1C_238/2021: Reitstall in der Landwirtschaftszone / Einsprachelegitimation des Bundesamts für Raumentwicklung (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 27. April 2022 beschäftigte sich das Bun­des­gericht mit dem in Rotkreuz gele­ge­nen Hof Ober­freuden­berg. Im April 2019 reicht­en die Eigen­tümer des Hofs ein “Gesamtkonzept Ober­freuden­berg und Freuden­berg” und drei darauf basierende Bauge­suche ein. Die Bauge­suche bein­hal­teten den Aus­bau der beste­hen­den Pfer­de­hal­tung (Bauge­such “Pfer­de­hal­tung”), die Umnutzung und den Aus­bau beste­hen­der Ökonomiebaut­en zu Pfer­destal­lun­gen (Bauge­such “Ökonomiebaut­en”) sowie den Anbau ein­er Traktorengarage/Werkstatt (Bauge­such “Trak­toren­garage”). Gegen alle drei Bauge­suche gin­gen Ein­sprachen ein, welche der Gemein­der­at abwies. Betr­e­f­fend das Bauge­such “Ökonomiebaut­en” erachtete der Gemein­der­at die Ein­sprachele­git­i­ma­tion als nicht gegeben. Die Baube­wil­li­gun­gen “Pfer­de­hal­tung” und “Trak­toren­garage” zogen die Ein­sprech­er vor das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Zug. Die fehlende Ein­sprachele­git­i­ma­tion in Bezug auf das Bauge­such “Ökonomiebaut­en” wurde von den Ein­sprech­ern hinge­gen akzep­tiert. Mit Zwis­chen­ver­fü­gung hielt das Ver­wal­tungs­gericht fest, dass die Baube­wil­li­gung “Ökonomiebaut­en” nicht ange­focht­en wor­den sei, weshalb die baulichen Mass­nah­men aus­ge­führt wer­den kön­nten. Die Beschw­er­den gegen die bei­den anderen Baube­wil­li­gun­gen wies das Ver­wal­tungs­gericht ab. In der Folge gelangte das Bun­de­samt für Rau­men­twick­lung (ARE) an das BGer und beantragte die Aufhe­bung aller drei Baubewilligungen.

Im Zen­trum des Bun­des­gericht­surteils ste­ht die Frage, ob das ARE befugt war, den Entscheid des Gemein­der­ats zum Bauge­such “Ökonomiebaute” anzufecht­en, obwohl der Entscheid vom Ver­wal­tungs­gericht nicht über­prüft wurde. Das BGer führt aus, dass eine Koor­di­na­tion stattge­fun­den habe, weil der Gemein­der­at (und die Baudi­rek­tion des Kan­tons Zug) über die drei gle­ichzeit­ig ein­gere­icht­en Bauge­suche gle­ichzeit­ig entsch­ieden habe. Es kommt dann aber zu fol­gen­dem Zwischenfazit:

[…] [D]en Ein­sprech­ern [wurde] in Bezug auf das Bauge­such betr­e­f­fend den Stan­dort Freuden­berg die Ein­sprachele­git­i­ma­tion abge­sprochen und blieb die entsprechende Baube­wil­li­gung in der Folge unange­focht­en, worauf das Ver­wal­tungs­gericht sie in formeller Hin­sicht nicht mehr zum Anfech­tung­sob­jekt zählte. Die isolierte Beurteilung der Rechtsmit­tel­le­git­i­ma­tion hat vor­liegend somit dazu geführt, dass ein Teil der materiell zu koor­dinieren­den Bau­vorhaben (jene am Stan­dort Freuden­berg) — aus rein ver­fahren­srechtlichen Grün­den — abge­tren­nt wurde, was die gesamthafte Prü­fung und die Inter­essen­ab­wä­gung, mithin die inhaltliche Abstim­mung im Sinne von Art. 25a Abs. 2 lit. d RPG, durch die Rechtsmit­telin­stanzen beein­trächtigte. Dies ist wed­er mit dem Koor­di­na­tion­s­ge­bot gemäss Art. 25a i.V.m. Art. 33 Abs. 4 RPG noch mit dem Prinzip des Vor­rangs des Bun­desrechts gemäss Art. 49 BV vere­in­bar.” (Erw. 1.5.2.)

Ein Nichtein­treten auf die Beschw­erde des ARE gegen die Baube­wil­li­gung “Ökonomiebaute” würde — so das BGer — die Auf­sichts­funk­tion des ARE vere­it­eln. Das BGer beurteilt die drei Baube­wil­li­gun­gen fol­glich auch materiell.

Materiell kri­tisiert das BGer die Baube­wil­li­gun­gen in mehrerer Hin­sicht (All­wet­ter­aus­läufe über­steigen die emp­foh­lene Aus­lauf­fläche; All­wet­ter­aus­läufe und Führan­lage sind vor­rangig auf bere­its befes­tigten Flächen zu erricht­en; Kurse für Kinder kön­nen nicht in der Land­wirtschaft­szone bewil­ligt wer­den; Baut­en und Anla­gen für die Unter­bringung und Pflege von Pfer­den sind auf das Notwendi­ge zu beschränken; als Werk­statt müssen vor­rangig die beste­hen­den Ökonomiebaut­en ver­wen­det wer­den). Das BGer heisst die Beschw­erde in der Folge teil­weise gut und weist die Sache an die Baudi­rek­tion des Kan­tons Zug zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwä­gun­gen zurück.