar — einmalige Einsichts- und Äusserungsmöglichkeit der Erben / Streit um Inhalt und Bestand von Aktiven und Passiven ist im Zivilprozess zu führen (amtl. Publ.)

Dem Entscheid des Bun­des­gerichts lag zusam­menge­fasst der fol­gende Sachver­halt zugrunde: Auf Antrag von Erben ord­nete die Regierungsstatthal­terin von Biel die Errich­tung eines öffentlichen Inven­tars über den Nach­lass an. Mit der Durch­führung des Inven­tars wurde ein Notar beauf­tragt. Dieser schloss das Inven­tar am 28. Feb­ru­ar 2017 ab und stellte es den Erben und dem Wil­lensvoll­streck­er zu. Auf­grund ver­schieden­er Bemerkun­gen sowie Ergänzungs- und Änderungsanträ­gen musste es über­ar­beit­et wer­den. Am 3. Juli 2017 reichte der Notar das Inven­tar inklu­sive Nach­trag vom 30. Juni 2017 beim Regierungsstatthal­ter­amt ein. Die Erben bean­stande­ten das Inven­tar und beantragten, dass von der Anset­zung ein­er Erk­lärungs­frist abzuse­hen und der Notar anzuweisen sei, weit­ere Abklärun­gen zu tre­f­fen und das Inven­tar anzu­passen. Die Regierungsstatthal­terin wies die Anträge der Erben ab und set­zte Frist zur Erk­lärung an, ob sie die Erb­schaft annehmen wollen.

Vor Bun­des­gericht macht­en die Beschw­erde­führer gel­tend, dass die Vorin­stanzen die bun­desrechtlichen Bes­tim­mungen zum Ver­fahren der Inven­ta­rauf­nahme (vor­ab Art. 584 ZGB) sowie den ver­fas­sungsmäs­si­gen Anspruch auf rechtlich­es Gehör ver­let­zt hät­ten, indem der Nach­trag zum Inven­tar vom 30. Juni 2017 nicht aufgelegt und den Erben keine Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu diesem zu äussern (E. 2.1.).

Das Bun­des­gericht wies darauf hin, dass das öffentliche Inven­tar der Infor­ma­tion der Erben über die Aktiv­en und Pas­siv­en der Erb­schaft dient und den Erben in der Form des Insti­tuts der Annahme der Erb­schaft unter öffentlichem Inven­tar die Möglichkeit ein­räumt, die Schulden­haf­tung zu beschränken. Es habe keinen kon­sti­tu­tiv­en Charak­ter. Der Stre­it um den (materiellen) Bestand und Inhalt der Aktiv­en und Pas­siv­en der Erb­schaft wird gemäss Bun­des­gericht nicht im Rah­men der Inven­ta­rauf­nahme, son­dern im Rah­men eines späteren Zivil­prozess­es geführt. Das Bun­des­gericht entsch­ied, dass dieser beschränk­te Zweck des Inven­tars es nicht als notwendig erscheinen lässt, den Erben eine mehr als ein­ma­lige Ein­sichts- und Äusserungsmöglichkeit einzuräu­men. Die Beschw­erde erwies sich in diesem Punkt als unbe­grün­det (E. 2.4. und E. 2.5.).

Die Beschw­erde­führer rügten weit­er, dass das öffentliche Inven­tar inhaltlich unvoll­ständig sei und den geset­zlichen Anforderun­gen des ZGB sowie der kan­tonalen Bes­tim­mungen nicht genüge (E. 3.1.).

Das Bun­des­gericht stellte klar, dass das öffentliche Inven­tar nicht der Ort ist, um den Stre­it um Inhalt und Bestand der Aktiv­en und Pas­siv­en der Erb­schaft zu führen. Darüber ist im Zivil­prozess zu entschei­den. Die Auf­nahme eines Pas­sivums in das Inven­tar hat nach bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung lediglich deklara­torische Wirkung. Das Inven­tar gibt bloss Auskun­ft darüber, welche Schulden auf­grund der ein­schlägi­gen Bes­tim­mungen aufgenom­men wur­den, ohne sich zu deren Begrün­de­theit zu äussern. Das Bun­des­gericht hielt fest, dass das öffentliche Inven­tar einen infor­ma­tiv­en Überblick über die Aktiv­en und Pas­siv­en der Erb­schaft gibt, jedoch keine umfassende Zusam­men­stel­lung der­sel­ben ist. Steuer­forderun­gen seien von vorn­here­in nicht in das Inven­tar aufzunehmen. Die Beschw­erde wurde auch in diesem Punkt abgewiesen (E. 3.2.).