1C_398/2021: Arealplan “Bahnhof” Samedan / Unzulässige Abweichung von der Grundordnung (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 8. Novem­ber 2022 beschäftigte sich das BGer mit dem Are­alplan “Bahn­hof”. Dieser wurde vom Gemein­de­vor­stand der Gemeinde Samedan an sein­er Sitzung vom 19. Novem­ber 2018 beschlossen. Gegen den Beschluss gelangten mehrere Per­so­n­en an den Regierungsrat und dann an das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Graubün­den. Schliesslich wurde eine Beschw­erde in öffentlich-rechtlichen Angele­gen­heit­en platziert, welche vom BGer gut­ge­heis­sen wird.

Die Beschw­erde­führer rügen primär, dass der Are­alplan “Bahn­hof” Art. 2 Abs. 1 RPG (Raum­pla­nungs­ge­setz; SR 700) ver­let­ze, indem er stark von der Grun­dord­nung abwe­iche. Das BGer ruft zunächst seine Recht­sprechung zum Ver­hält­nis von Son­der­nutzungs­plan und Grun­dord­nung in Erinnerung:

Gemäss der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts darf mit einem Son­der­nutzungs­plan von der Grun­dord­nung abgewichen wer­den, soweit diese Abwe­ichun­gen nicht dazu führen, die planer­isch und demokratisch abgestützte Grun­dord­nung ihres Sin­nge­halts zu entleeren […]. Viele Kan­tone haben diese Anforderung an Son­der­nutzungspläne in ihrem Recht konkretisiert und Kri­te­rien fest­gelegt, an welchen die Zuläs­sigkeit von Abwe­ichun­gen von der Grun­dord­nung zu messen ist […]. Die Zuläs­sigkeit von Abwe­ichun­gen ergibt sich daher häu­fig aus dem kan­tonalen Recht, dessen Anwen­dung das Bun­des­gericht bloss auf Willkür prüft […]. Die Kan­tone sind indes — wie ein­lei­t­end bemerkt — nicht frei, beliebig grosse Abwe­ichun­gen von der Grun­dord­nung zuzu­lassen. Dies­bezüglich hat das Bun­des­gericht ver­schiedentlich fest­ge­hal­ten, dass die Nutzungs­pla­nung grund­sät­zlich aus ein­er Gesamt­sicht der raumbe­deut­samen Belange her­aus erfol­gen muss. Ins­beson­dere ist zur Pla­nung der Entwick­lung der Bautätigkeit ein planer­isches Gesamtkonzept erforder­lich. Der unko­or­dinierte Erlass von Son­der­nutzung­sor­d­nun­gen für Teile des Gemein­dege­bi­ets wider­spricht der Pla­nungspflicht von Art. 2 Abs. 1 RPG […]. Son­der­nutzungspläne, welche die Grun­dord­nung in wesentlichen Teilen auss­er Kraft set­zen, sind grund­sät­zlich unzuläs­sig […]. (Erw. 3.3.)

Sodann führt das BGer aus, dass die vom Are­alplan “Bahn­hof” vorge­se­henen Abwe­ichun­gen von der Grun­dord­nung mas­siv und damit geeignet seien, den Charak­ter der geplanten Flächen augen­fäl­lig und grundle­gend zu verändern:

Die im EG und im 1. OG nach Are­alplan zuge­lassene Gebäudelänge von 90 m über­trifft alle übri­gen im Bauge­setz aus­drück­lich genan­nten max­i­mal zuläs­si­gen Gebäudelän­gen, ins­beson­dere die 40 m, die in der am ehesten mit der vorge­se­henen Nutzungsart ver­gle­ich­baren Mis­chzone “Gewerbe- und Wohn­zone” erlaubt sind. Es ist nicht ersichtlich, wie sich eine solche Abwe­ichung noch der­art in die Grun­dord­nung ein­fü­gen kön­nte, dass diese nicht als ihres Gehalts entleert erscheinen würde. (Erw. 4.5.)

In der Folge hebt das BGer das ange­focht­ene Urteil des Ver­wal­tungs­gerichts des Kan­tons Graubün­den und damit den Are­alplan “Bahn­hof” vom 19. Novem­ber 2018 auf.