5A_709/2018: Ausländerarrest, Geldwäscherei und genügender Bezug zur Schweiz (amtl. Publ., IT)

In diesem zur Publikation vorgesehenen Entscheid 5A_709/2018 vom 11. Juli 2022 setzte sich das Bundesgericht mit der Frage auseinander, ob der Bezug zur Schweiz nach Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG als genügend zu qualifizieren ist, wenn die geltend gemachte Forderung im Recht der unlerlaubten Handlungen fusst und der deliktische Betrag aus einer Veruntreuung auf ein Bankkonto in der Schweiz überwiesen wurde. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass es dem Arrestgläubiger obliegt, den genügenden Bezug zur Schweiz im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Geldwäscherei in der Schweiz nach Art. 305bis StGB glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Arrestgläubiger den genügenden Bezug zur Schweiz nicht glaubhaft machten, da diese lediglich behauptet hatten, dass eine Veruntreuung vorliegen würde und keinerlei Ausführungen zum Straftatbestand der Geldwäscherei gemacht hatten.

Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

I war Geschäfts­führer der Y S.p.A. und E S.p.A., und J war Geschäfts­führer der G Ltd. Ihnen wird vorge­wor­fen, ein betrügerisches Sys­tem entwick­elt zu haben, das seit Ende der 1980er Jahre zum Ein­satz kam und mit dem die Mitangeklagten einen erhe­blichen Teil (ins­ge­samt 100 Mio. USD im Zeitraum von 2000 bis 2005) der von der Y S.p.A. ab 1999 über­wiese­nen Beträge verun­treut haben sollen, wobei anschliessend diese Beträge u.a. auf die Girokon­ten der Gesellschaften A Ltd., B Ltd. und C N.V. bei der Bank L SA in Lugano über­wiesen wur­den, deren ange­blich­er Ben­e­fi­cial Own­er J über seine Treuhän­der N und O ist.

Mit Urteil vom 18. Okto­ber 2011 entsch­ied ein Richter in Mai­land u.a., dass gegen J und andere wegen Ver­jährung kein Ver­fahren ein­geleit­et wer­den muss, und gegen I, weil er die Tat nicht began­gen hat. In einem späteren Entscheid des Strafgerichts in Mai­land, das im Rechtsmit­telver­fahren bestätigt wurde, wurde die Ver­jährung für alle Sachver­halte fest­gestellt, die Gegen­stand der Anklage wegen schw­er­er Verun­treu­ung waren.

Mit Arrest­ge­such vom 10. Juni 2016 gegen J, D S.p.A. und E S.p.A. beantragten A Ltd, B Ltd und C N.V. (Arrest­gläu­biger) die Ver­ar­restierung der Ver­mö­genswerte, die sich bei der Bank L SA in Lugano befind­en. Begrün­det wurde das Arrest­ge­such (Aus­s­län­der­ar­rest) damit, dass eine rechtswidrige Hand­lung (Verun­treu­ung) began­gen wurde, und dass den Arrest­gläu­bigern Schaden­er­satzansprüche zuste­hen würden.

Der Arrestrichter hiess in einem ersten Schritt das Arrest­ge­such gut, hob jedoch den Arrest­be­fehl im Arrestein­sprachev­er­fahren auf.

Gegen den Arrestein­spracheentscheid erhoben die Arrest­gläu­biger Beschw­erde beim Kan­ton­s­gericht. Mit Entscheid vom 24. Juli 2018 hiess das Kan­ton­s­gericht (Vorin­stanz) die Beschw­erde der Arrest­gläu­biger gut. Das Kan­ton­s­gericht verneinte zwar, dass der Erfol­gsort der Verun­treu­ung in der Schweiz liegen würde. Es fragte sich jedoch, “ob die Über­weisung des unrecht­mäs­sig erziel­ten Gewinns auf ein Bankkon­to in der Schweiz nicht als eine weit­ere, von der Verun­treu­ung zu unter­schei­dende rechtswidrige Hand­lung anzuse­hen ist”. Es stellte fest, dass die Über­weisung des Erlös­es aus der Verun­treu­ung von einem Kon­to in Irland auf Schweiz­er Kon­ten im Namen von Off­shore-Gesellschaften wahrschein­lich den Tatbe­stand der Geld­wäscherei erfüllt, die eben­falls eine zivil­rechtliche Straftat darstellt, die dem Schuld­ner zuzurech­nen ist (E.2.3.2).

Gegen diesen Entscheid erhoben D S.p.A. und E S.p.A. am 30. August 2018 Beschw­erde beim Bun­des­gericht, das die Beschw­erde teil­weise guthiess und den Entscheid der Vorin­stanz aufhob.


Zunächst fasste das Bun­des­gericht seine Recht­sprechung zum genü­gen­den Bezug zur Schweiz nach Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG zusam­men (E. 2.3.1):

Ein genü­gen­der Bezug zur Schweiz Schweiz wird ins­beson­dere dann glaub­haft gemacht, wenn der Arrest­gläu­biger seinen Wohn­sitz oder Sitz in der Schweiz hat oder wenn ein Anknüp­fungspunkt i.S.v. IPRG vor­liegt, der die Zuständigkeit der Schweiz­er Gerichte begrün­det oder zur Anwen­dung des Schweiz­er Rechts auf den Sachver­halt führt. Der Arrestrichter kann sich auf die im IPRG vorge­se­henen Anknüp­fungspunk­te berufen, auch wenn wed­er die Zuständigkeit ein­er schweiz­erischen Gerichte noch die Anwen­dung des schweiz­erischen Rechts tat­säch­lich betrof­fen sind; es ist nicht erforder­lich, dass die Verbindung mit der Schweiz gegenüber der­jeni­gen mit anderen Staat­en überwiegt.

Die blosse Bele­gen­heit der zu ver­ar­restieren­den Ver­mö­genswerte in der Schweiz stellt jedoch in der Regel keinen genü­gen­den Bezug zur Schweiz dar. Gemäss Lehre kön­nte dies jedoch aus­re­ichen, wenn durch das Ver­schaf­fen der Ver­mö­genswerte in die Schweiz den poten­tiellen Gläu­bigern der Zugriff in ungerecht­fer­tigter Weise erschw­ert oder gar verun­möglicht wurde. So ver­mag die Bele­gen­heit von Ver­mö­gensstück­en in der Schweiz zu genü­gen, wenn glaub­haft erscheint, dass das Ver­mö­gen in der Schweiz gebracht wurde, um den Gläu­bigern die Gel­tend­machung ihrer Rechte zu erschweren.


Sodann set­zte sich das Bun­des­gericht mit der Frage auseinan­der, ob das Vor­liegen des Straftatbe­stands der Geld­wäscherei einen genü­gen­den Bezug zur Schweiz darstellen kön­nte (E. 2.3.5). Während das Bun­des­gericht dies grund­sät­zlich bejahte (es kann nicht aus­geschlossen wer­den, dass eine in der Schweiz began­gene Geld­wäscherei eine uner­laubte Hand­lung i.S.v. Art. 41 ff. OR darstellt und somit der Anspruch des Geschädigten auf­grund der Anknüp­fungstatbestände von Art. 129 ff. IPRG einen solchen Bezug zur Schweiz haben kann), präzisierte das Bun­des­gericht jedoch, dass es dem Arrest­gläu­biger obliegt, glaub­haft zu machen, dass der Straftatbe­stand der Geld­wäscherei erfüllt ist:

  • Gemäss Art. 305bis StGB wird der Täter bestraft, wenn die Haupt­tat im Aus­land began­gen wurde und diese auch am Bege­hung­sort straf­bar ist.
  • Weit­ere Voraus­set­zung für einen Schuld­spruch wegen Geld­wäscherei ist u.a., dass die Vor­tat im Zeit­punkt der Geld­wäscherei­hand­lung nicht ver­jährt ist, da die Einziehung eines Ver­mö­genswerts nicht vere­it­elt wer­den kann, wenn ein entsprechen­der Anspruch nicht mehr besteht.
  • Bei Aus­landsvor­tat­en set­zt die Erfül­lung des Tatbe­standes, soweit kein selb­st­ständi­ger schweiz­erisch­er Einziehungsanspruch beste­ht, voraus, dass nach dem aus­ländis­chen Recht im Zeit­punkt der mut­masslichen Geld­wäscherei­hand­lung eine Einziehung in Frage gekom­men wäre.

Das Bun­des­gericht kam im konkreten Fall zum Schluss, dass die Arrest­gläu­biger lediglich behauptet hat­ten, dass eine Verun­tre­ung vor­liegen würde, und kein­er­lei Aus­führun­gen zur Geld­wäscherei gemacht hat­ten. Indem die Vorin­stanz von sich aus den Straftatbe­stand der Geld­wäscherei prüfte, ver­fiel sie in Willkür (E. 2.3.5). Das Bun­des­gericht hiess fol­glich die Beschw­erde teil­weise gut, hob den Entscheid der Vorin­stanz auf und wies die Sache an die Vorin­stanz zur Regelung der Kosten­fol­gen zurück.