Im zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 10. März 2022 setzte sich das BGer mit einem von der Stadt St. Gallen initiierten Enteignungsbegehren im Zusammenhang mit der Erweiterung der Deponie Tüfentobel in der Gemeinde Geiserwald auseinander. A. ist Eigentümer von zwei Grundstücken, welche teilweise im Perimeter der Deponie liegen. Bei der Schätzungskommission beantragte die Stadt St. Gallen eine dauernde Beschränkung des Eigentums an diesen beiden Grundstücken in Form einer Dienstbarkeit (übertragbares Auffüllrecht für Inertmaterial Typ A). Die Regierung des Kantons St. Gallen stellte die Zulässigkeit der Enteignung fest, woraufhin A. an das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dann an das BGer gelangte, welches seine Beschwerde abweist.
Das BGer hält einleitend fest, dass eine Enteignung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 USG (Umweltschutzgesetz; SR 814.01) für alle mit der VVEA (Abfallverordnung; SR 814.600) konformen Deponien bei ausgewiesenem Bedarf in Betracht kommt, wobei der Bedarf im vorliegenden Fall genügend ausgewiesen sei.
A. vertritt vor dem BGer den Standpunkt, dass das Enteignungsrecht gemäss Art. 7 Abs. 1 EntG (Enteignungsgesetz; sGS 735.1), welcher festhält, dass der Staat und politische Gemeinden enteignungsberechtigt sind, den politischen Gemeinden bloss für Aufgaben auf ihrem eigenen Gebiet zustehe. Standortgemeinde sei im vorliegenden Fall Geiserwald. Enteignet werde hingegen von der Stadt St. Gallen. Das BGer hingegen hält fest, dass politische Gemeinden auch ausserhalb ihres Gemeindegebiets öffentliche Aufgaben erfüllen könnten, was im vorliegenden Fall zutreffe. Das öffentliche Interesse an der Realisierung der Erweiterung der Deponie genüge, um das Enteignungsrecht zu beanspruchen.
Schliesslich rügt A. vor dem BGer, dass die Erforderlichkeit der Enteignung nicht gegeben sei. Er sei bereit, das fragliche Land für Deponiezwecke zur Verfügung zu stellen. Allerdings wolle er im Rahmen der freien Marktwirtschaft den Meistbietenden als Deponiebetreiber auswählen. Das BGer sagt dazu folgendes:
Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt nicht, dass der enteignungsrechtliche Eingriff sachlich auf das absolute Minimum zu beschränken ist. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Rechtsbeziehungen klar und einfach geregelt werden, damit der Enteigner nicht mit unverhältnismässigen Lasten und Kosten beschwert wird […]. Selbst wenn die Aufteilung eines mit einer Baubewilligung ausgestatteten Deponieperimeters auf verschiedene Betreiber rechtlich nicht ausgeschlossen sein sollte, so wäre eine solche Lösung bei den gegebenen Verhältnissen mit Umtrieben und Mehraufwendungen verbunden, die sich nicht mit dem öffentlichen Interesse vereinbaren lassen. Insgesamt durfte die Vorinstanz die umstrittene Enteignung unter Würdigung der örtlichen Verhältnisse als notwendig qualifizieren. (Erw. 5.4.)