1C_453/2020, 1C_693/2020: Festlegung des Gewässerraums der Muota / Mindestmass unterschritten (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 21. Sep­tem­ber 2021 beschäftigte sich das BGer schw­ergewichtig mit der Gewässer­raum­festle­gung am recht­en Ufer der Muo­ta in der Schwyz­er Gemeinde Ingen­bohl und der Erneuerung des Camp­ing­platzes Hopfräben. Die grun­deigen­tümerverbindliche Fes­tle­gung des Gewässer­raums am recht­en Ufer der Muo­ta ist Gegen­stand ein­er Nutzungs­plan­re­vi­sion der Gemeinde Ingen­bohl. Vorge­se­hen ist am recht­en Ufer ein Gewässer­raum von 15 m und im Bere­ich des Camp­ing­platzes bis zu 20 m. Die beste­hen­den Baut­en auf dem Camp­ing­platz sollen abge­brochen wer­den und durch ein neues Betrieb­s­ge­bäude mit Bistro, öffentlichem WC und ein­er Betrieb­swoh­nung sowie einem Nebenge­bäude mit Geräte- und Waschraum sowie ein­er Garage für die Betrieb­sleitung erset­zt wer­den. Gegen die Nutzungs­plan­re­vi­sion und die Baube­wil­li­gung führten die Pro Natu­ra, der WWF Schweiz und der Schweiz­er Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz zunächst Ein­sprache. Anschliessend gelangten sie bis vor BGer, welch­es die bei­den Ver­fahren vere­inigt und die Beschw­er­den gutheisst.

Was die Gewässer­raum­festle­gung bet­rifft, erörtert das BGer in einem ersten Schritt, ob Art. 41a Abs. 1 oder Abs. 2 GschV (Gewässer­schutzverord­nung; SR 814.201) ein­schlägig ist. Während Art. 41a Abs. 1 GschV die Bre­ite des Gewässer­raums in Biotopen von nationaler Bedeu­tung, in kan­tonalen Naturschutzge­bi­eten, in Moor­land­schaften von beson­der­er Schön­heit und nationaler Bedeu­tung sowie, bei gewässer­be­zo­ge­nen Schutzzie­len, in Land­schaften von nationaler Bedeu­tung und kan­tonalen Land­schaftss­chutzge­bi­eten fes­tlegt, definiert Art. 41a Abs. 2 GschV die Bre­ite des Gewässer­raums für die übri­gen Gebi­ete. Das BGer eruiert gewässer­be­zo­gene Schutzziele im Objek­t­blatt des BLN-Gebi­ets Nr. 1606 “Vier­wald­stät­tersee mit Kern­wald, Bür­gen­stock und Rigi” und hält deshalb Art. 41a Abs. 1 GschV für anwend­bar, was für Fliess­gewäss­er mit ein­er Gerinnsohle von mehr als 5.00 m natür­lich­er Bre­ite gle­ichbe­deu­tend ist mit ein­er Gewässer­raum­bre­ite von 30.00 m plus der Bre­ite der Gerinnsohle. Was die Über­legun­gen der Vorin­stanzen zur Gewässer­raum­bre­ite bet­rifft, hält das BGer fol­gen­des fest:

Vor­liegend gin­gen die Vorin­stanzen von ein­er beste­hen­den Gerinnsohlen­bre­ite von 30 m und ein­er natür­lichen Gerinnsohlen­bre­ite von 45 m aus, unter Zugrun­dele­gung eines Kor­rek­tur­fak­tors 1,5. Dies­falls müsste der Gewässer­raum (d.h. der Kor­ri­dor) gemäss Art. 41a Abs. 1 GschV eine Bre­ite von ins­ge­samt min­destens 75 m (45 + 30) aufweisen. Da der Gewässer­raum links­seit­ig der Muo­ta bere­its recht­skräftig 15 m ab Ufer­lin­ie fest­gelegt wurde, würde dies — bei ein­er Bre­ite des beste­hen­den Gerinnes von 30 m — einen Gewässer­raum von 30 m rechts­seit­ig der beste­hen­den Ufer­lin­ie ergeben (15 + 30 + 30). Der am recht­en Muo­ta-Ufer fest­gelegte Gewässer­raum von 15 m ab Ufer­lin­ie ist somit unzure­ichend. (Erw. 5.4.)

Bere­its aus diesem Grund heisst das BGer die Beschw­erde gut, prüft aus prozessökonomis­chen Grün­den aber auch, ob die Gerinnsohlen­bre­ite der Muo­ta bis an die Gren­ze des Flach­moors reichen müsse.

Das BGer ver­weist auf Art. 38a Abs. 1 GschG (Gewässer­schutzge­setz; SR 814.20; “Die Kan­tone sor­gen für die Revi­tal­isierung von Gewässern. Sie berück­sichti­gen dabei den Nutzen für die Natur und die Land­schaft sowie die wirtschaftlichen Auswirkun­gen, die sich aus der Revi­tal­isierung ergeben.”) und auf Art. 7 Abs. 1 VBLN (Verord­nung über das Bun­desin­ven­tar der Land­schaften und Natur­denkmäler; SR 451.11; “Die zuständi­gen Behör­den prüfen bei jed­er sich bietenden Gele­gen­heit, inwieweit beste­hende Beein­träch­ti­gun­gen ver­min­dert oder behoben wer­den kön­nen.”) und hält fest, dass die Begr­a­di­gung der Muo­ta, die heute über­gangs­los und ohne Gewässer­aufweitung in den Vier­wald­stät­tersee fliesse, eine schw­er­wiegende Beein­träch­ti­gung des BLN-Objek­ts darstelle, sowohl aus land­schaftlich­er als auch aus ökol­o­gis­ch­er Sicht. Die Gewässer­raum­festle­gung, die Revi­tal­isierungs­pla­nung und das hängige Ver­fahren für die Erneuerung des Camp­ing­platzes gäben Anlass zur Prü­fung, wie diese Beein­träch­ti­gung des BLN-Objek­tes rück­gängig gemacht wer­den könne.

Schliesslich äussert sich das BGer zur Frage, ob die Erneuerung des Camp­ing­platzes den über­gangsrechtlichen Gewässer­raum ver­let­zt (Frei­hal­tung eines Streifens von 20 m Bre­ite bei­d­seits der beste­hen­den Gewässer­rinne bei Fliess­gewässern mit ein­er beste­hen­den Gerinnsohle von mehr als 12 m Bre­ite). Die für die Entwässerung der neuen Betrieb­s­baut­en vorge­se­hene und mit­tels Aus­nah­me­be­wil­li­gung bewil­ligte Mete­or­leitung führe — so das BGer — ab dem Nebenge­bäude zur Muo­ta und komme damit in den über­gangsrechtlichen Gewässer­raum zu liegen.

Nach Art. 36a Abs. 3 Satz 1 GschG und Art. 38a Abs. 1 Satz 2 GschG sind der Kan­ton, und damit auch seine Gemein­we­sen (Bezirk, Gemein­den), verpflichtet, die Gewässer­raum- und Revi­tal­isierungs­pla­nung bei der Richt- und Nutzungs­pla­nung zu berück­sichti­gen. Wäre die Gewässer­raum­festle­gung frist­gerecht (bis Ende 2018) erfol­gt, hätte der Teil­zo­nen­plan Hopfräben und das Bau­vorhaben des Bezirks entsprechend angepasst wer­den müssen. Er wäre stossend, wenn der Bezirk mit der Ein­re­ichung eines Bauge­suchs während des hängi­gen Nutzungs­plan­ver­fahrens die bun­desrecht­skon­forme Gewässer­raum­festle­gung unter­laufen und die Revi­tal­isierung des Muo­ta-Deltas vere­it­eln könnte.

Da die Aus­nah­me­be­wil­li­gung für die Mete­or­wasser­leitung nicht erteilt wer­den kann, lassen sich auch das Betriebs- und Nebenge­bäude nicht bewil­ligten, was eben­falls zur Gutheis­sung der Beschw­erde führt.