A‑5988/2018: Bekanntgabe von Personendaten aus Verfahrensakten der Weko gegenüber Nicht-Verfahrensbeteiligten nach Abschluss einer Untersuchung

Gegen­stand dieses Ver­fahrens war ein Auskun­fts­begehren des Kan­tons Graubün­den im Nach­gang an die Sank­tionsver­fü­gung der Weko gegen drei Unternehmen wegen unzuläs­siger Wet­tbe­werb­sabrede i.S.v. Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 KG betr­e­f­fend Hoch- und Tief­bauleis­tun­gen Mün­ster­tal. Der Kan­ton beantragte Ein­sicht in die Sank­tionsver­fü­gung, in allfäl­lige weit­ere Beweis­mit­tel und in die Ver­fahren­sak­ten. Die Weko gewährte dem Kan­ton gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. a DSG in bes­timmtem Umfang Ein­sicht und wies das Gesuch im Übri­gen ab. Ins­beson­dere ver­weigerte die Weko die Ein­sicht in diejeni­gen Doku­mente, deren Offen­le­gung das Insti­tut der Selb­stanzeige gefährden würde. Sodann ver­fügte sie, der Kan­ton dürfe die ersucht­en Dat­en einzig zur Prü­fung und Anord­nung von ver­gaberechtlichen Sank­tio­nen sowie zur Prü­fung eines Schadens zu seinen Las­ten bzw. zur Gel­tend­machung von Schaden­er­satzansprüchen ver­wen­den. Die Weit­er­gabe der Dat­en an Drittper­so­n­en oder Behör­den zu anderen Zweck­en unter­sagte die Weko ausdrücklich.

Der Kan­ton Graubün­den reichte Beschw­erde beim Bun­desver­wal­tungs­gericht ein. Er beantragte ins­beson­dere, ihm sei umfassend Ein­sicht in alle Beweis­mit­tel und Ver­fahren­sak­ten, namentlich auch der Selb­stanzeigerin­nen, zu gewähren. Sodann seien die von der Weko ver­fügten Aufla­gen aufzuheben. Er rügte, für die Ein­schränkun­gen fehle es an ein­er geset­zlichen Grund­lage. Zudem seien die Ein­schränkun­gen unverhältnismässig.

Das Bun­desver­wal­tungs­gericht bestätigte die Ein­sichtsver­fü­gung der Weko vol­lum­fänglich und hielt zunächst fest, dass Art. 19 Abs. 1 lit. a DSG die Rechts­grund­lage der hier stre­it­i­gen infor­ma­tionellen Amt­shil­fe sei (E. 4). Vor dem Hin­ter­grund von Art. 19 Abs. 4 DSG sei sodann zu prüfen, ob die Weko die Ver­wen­dung der bekan­ntzugeben­den Dat­en mit­tels Auflage ein­schränken sowie das Gesuch um Ein­sicht in die Dat­en der Selb­stanzeigerin­nen abweisen durfte (E. 5).

Mit Bezug auf die von der Weko ver­fügten Auflage erwog das Bun­desver­wal­tungs­gericht, dass Art. 25 Abs. 2 KG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 lit. b DSG nur eine eingeschränk­te Daten­bekan­nt­gabe unter Auflage zulasse und die Weko diese geset­zlichen Vor­gaben kor­rekt angewen­det habe, mithin eine hin­re­ichende geset­zliche Grund­lage für die Beschränkung der Daten­ver­wen­dung beste­he (E. 6.7). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erin­nerte dabei an ein früheres Urteil (BVGE 2016/22), in welchem es Art. 25 KG umfassend aus­gelegt hat­te, um zu klären, ob diese Bes­tim­mung eine Schranke für die Daten­bekan­nt­gabe im Sinne von Art. 19 Abs. 4 lit. b DSG bilde. Art. 25 KG schränke die amt­shil­feweise Daten­bekan­nt­gabe ein, schliesse sie aber nicht voll­ständig aus. Eine Weit­er­gabe sei nach Art. 25 Abs. 2 KG dann zuläs­sig, wenn die Dat­en an ein (poten­tielles) Kartel­lopfer geliefert wür­den, von der Bekan­nt­gabe keine Geschäfts- und Fab­rika­tion­s­ge­heimnisse betrof­fen seien und die Dat­en auss­chliesslich zu kartell­rechtlichen Zweck­en ver­wen­det wür­den. Die zweck­entsprechende Ver­w­er­tung der Dat­en sei mit der Anord­nung ein­er Auflage sicherzustellen. Es beste­he keine Ver­an­las­sung, diese Recht­sprechung in Frage zu stellen (E. 6.5). Eben­so sei, so das Bun­desver­wal­tungs­gericht weit­er, keine fehler­hafte Inter­essen­ab­wä­gung hin­sichtlich der strit­ti­gen Auflage erkennbar. Diese sei wed­er sach­fremd noch unver­hält­nis­mäs­sig, denn die engen geset­zlichen Vor­gaben, die für die vor­liegende Daten­bekan­nt­gabe im Rah­men der Amt­shil­fe zu beacht­en seien, wür­den weit­ge­hend ihren Sinn und Zweck ver­lieren, sollte der Kan­ton die erhal­te­nen Dat­en für die Wahrnehmung beliebiger öffentlich­er Auf­gaben ver­wen­den dür­fen. Der Kan­ton würde durch die ver­fügte Auflage in der Wahrnehmung sein­er öffentlichen Auf­gaben auch nicht über­mäs­sig eingeschränkt (E. 6.6).

Mit Bezug auf die Ver­weigerung der Bekan­nt­gabe der Dat­en der Selb­stanzeigerin­nen kam das Bun­desver­wal­tungs­gericht zum Schluss, dass das öffentliche Inter­esse an ein­er wirk­samen Bonus­regelung höher zu gewicht­en sei als diejeni­gen öffentlichen Inter­essen, welche der Kan­ton mit seinem Gesuch um Daten­bekan­nt­gabe wahrzunehmen beab­sichtige. Der Bekan­nt­gabe wür­den somit wesentliche öffentliche Inter­essen i.S.v. Art. 19 Abs. 4 lit. a DSG ent­ge­gen­ste­hen (E. 7.7). Das Bun­desver­wal­tungs­gericht erin­nerte daran, dass es in sein­er bish­eri­gen Recht­sprechung offen gelasse habe, wie es sich mit der Bekan­nt­gabe der Dat­en der Selb­stanzeigerin­nen nach Abschluss des Ver­fahrens ver­halte. Es ver­wies indessen auf seine in anderen Zusam­men­hän­gen ergan­gene Recht­sprechung zur Wahrung des Insti­tuts der Selb­stanzeige (E. 7.4). Sodann bestätigte das Gericht, dass die daten­schutzrechtliche Bes­tim­mung von Art. 19 Abs. 4 lit. a DSG eine hin­re­ichende geset­zliche Grund­lage für die Ein­schränkung der Daten­bekan­nt­gabe bilde. Aus der Tat­sache, dass Art. 49 Abs. 2 KG keine Regelung zur ersucht­en Daten­bekan­nt­gabe enthalte, könne nicht die Schlussfol­gerung gezo­gen wer­den, die Ein­schränkung der Daten­bekan­nt­gabe könne sich auf keine geset­zliche Grund­lage stützen (E. 7.5). Anschliessend wies das Bun­desver­wal­tungs­gericht daraufhin, dass ein­er­seits ver­schiedene öffentliche Inter­essen des Kan­tons für eine Bekan­nt­gabe sprechen wür­den, während ander­er­seits ein erhe­blich­es öffentlich­es Inter­esse beste­he, von den Dat­en der Selb­stanzeigerin­nen möglichst wenig preiszugeben, um die Wirk­samkeit der Bonus­regelung nicht zu gefährden. Die Weko als fachkundi­ge Vorin­stanz begründe — auch ohne empirischen Nach­weis — nachvol­lziehbar, dass Unternehmen sich kün­ftig ver­mehrt gegen eine Selb­stanzeige entschei­den wür­den, soll­ten sie eine fak­tis­che Benachteili­gung in späteren ver­gabe- oder zivil­rechtlichen Ver­fahren auf­grund der Daten­bekan­nt­gabe erwarten. Die ersuchte Daten­bekan­nt­gabe könne daher das geset­zge­berische Ziel ein­er wirk­samen Bonus­regelung in Frage stellen. Dieses öffentliche Inter­esse an ein­er wirk­samen Bonus­regelung sei als grund­sät­zlich über­wiegend zu betra­cht­en, weil es im Dien­ste der Aufdeck­ung von Wet­tbe­werb­sver­stössen ste­he. Wür­den solche Ver­stösse erst gar nicht ans Licht kom­men, kön­nten auch keine Schaden­er­satz­forderun­gen oder ver­gaberechtlichen Sank­tio­nen seit­ens des Kan­tons ins Auge gefasst wer­den (E. 7.6).

Das Urteil des Bun­desver­wal­tungs­gericht kann noch beim Bun­des­gericht ange­focht­en werden.