5A_502/2023: Kosten gemäss Gebührenverordnung SchKG (amtl. Publ.)

In diesem zur Publikation vorgesehenen Entscheid 5A_502/2023 vom 20. März 2024 setzte sich das Bundesgericht mit diversen Fragen i.Z.m. der Gebührenverordnung SchKG (GebV SchKG) auseinander. Das Bundesgericht kam u.a. zum Schluss, dass eine Abholungseinladung nicht in Rechnung gestellt werden darf, da es sich nicht um eine Amtshandlung handelt, auch nicht gemäss dem neuen Art. 10bis GebV SchKG. Das Bundesgericht bestätigte zudem, dass die Kosten für den Erlass der Pfändungsankündigung in Art. 20 GebV SchKG nicht enthalten sind und separat verrechnet werden können. Da es sich bei der A‑Post nicht um eine Zustellung gegen Empfangsbestätigung handelt, darf eine Zustellung per A‑Post nicht in Rechnung gestellt werden, wenn eine Zustellung gegen Empfangsbestätigung erforderlich ist.

Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Gegen den Schuld­ner A leit­ete der Kan­ton Zug eine Betrei­bung für eine Forderung von CHF 200 sowie eine Mah­nge­bühr von CHF 35 beim Betrei­bungsamt Zug ein. Zudem leit­ete der Kan­ton Zürich gegen A eine Betrei­bung für eine Forderung von CHF 300 beim Betrei­bungsamt Zug ein.

Am 25. Jan­u­ar 2023 vol­l­zog das Betrei­bungsamt Zug die Pfän­dung. Es kon­nte kein pfänd­bares Ver­mö­gen und auch kein kün­ftiges Einkom­men gepfän­det wer­den. Am 14. Feb­ru­ar 2023 stellte das Betrei­bungsamt in den erwäh­n­ten Betrei­bun­gen je einen Ver­lustschein aus. Dabei wur­den fol­gende Kosten erhoben:

Betrei­bung des Kan­tons Zug

  • Pfän­dungsankündi­gung CHF 22.40
  • Pfän­dungsvol­lzug CHF 12.50
  • Ver­lustschein für Gläu­biger CHF 13.30
  • Ver­lustschein für Schuld­ner CHF 9.10
  • Wegentschädi­gung CHF 27.40
  • Kosten Zahlungs­be­fehl CHF 33.30
  • Total CHF 118.00

Betrei­bung des Kan­tons Zürich

  • Pfän­dungsankündi­gung CHF 22.40
  • Pfän­dungsvol­lzug CHF 12.50
  • Ver­lustschein für Gläu­biger CHF 13.30
  • Ver­lustschein für Schuld­ner CHF 9.10
  • Wegentschädi­gung CHF 27.40
  • Kosten Zahlungs­be­fehl CHF 33.30
  • Erfol­glos­er Zustel­lver­such CHF 7.00
  • Abhol­ungsauf­forderung CHF 8.00
  • Total CHF 133.00

Dage­gen erhob A Beschw­erde beim Oberg­ericht des Kan­tons Zug. Er ver­langte, die amtlichen Gebühren auf CHF 65 zu reduzieren. Zudem sei er für den “Gang vors Amt” vom 25. Jan­u­ar 2023 mit CHF 27.40 zu entschädi­gen. Mit Urteil vom 27. Juni 2023 wies das Oberg­ericht die Beschw­erde ab, soweit es darauf eintrat.

Mit Eingabe vom 5. Juli 2023 erhob A Beschw­erde an das Bun­des­gericht. Mit Urteil vom 20. März 2024 hiess das Bun­des­gericht die Beschw­erde von A teil­weise gut und hob den Entscheid des Oberg­erichts des Kan­tons Zug auf. Das Bun­des­gericht set­zte die Kostenabrech­nung in der Betrei­bung des Kan­tons Zug wie fol­gt fest: “Pfän­dungsankündi­gung CHF 13.30; Ver­lustschein für Schuld­ner CHF 8.00. In der Kostenabrech­nung in der Betrei­bung des Kan­tons Zürich wer­den der Posten “Abhol­ungsauf­forderung” und der entsprechende Betrag gestrichen. Im Übri­gen wird die Kostenabrech­nung wie fol­gt neu gefasst: Pfän­dungsankündi­gung CHF 13.30; Ver­lustschein für Schuld­ner CHF 8.00. Im Hin­blick auf die Wegentschädi­gun­gen in bei­den Kostenabrech­nun­gen wird die Angele­gen­heit an das Oberg­ericht zurückgewiesen.”


Kosten für die weit­eren Zustellversuche 

Das Bun­des­gericht rief zunächst in Erin­nerung, dass die Kosten für einen ersten Zustel­lver­such in der Gebühr gemäss Art. 16 Abs. 1 GebV SchKG enthal­ten sind, und zwar unab­hängig davon, ob der Zustel­lver­such erfol­gre­ich ist oder nicht. Nach dem ersten Zustel­lver­such kommt für jeden weit­eren Zustel­lver­such die in Art. 16 Abs. 3 GebV SchKG vorge­se­hene Gebühr (E. 3.2.2).


Kosten für die Abholungseinladung

Sodann set­zte sich das Bun­des­gericht mit den Kosten der Abhol­ung­sein­ladun­gen, die vom Betrei­bungsamt in Rech­nung gestellt wur­den, auseinan­der. Gemäss bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung ist es zwar erlaubt, zu ver­suchen, einen Zahlungs­be­fehl mit­tels ein­er Abhol­ung­sein­ladung auf dem Betrei­bungsamt zuzustellen. Bei der Abhol­ung­sein­ladung han­delt es sich jedoch nicht um eine geset­zlich vorgeschriebene Amt­shand­lung. Die Abhol­ung­sein­ladung ist eine blosse Mit­teilung, dass der Zahlungs­be­fehl für den Betriebe­nen bere­it liegt. Im Gegen­satz zu anderen Anzeigen ist im Gesetz nicht vorge­se­hen, dass das Betrei­bungsamt den Schuld­ner über das Vor­liegen eines aus­ge­fer­tigten, zustell­bere­it­en Zahlungs­be­fehls benachrichti­gen muss. Der Betriebene ist denn auch nicht verpflichtet, den Zahlungs­be­fehl auf dem Betrei­bungsamt ent­ge­gen­zunehmen (E. 3.2.3).

Da für nicht vorgeschriebene Amt­shand­lun­gen keine Kostenpflicht beste­ht, ist die Abhol­ung­sein­ladung nicht kostenpflichtig. Fol­glich dür­fen wed­er Aus­la­gen nach Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG noch eine Gebühr nach Art. 9 GebV SchKG in Rech­nung gestellt wer­den. Daran ändert nichts, dass die Ausstel­lung von Abhol­ung­sein­ladun­gen für Zahlungs­be­fehle eine inzwis­chen weit ver­bre­it­ete Prax­is darstellt, selb­st wenn eine Abhol­ung­sein­ladung zweck­mäs­sig sein kann (E. 3.2.3).

Auch der neue Art. 10bis GebV SchKG ver­mag keine gültige Grund­lage für die Ver­rech­nung der Kosten für die Abhol­ung­sein­ladung zu schaf­fen. Diese Bes­tim­mung sieht eine Gebühr von CHF 8 für die Abhol­ung­sein­ladung vor, wenn min­destens ein­mal erfol­g­los ver­sucht wurde, dem Schuld­ner einen Zahlungs­be­fehl, eine Pfän­dungsankündi­gung oder eine Konkur­san­dro­hung zuzustellen und er daraufhin schriftlich aufge­fordert wird, das Doku­ment per­sön­lich auf dem Betrei­bungsamt abzu­holen (E. 3.2.3).

Im Rah­men der Vernehm­las­sung zur Revi­sion der Gebühren­verord­nung wurde denn auch von einzel­nen Teil­nehmern bezweifelt, dass Art. 13 Abs. 2bis des Entwurfs, der in den hier inter­essieren­den Punk­ten dem gel­tenden Art. 10bis GebV SchKG entspricht, eine genü­gende geset­zliche Grund­lage für eine Kostenpflicht bzw. diese Zustell­form darstellt (vgl. den Bericht vom 28. April 2021 des Bun­de­samtes für Jus­tiz über das Ergeb­nis des Vernehm­las­sungsver­fahrens, S. 6 mit Hin­weisen, < https://www.fedlex.admin.ch > unter Abgeschlossene Vernehm­las­sun­gen, 2018, EJPD). Im Übri­gen ver­mag Art. 10bis GebV SchKG auch nichts daran zu ändern, dass ein Schuld­ner nicht verpflichtet ist, ein­er Ein­ladung zur Abhol­ung eines Zahlungs­be­fehls Folge zu leis­ten. Fol­gt er der Ein­ladung nicht, wie dies seinem Recht entspricht, würde er im Hin­blick auf die Kosten jedoch schlechter gestellt als ein Schuld­ner, der der Ein­ladung fol­gt, denn er hätte nicht nur die ungenutzte Abhol­ung­sein­ladung zu bezahlen, son­dern auch den näch­sten Zustel­lver­such. Damit würde ein indi­rek­ter Druck aufge­baut, trotz gegen­teiliger geset­zlich­er Aus­gangslage der Abhol­ung­sein­ladung zu folgen.“


Kosten der Pfändungsankündigung

Das Bun­des­gericht erwog, dass die Kosten der Pfän­dungsankündi­gung nach Art. 9 Abs. 1 GebV SchKG sep­a­rat ver­rech­net wer­den dür­fen, da sie nicht unter Art. 20 GebV SchKG fall­en, da die Pfän­dungsankündi­gung nicht zum Vol­lzug der Pfän­dung gehört. Die Pfän­dungsankündi­gung mag im SchKG sys­tem­a­tisch im Abschnitt zum Pfän­dungsvol­lzug geregelt sein. Sie ist jedoch vom eigentlichen Vol­lzug der Pfän­dung zu unter­schei­den. Sie ist diesem vorge­lagert und dient dem Schutz des Schuld­ners, der später beim Pfän­dungsvol­lzug auf eine möglichst scho­nende Durch­führung des­sel­ben hin­wirken kön­nen soll. Art. 20 GebV SchKG umfasst jedoch nur den eigentlichen Vol­lzug der Pfän­dung, der eine Vielzahl ver­schieden­er Mass­nah­men nötig machen kann, die im Gegen­satz zur Pfän­dungsankündi­gung, die mit For­mu­lar Nr. 5 erfol­gt, nur schw­er einzeln tar­i­fiert wer­den kön­nten (E. 3.3.1).


Kosten der A‑Post Zustel­lung (Pfän­dungsankündi­gung und Abschrift des Verlustscheins) 

In der Folge set­zte sich das Bun­des­gericht mit den Kosten der A‑Post Zustel­lung der Pfän­dungsankündi­gung (E. 3.3.2) und der Abschrift des Ver­lustscheins (E. 3.4) auseinander.

Das Bun­des­gericht erwog, dass die Pfän­dungsankündi­gung eine Ver­fü­gung ist, die nach Art. 34 f. SchKG und damit gegen Emp­fangs­bestä­ti­gung zuzustellen ist. Da die Zustel­lung mit A‑Post keine Zustel­lung gegen Emp­fangs­bestä­ti­gung ist, darf sie nicht in Rech­nung gestellt wer­den (E. 3.3.2):

 Zwar han­delt es sich bei Art. 34 SchKG um eine Ord­nungsvorschrift, die der Beweis­sicherung dient (…). Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Zustel­lung der Pfän­dungsankündi­gung mit A‑Post im SchKG ger­ade nicht vorge­se­hen und dem Betrei­bungsamt ins­beson­dere nicht vorgeschrieben ist (…). Erst recht beste­ht keine Vorschrift dahinge­hend, dass das Betrei­bungsamt die Pfän­dungsankündi­gung dop­pelt aus­fer­ti­gen und ein Exem­plar per Ein­schreiben und das andere gle­ichzeit­ig per A‑Post ver­schick­en muss. Dies entspricht jedoch offen­bar der Prax­is des Betrei­bungsamts Zug. Das Betrei­bungsamt Zug wartet mit anderen Worten dem­nach gar nicht ab, ob die vorgeschriebene Zustel­lung mit Ein­schreiben erfol­gre­ich ist oder nicht, son­dern erstellt und ver­schickt die Pfän­dungsankündi­gung von vorn­here­in dop­pelt, ein­mal per Ein­schreiben und ein­mal per A‑Post. Das Betrei­bungsamt beruft sich zur Recht­fer­ti­gung dieser Prax­is auf die Zweck­mäs­sigkeit, da rund 70 % der mit Ein­schreiben ver­sandten Pfän­dungsankündi­gun­gen nicht zugestellt wer­den kön­nten und nach der Abhol­frist retourniert wür­den. Auch für die Pfän­dungsankündi­gung gilt jedoch, dass die blosse Zweck­mäs­sigkeit ein­er Hand­lung noch keine Grund­lage dafür schafft, dass die dabei anfal­l­en­den Kosten in Rech­nung gestellt wer­den dür­fen. Art. 9 und Art. 13 GebV SchKG stellen dafür keine genü­gende Grund­lage dar (…). Soweit der Empfänger die eingeschriebene Sendung in Emp­fang nimmt, stellen die zusät­zliche Aus­fer­ti­gung und der zusät­zliche Ver­sand mit A‑Post zudem nicht nur keine vorgeschriebene, son­dern sog­ar eine unnötige Hand­lung dar, wofür eben­falls keine Kostenpflicht besteht (…).“

Auch die Abschriften von Pfän­dung­surkun­den sind gemäss Art. 34 Abs. 1 SchKG durch Ein­schreiben oder auf andere Weise gegen Emp­fangs­bestä­ti­gung zuzustellen. Die Zustel­lung mit A‑Post ist dem­nach nicht vorge­se­hen, weshalb die Kosten für die A‑Post-Zustel­lung nicht in Rech­nung gestellt wer­den dür­fen (E. 3.4).


Wegentschädi­gung

Schliesslich set­zte sich das Bun­des­gericht mit der Frage der Wegentschädi­gung auseinan­der, die vom Betrei­bungsamt Zug in Rech­nung gestellt wurde.

Der Schuld­ner machte vor Bun­des­gericht gel­tend, dass das Betrei­bungsamt Zug zuge­s­tanden habe, an diesem Tag nicht nur beim ihm, son­dern auch an einem anderen Ort gewe­sen zu sein. In diesem Zusam­men­hang hat­te der Schuld­ner vor der Vorin­stanz ver­langt, dass das Betrei­bungsamt offen­legt, wo der Betrei­bungs­beamte an dem Tag über­all gewe­sen ist. Das Bun­des­gericht stellte fest, dass das Oberg­ericht das Argu­ment und den Edi­tions­begehren des Schuld­ners nicht behan­delt hat­te, obschon dieser Sachver­halt für die Fes­tle­gung der Gebühr gemäss Art. 14 f. GebV SchKG von Bedeu­tung ist. Darin erblick­te das Bun­des­gericht eine Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs und wies die Sache an die Vorin­stanz zurück (E. 3.5.1):

Art. 15 Abs. 1 GebV SchKG sieht vor, dass mehrere Ver­rich­tun­gen soweit möglich miteinan­der zu besor­gen sind und die Wegentschädi­gung auf die ver­schiede­nen Ver­rich­tun­gen zu gle­ichen Teilen umzule­gen ist. Art. 15 GebV SchKG ist dem­nach für die dem Beschw­erde­führer gestützt auf Art. 14 GebV SchKG aufer­legte Wegentschädi­gung von Bedeu­tung, wenn das Betrei­bungsamt zugle­ich auch andere Ver­rich­tun­gen vorgenom­men haben sollte. “