4A_86/2020: Herabsetzungsbegehren bei indexierten Mietzinses nach Ablauf der ursprünglichen Laufzeit — Massgeblichkeit der relativen Methode (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht entsch­ied die bis­lang ungek­lärte Frage, ob bei einem Mietver­trag mit index­ierten Miet­zin­sen und ein­er anfänglichen Laufzeit von fünf Jahren, der sich — vor­be­hal­ten ein­er Kündi­gung — stillschweigend von Jahr zu Jahr ver­längert, der Mieter am Ende der anfänglichen Laufzeit und damit für den fol­gen­den Zeitraum eine Her­ab­set­zung des Miet­zins­es ver­lan­gen kann, mit der Begrün­dung, dass der ursprünglich vere­in­barte Miet­zins im Ver­hält­nis zum Net­to­er­trag über­set­zt sei, was nach der absoluten Meth­ode zu prüfen wäre.

Es erwog, dass der Mieter nicht zu ein­er solchen Her­ab­set­zung unter Anrufung der absoluten Meth­ode berechtigt sei. Vielmehr könne sich der Mieter nur auf eine Her­ab­set­zung des Miet­zins­es anhand der rel­a­tiv­en Meth­ode berufen. Der Ver­mi­eter könne einem solchen Her­ab­set­zungs­begehren ent­ge­gen­hal­ten, dass der (let­zte) index­ierte Miet­zins trotz der Änderug der Berech­nungs­grund­la­gen nicht miss­bräuch­lich sei, weil dieser Miet­zins ihm nach der absoluten Meth­ode keine über­set­zte Net­toren­dite ver­schaffe.

Hin­ter­grund war ein Mietver­trag für eine Woh­nung, in welchem zwei Mieter mit dem Ver­mi­eter vere­in­bart hat­ten, dass für die Fes­tle­gung des Miet­zins­es der Hypothekarzins nicht mass­ge­blich sei, der Miet­zins indessen höch­stens ein­mal jährlich angepasst wer­den könne, wenn sich der Lan­desin­dex der Kon­sumenten­preise (LIK) ändere. Der Mietver­trag wurde für eine feste Dauer von fünf Jahren vere­in­bart, wobei vorge­se­hen war, dass sich der Mietver­trag jew­eils stillschweigend um weit­ere fünf Jahre ver­längert, sofern er nicht vorgängig von ein­er Partei gekündigt wird. Die Mieter stell­ten mit Wirkung auf den Ablauf der ersten Laufzeit ein Miet­zin­sher­ab­set­zungs­begehren, welch­es vom Ver­mi­eter abschlägig beant­wortet wurde. Daraufhin klagten die Mieter vor den kan­tonalen Miet­gericht­en, welche die Begehren der Mieter schützten. Sie erwogen ins­beson­dere, dass die Mieter trotz der fün­fjähri­gen Ver­längerung des Mietver­trags eine Anpas­sung des Miet­zins­es ver­lan­gen kön­nten, und dass diese Her­ab­set­zung unab­hängig der Entwick­lung des LIK sei und auf der Grund­lage der Net­toren­dite für den Ver­mi­eter (absolute Meth­ode) berech­net werde. Der Cour d’ap­pel civ­il erwog zudem, dass bei fix­en Miet­zin­sen die rel­a­tive Meth­ode gelte (Art. 270a OR) und der Mieter den Anfangsmi­et­zins nicht in Frage stellen könne (Art. 270 OR). Dies gelte indessen nicht bei Mietver­trag mit index­ierten Miet­zin­sen, wo die Parteien eine Erhöhung bzw. Her­ab­set­zung des Miet­zins­es auf der Grund­lage der absoluten (impliziten) Net­toren­ditemeth­ode gel­tend machen kön­nten; und dies unab­hängig der Höhe der Hypothekarzinsen.

Wie bere­its erwäh­nt, fol­gte das Bun­des­gericht diesen Erwä­gun­gen nicht. Es erin­nerte zunächst an seine im Zusam­men­hang mit Mietverträ­gen mit index­ierten Miet­zin­sen ergan­gene Recht­sprechung. Namentlich erin­nerte es daran, dass es aus­geschlossen sei, in einem Ver­trag mit index­ierten Miet­zin­sen zusät­zlich zum Anstieg des LIK weit­ere Erhöhungs­fak­toren vorzuse­hen, es sei denn, die Erhöhung sei durch entsprechende Mehrleis­tun­gen des Ver­mi­eters gerecht­fer­tigt und der Mietver­trag sehe diese Möglichkeit aus­drück­lich vor. Eben­so unzuläs­sig sei eine Kumu­la­tion von Index- und Staffelungsklausel. Während der ursprünglichen Laufzeit des Mietver­hält­niss­es, welche min­destens fünf Jahre betra­gen müsse, könne der Miet­zins nur an die Teuerung nach Mass­gabe des LIK angepasst wer­den, unter Auss­chluss jedes anderen Erhöhungs­fak­tors und nach Mass­gabe der ver­traglichen Regelung (E. 3.1–3.3).

Mit Bezug auf die in diesem Ver­fahren umstrit­tene Frage erwog das Bun­des­gericht sodann, dass sowohl der Ver­mi­eter als auch der Mieter auf den Ablauf der ersten Laufzeit des Mietver­trags hin eine Anpas­sung des Miet­zins­es ver­lan­gen kön­nten (Art. 269d OR resp. Art. 270a OR) und sich dabei auf die rel­a­tive Meth­ode berufen kön­nten. Der Ver­mi­eter könne sodann als Vertei­di­gung gegen ein Her­ab­set­zungs­begehren des Mieters immer ver­lan­gen, dass das Gericht die absolute Ertragswert­meth­ode anwende, um festzustellen, ob der aktuelle Miet­zins miss­bräuch­lich sei oder nicht (E. 3.4 und 3.4.1).

Wed­er der Ver­mi­eter noch der Mieter kön­nten sich indessen, so das Bun­des­gericht weit­er, auf die absolute Meth­ode berufen, um die Erhöhung respek­tive Her­ab­set­zung des Miet­zins­es zu begrün­den (E. 3.4.2). Dabei ver­wies es auf BGE 123 III 76, wo es erwogen hat­te, dass der Ver­mi­eter sich bei der Erhöhung des index­ierten Miet­zins­es auf die absolute Meth­ode berufen könne, wobei es die für gestaffelte Miet­zinse gel­tende Prax­is sin­ngemäss angewen­det hat­te. Allerd­ings, so das Bun­des­gericht, hätte dieses Urteil haupt­säch­lich die Frage betrof­fen, ob bei fehlen­der Anfech­tung des Miet­zins­es im Zeit­punkt des Ablaufs der anfänglichen Laufzeit diese Untätigkeit des Ver­mi­eters in Bezug auf die nach­fol­gende Laufzeit gel­tend gemacht wer­den könne. Sodann betr­e­ffe die Recht­sprechung zu gestaffel­ten Miet­zin­sen vor allem neue, hoch­preisige Woh­nun­gen, bei denen der Ver­mi­eter auf­grund der Mark­t­lage die notwendi­ge und zuläs­sige Brut­toren­dite nicht erzie­len könne. Vielmehr werde durch die Staffelung des Miet­zins­es die zunächst unzure­ichende Brut­toren­dite schrit­tweise erhöht, so dass die Kosten über die gesamte Miet­dauer gedeckt wür­den. Bei Vor­liegen eines solchen Mietver­trags müsse der Ver­mi­eter die Möglichkeit haben, nach der Ver­längerung des Mietver­trags am Ende der anfänglichen Min­dest­laufzeit von drei Jahren die Anwen­dung der absoluten Meth­ode zu ver­lan­gen, wenn es darum gehe, ihm eine Erhöhung des Miet­zins­es zu ermöglichen, um die Brut­toren­dite zu deck­en. Ein solch­er Grund erscheine bei index­ierten Miet­zin­sen nicht stich­haltig, wo der Zweck und der zufäl­lige Charak­ter der Index­ierungsklausel ver­schieden sei als bei den gestaffel­ten Miet­zin­sen (E. 3.4.2.1).

Da, so das Bun­des­gericht weit­er, bei Mietverträ­gen mit index­ierten Miet­zin­sen der Mieter zu Beginn des Mietver­hält­niss­es die Möglichkeit habe, den Anfangsmi­et­zins (Art. 270c OR) unter Beru­fung auf die absolute Meth­ode und die über­höhte Net­toren­dite (Art. 269 OR) anzufecht­en, käme es ein­er Umge­hung der Frist und der Voraus­set­zun­gen für die Anfech­tung des Anfangsmi­et­zins­es in Art. 270 OR gle­ich, wenn man ihm die Möglichkeit ein­räu­men würde, dies am Ende der anfänglichen Min­deslaufzeit des Mietver­trags von fünf Jahren oder sog­ar bei jed­er neuen stillschweigen­den Ver­längerung um min­destens fünf Jahre erneut zu tun. Diese Anfech­tung könne nicht nur mehrere Jahre nach Abschluss des Mietver­trages erfol­gen, son­dern unter­läge auch nicht den son­sti­gen Bedin­gun­gen gemäss Art. 270 OR. Schon aus diesem Grund müsse dem Mieter das Recht ver­wehrt wer­den, sich zur Begrün­dung ein­er Miet­zin­sher­ab­set­zung am Ende der anfänglichen Laufzeit des Mietver­trags auf die absolute Meth­ode zu berufen (Art. 270a OR). Möchte der Mieter den vere­in­barten Anfangsmi­et­zins anfecht­en, könne er dies inner­halb von 30 Tagen nach Erhalt der Miet­sache tun. Auch aus dem Recht des Pächters, beim Auss­chei­den aus der staatlichen Kon­trolle des Pachtzins­es eine Her­ab­set­zung des Pachtzins­es zu ver­lan­gen, könne kein Argu­ment abgeleit­et wer­den, da der Pächter in ein­er solchen Sit­u­a­tion nicht die Möglichkeit habe, den Pachtzins anzufecht­en, damit der Zivil­richter anhand Art. 269 OR über­prüfe, ob der Net­to­er­trag über­set­zt und damit der Miet­zins miss­bräuch­lich sei (E. 3.5).