Im Entscheid 6B_1314/2016 (amtl. Publ.) äusserte sich das Bundesgericht ausführlich mitunter zu Fragen zum Bankgeheimnis. Es kam u.a. zum Schluss, dass das BankG, und damit das Bankgeheimnis i.S.v. Art. 47 BankG, auf ausländische Tochtergesellschaften einer Schweizer Bank nicht anwendbar ist.
Dem Entscheid lag die Causa Rudolf Elmer zugrunde: Dieser war ab 1987 für die Bank Julius Bär & Co. AG, Zürich, tätig und ab 1994 für die Julius Baer Bank & Trust Company Ltd (“JBBT”), Cayman Islands, eine Tochtergesellschaft der Julius Bär Holding, Zürich.
Im Dezember 2002 kündigte die JBBT das Arbeitsverhältnis und stellte Rudolf Elmer frei. In der Folge verwickelte sich Rudolf Elmer in diverse rechtliche Auseinandersetzungen mit der Julius Bär bzw. deren Angestellten.
Im Jahre 2005 wurde ein erstes Strafverfahren gegen Rudolf Elmer eröffnet, wobei ihm (neben Drohungen und Nötigungen, auf welche hier nicht weiter eingegangen wird) mehrfache Verletzung des Bankgeheimnisses bzw. des Geschäftsgeheimnisses vorgeworfen wurde. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Rudolf Elmer u.a. der mehrfachen Verletzung des Bankgeheimnisses.
Im Jahr 2011 wurde ein zweites Strafverfahren gegen Elmer eröffnet, wobei ihm u.a. wiederum mehrfache Verletzung des Bankkunden- bzw. Geschäftsgeheimnisses vorgeworfen wurde. Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Elmer wiederum wegen mehrfacher Verletzung des Bankgeheimnisses.
Das Obergericht Zürich vereinigte beide Verfahren und gelangte hinsichtlich sämtlicher Vorwürfe der (versuchten oder vollendeten) Verletzung des Bankkundengeheimnisses zu einem Freispruch oder zu einer Einstellung des Verfahrens. In jenen Fällen, in denen der Sachverhalt rechtsgenüglich erstellt war, verneinte das Obergericht die Tatbestandsmässigkeit von Art. 47 BankG, zumal Elmer zu den möglichen Tatzeitpunkten weder bei einer Schweizer Bank angestellt noch von einer solchen beauftragt gewesen sei; entsprechend habe er nicht dem Bankgeheimnis unterstanden.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich focht den obergerichtlichen Entscheid beim Bundesgericht an. Dieses wies die Beschwerde ab:
Zunächst äusserte sich das Bundesgericht zum Anwendungsbereich des BankG bzw. des Bankgeheimnisses:
Hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereiches hielt das Bundesgericht fest, der Anwendungsbereich des schweizerischen Bankenrechts und damit auch von Art. 47 BankG könne sich nur auf Banken beziehen, welche in der Schweiz gewerbsmässig Publikumseinlagen entgegennehmen und über eine Bewilligung der FINMA verfügen. Dementsprechend erwog das Bundesgericht:
“3.2 […] Mit der Auslagerung bestimmter Geschäftsfelder in das Ausland, insbesondere mit der Errichtung einer rechtlich selbstständigen Bank im Ausland, unterstehen die in diesem Zusammenhang im Ausland erlangten oder verarbeiteten Informationen nicht mehr der schweizerischen, sondern der jeweiligen nationalen Rechtsordnung des betreffenden Landes. So ist denn auch allgemein anerkannt, dass die Kundenbeziehungen der ausländischen Zweigniederlassungen einer Schweizer Bank nicht Schutzobjekt von Art. 47 BankG bilden. Dies entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung und wurde vom Bundesgericht erst kürzlich in BGE 143 II 202 E. 8.6.1 bestätigt. Bankinstitute, die nicht in der Liste der von der FINMA bewilligten Banken und Effektenhändler aufgeführt sind, insbesondere Zweigniederlassungen von schweizerischen Banken im Ausland, unterstehen weder direkt noch auf dem Weg einer analogen Anwendung dem schweizerischen Bankengesetz (vgl. BGE 143 II 202 E. 8.6.1, S. 219: “…il ne peut y avoir violation de l’art. 47 LB en lien avec la transmission de documents internes à cette entité”). Dies gilt nicht nur für Zweigniederlassungen, sondern erst recht für ausländische Tochtergesellschaften einer schweizerischen Holding. Das BankG ist auf die Julius Baer Bank & Trust Company Ltd. (JBBT) und deren Angestellte somit grundsätzlich nicht anwendbar.”
In einem nächsten Schritt prüfte das Bundesgericht, ob Rudolf Elmer aufgrund seiner Tätigkeit für die Bär-Gruppe persönlich dem Bankengesetz unterstanden hat; dies wäre der Fall, wenn ihm die kundenbezogenen Daten der Bank Julius Bär & Co. AG, welche er offenbart hat, in der Eigenschaft als Organ, Angestellter, Beauftragter oder Liquidator einer Bank anvertraut worden sind oder er sie in einer dieser Eigenschaften wahrgenommen hat (Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG).
Das Bundesgericht prüfte in E. 3.3.2, inwieweit der persönliche Geltungsbereich von Art. 47 BankG vom sachlichen Geltungsbereich abhänge. Der Schutzbereich von Art. 47 BankG entspreche dem Umfang des Bankgeheimnisses. Dieses habe eine individuelle und eine institutionelle Dimension: Betroffen sei einerseits das Persönlichkeitsrecht des Bankkunden, andererseits die Funktionsfähigkeit des Finanzplatzes. Weiter erinnert das Bundesgericht daran, dass das Bankgeheimnis ebenso auf der vertraglichen Beziehung zwischen der Bank und dem Kunden wie auch auf dessen Persönlichkeitsschutz beruht. Das Bundesgericht kommt zum Schluss, dass der persönliche Geltungsbereich von Art. 47 BankG auf den Zweck der Bestimmung – Schutz des Bankgeheimnisses – abzustimmen sei. Insofern präjudiziere der sachliche Geltungsbereich der Strafbestimmung den Kreis der Personen, die der Sanktionsdrohung unterstehen. Unter dieser Prämisse prüfte das Bundesgericht, ob Rudolf Elmer noch in der Eigenschaft als Angestellter der Bank Julius Bär & Co. AG gehandelt bzw. (als Angestellter der JBTT) im Sinne von Art. 47 BankG Beauftragter der Schweizer Bank war.
Nach Ausführungen zum Begriff des “Angestellten” i.S.v. Art. 47 BankG kam das Bundesgericht in E. 3.3.3 zum Schluss, dass Rudolf Elmer während seines gesamten Aufenthalts auf den Cayman Islands nie Angestellter einer Bank im Sinne des BankG war; seine dortige Tätigkeit habe zunächst auf einem Vertrag mit der Julius Bär Holding beruht, welche keine Bank im Sinne des BankG ist. Die vertraglichen Bande mit der Bank Julius Bär & Co. AG wiederum, welche mit einem Expatriate Agreement geschaffen wurden, erfüllten die Kennzeichen eines Arbeitsvertrages nach Art. 319 ff. OR nicht. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Rudolf Elmer an die Schweizer Konzernzentrale rapportierte.
Zur Frage, ob Rudolf Elmer als Beauftragter i.S.v. Art. 47 BankG gehandelt hatte, hielt das Bundesgericht in E. 3.3.4 fest, Elmer habe anlässlich seiner Tätigkeit für die auf den Cayman Islands domizilierte JBTT Kundendaten der Bank Julius Bär & Co AG behändigt. Was das Zusammenwirken der beiden Institute angeht, hielt sich das Bundesgericht an die Feststellungen der Vorinstanz, wonach von einer “Trust-Company-Struktur” auszugehen sei, bei welcher der Kunde der Bank Julius Bär & Co. AG (Settlor) einen Trust auf den Cayman Islands begründet. Der Trustee, hier die JBBT, habe die Aufgabe, die betreffenden Vermögenswerte zu verwalten. Der Trust halte, mitunter über eine Gesellschaft (Company) die effektiven Vermögenswerte auf einem Konto bei der Schweizer Bank, von wo aus Leistungen an den Destinatär erfolgen. Diese Zusammenarbeit mache die Tätigkeit der JBBT nicht zum integrierenden Bestandteil von Vermögensverwaltungsmandaten der Bank Julius Bär & Co. AG:
“3.3.4 […] Wohl sind die Mandate nicht vollständig an die Schwestergesellschaft auf den Kaimaninseln “exportiert” worden; sie verblieben unter der Gesamtkontrolle der Bank Julius Bär & Co. AG und waren für diese nach wie vor bilanzwirksam. Jedoch handelt es sich bei der Dienstleistung der JBBT — im Wesentlichen dem Zurverfügungstellen von Trusts — um eine rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Ergänzung der Vermögensverwaltungsmandate der Bank Julius Bär & Co. AG. Die jeweiligen Beiträge ergeben kombiniert eine Gesamtdienstleistung. Sie sind, wenn auch von unterschiedlichem Gewicht, so doch funktional gleichrangig. Darin unterscheidet sich die JBBT beispielsweise von den (als Beauftragte im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. a BankG aufzufassenden) Rechenzentren. Denn diese stellen bloss Instrumente zur Bewältigung einer — ganz bei der Bank verbleibenden — Aufgabe zur Verfügung. Unter diesen Voraussetzungen fällt der bei der JBBT angestellte [Rudolf Elmer] auch nicht als (von dieser abgeleiteter) Beauftragter in den persönlichen Geltungsbereich der Strafnorm.”
Schliesslich äusserte sich das Bundesgericht zum Verhältnis zwischen Art. 47 BankG (Bankgeheimnis) und Art. 162 StGB (Geschäftsgeheimnis). Dabei verwies es auf den Entscheid BGE 141 IV 155, in welchem es festgehalten hatte, dass die Übergabe von Daten zahlreicher ausländischer Kunden einer schweizerischen Bank an ausländische Behörden nicht nur die Geschäftsgeheimnisse der einzelnen Kunden, sondern auch Geschäftsgeheimnisse der Bank selber betrifft. An dieser weiten Definition des Schutzumfangs des Bankgeheimnisses ist gemäss Bundesgericht festzuhalten:
“4.2 […] Art. 47 BankG, welcher das Bankgeheimnis strafrechtlich absichert, schützt also nicht nur die Geheimhaltungsinteressen der Bankkunden, sondern auch — damit verbundene — Geschäftsinteressen der Bank. Daraus ergibt sich, dass Art. 47 BankG auch das in Art. 162 StGB anvisierte Rechtsgut abdeckt. Im Verhältnis zu dieser Bestimmung ist Art. 47 BankG in der hier interessierenden Konstellation lex specialis, welche die allgemeinere Norm verdrängt (unechte Idealkonkurrenz; [Verweis auf Lehre]). Die Verletzung des Geschäftsgeheimnisses wird erst selbstständig bedeutsam, wenn es um Unternehmensdaten geht, die keinen Kundenbezug haben und somit das Bankkundengeheimnis nicht tangieren. […]”