1C_472/2023: Enteignung / Strassenbau

Im Entscheid 1C_472/2023 vom 3. Sep­tem­ber 2024 beurteilte das Bun­des­gericht die Voraus­set­zun­gen für die Inanspruch­nahme des pri­vat­en Grun­deigen­tums. Für die behin­derten­gerechte Gestal­tung ein­er Bushal­testelle beab­sichtigte das BVU des Kan­tons Aarau die Inanspruch­nahme der im Eigen­tum von A. (Beschw­erde­führer) ste­hen­den Parzelle. 28 m² Land soll­ten abge­treten, 27 m² Land soll­ten vorüberge­hend beansprucht wer­den. Hierge­gen schlug A. den Rechtsweg ein und gelangte schliesslich ans Bundesgericht.

Das Bun­des­gericht hielt fest, dass die Inanspruch­nahme des Grun­deigen­tums des Beschw­erde­führers für die Anpas­sung der Hal­testelle einen entschädi­gungspflichti­gen Ein­griff in die Eigen­tums­garantie (Art. 26 Abs. 1 BV) darstelle. Ein Ein­griff in die Eigen­tums­garantie sei nur zuläs­sig, wenn er auf ein­er geset­zlichen Grund­lage beruhe, im öffentlichen Inter­esse liege und ver­hält­nis­mäs­sig sei (Art. 36 BV; Urteil 1C_505/2022 vom 15. Jan­u­ar 2024 E. 5.1). Die Mass­nahme müsse für das Erre­ichen des Ziels geeignet und erforder­lich sein und sich für den Betrof­fe­nen in Anbe­tra­cht der Schwere der Grun­drecht­sein­schränkung als zumut­bar erweisen (E. 4.)

Vor­liegend sei das öffentliche Inter­esse am Erhalt der Bushal­testelle auf­grund ihrer zen­tralen Lage in der Dorfmitte zu beja­hen (E. 4.1.1) Zudem stelle das Behin­derten­gle­ich­stel­lungs­ge­setz eine genü­gende rechtliche Grund­lage für den infrageste­hen­den Ein­griff dar (E. 4.1.2). Die Eig­nung und Erforder­lichkeit des Ein­griffs begrün­dete das Bun­des­gericht sodann damit, dass keine geeigneteren Stan­dorte in Frage kämen: Entschei­dend sei, dass bei anderen Lösun­gen die Verkehrssicher­heit gefährdet würde, was nicht hin­genom­men wer­den könne. Der Ein­griff sei zudem zumut­bar, zumal ein erhe­blich­es öffentlich­es Inter­esse an der behin­derten­gerecht­en Anpas­sung der Hal­testelle bestünde. Das Inter­esse des Beschw­erde­führers am ungeschmälerten Erhalt seines Eigen­tums rel­a­tiviere sich demge­genüber dadurch, dass der zu enteignende Teil sein­er Parzelle auf­grund der Strassen­ab­standsvorschriften ohne­hin nur eingeschränkt nutzbar sei. Dass der Beschw­erde­führer sein Grund­stück nicht ver­lassen könne, solange ein Bus an der Hal­testelle halte, ste­he der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit des Ein­griffs nicht ent­ge­gen, zumal er bere­its jet­zt auf­grund der eingeschränk­ten Sichtver­hält­nisse hal­tende Busse abwarten müsse, bevor er von seinem Grund­stück weg­fahren könne. Auch eine zusät­zliche Lärm­beläs­ti­gung durch den Busverkehr ste­he der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit der Enteig­nung nicht ent­ge­gen (E. 4.2.2).

Entscheid zum Nach­le­sen: 1C_472/2023