1C_177/2021: Deponie Tüfentobel / Enteignung auf fremdem Gemeindegebiet (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 10. März 2022 set­zte sich das BGer mit einem von der Stadt St. Gallen ini­ti­ierten Enteig­nungs­begehren im Zusam­men­hang mit der Erweiterung der Deponie Tüfen­to­bel in der Gemeinde Geis­er­wald auseinan­der. A. ist Eigen­tümer von zwei Grund­stück­en, welche teil­weise im Perime­ter der Deponie liegen. Bei der Schätzungskom­mis­sion beantragte die Stadt St. Gallen eine dauernde Beschränkung des Eigen­tums an diesen bei­den Grund­stück­en in Form ein­er Dien­st­barkeit (über­trag­bares Auf­füll­recht für Inert­ma­te­r­i­al Typ A). Die Regierung des Kan­tons St. Gallen stellte die Zuläs­sigkeit der Enteig­nung fest, woraufhin A. an das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons St. Gallen und dann an das BGer gelangte, welch­es seine Beschw­erde abweist.

Das BGer hält ein­lei­t­end fest, dass eine Enteig­nung gestützt auf Art. 58 Abs. 1 USG (Umweltschutzge­setz; SR 814.01) für alle mit der VVEA (Abfal­lverord­nung; SR 814.600) kon­for­men Deponien bei aus­gewiesen­em Bedarf in Betra­cht kommt, wobei der Bedarf im vor­liegen­den Fall genü­gend aus­gewiesen sei.

A. ver­tritt vor dem BGer den Stand­punkt, dass das Enteig­nungsrecht gemäss Art. 7 Abs. 1 EntG (Enteig­nungs­ge­setz; sGS 735.1), welch­er fes­thält, dass der Staat und poli­tis­che Gemein­den enteig­nungs­berechtigt sind, den poli­tis­chen Gemein­den bloss für Auf­gaben auf ihrem eige­nen Gebi­et zuste­he. Stan­dort­ge­meinde sei im vor­liegen­den Fall Geis­er­wald. Enteignet werde hinge­gen von der Stadt St. Gallen. Das BGer hinge­gen hält fest, dass poli­tis­che Gemein­den auch ausser­halb ihres Gemein­dege­bi­ets öffentliche Auf­gaben erfüllen kön­nten, was im vor­liegen­den Fall zutr­e­ffe. Das öffentliche Inter­esse an der Real­isierung der Erweiterung der Deponie genüge, um das Enteig­nungsrecht zu beanspruchen.

Schliesslich rügt A. vor dem BGer, dass die Erforder­lichkeit der Enteig­nung nicht gegeben sei. Er sei bere­it, das fragliche Land für Deponiezwecke zur Ver­fü­gung zu stellen. Allerd­ings wolle er im Rah­men der freien Mark­twirtschaft den Meist­bi­etenden als Deponiebe­treiber auswählen. Das BGer sagt dazu folgendes:

Das Ver­hält­nis­mäs­sigkeit­sprinzip ver­langt nicht, dass der enteig­nungsrechtliche Ein­griff sach­lich auf das absolute Min­i­mum zu beschränken ist. Es beste­ht ein öffentlich­es Inter­esse daran, dass die Rechts­beziehun­gen klar und ein­fach geregelt wer­den, damit der Enteign­er nicht mit unver­hält­nis­mäs­si­gen Las­ten und Kosten beschw­ert wird […]. Selb­st wenn die Aufteilung eines mit ein­er Baube­wil­li­gung aus­ges­tat­teten Deponieperime­ters auf ver­schiedene Betreiber rechtlich nicht aus­geschlossen sein sollte, so wäre eine solche Lösung bei den gegebe­nen Ver­hält­nis­sen mit Umtrieben und Mehraufwen­dun­gen ver­bun­den, die sich nicht mit dem öffentlichen Inter­esse vere­in­baren lassen. Ins­ge­samt durfte die Vorin­stanz die umstrit­tene Enteig­nung unter Würdi­gung der örtlichen Ver­hält­nisse als notwendig qual­i­fizieren. (Erw. 5.4.)