1C_435/2018: Betrieb eines Asylzentrums / Entschädigungsforderung wegen materieller und ideeller Immissionen (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid vom 15. Mai 2019 hat­te das BGer zu beurteilen, ob den Nach­barn eines Asylzen­trums eine Entschädi­gung aus formeller Enteig­nung nach­bar­rechtlich­er Abwehrrechte zuste­ht. A.A. und B.A. (im Fol­gen­den: Beschw­erde­führer) sind Eigen­tümer eines Grund­stücks in der Land­wirtschaft­szone, auf welchem sich ihr Wohn­haus befind­et. Auf der gegenüber­liegen­den Strassen­seite liegt ein weit­eres Grund­stück, auf welchem bis ins Jahr 2011 eine pri­vate Inter­natss­chule geführt wurde. Im Jahr 2015 wurde die Inter­natss­chule in ein Asylzen­trum umgenutzt. In der Folge beantragten die Beschw­erde­führer bei der Schätzungskom­mis­sion eine Entschädi­gung für die Enteig­nung ihrer nach­bar­rechtlichen Abwehransprüche gegen die aus dem Betrieb des Asylzen­trums resul­tieren­den über­mäs­si­gen Immis­sio­nen. Den abschlägi­gen Entscheid der Schätzungskom­mis­sion zogen die Beschw­erde­führer bis vor BGer, welch­es die Beschw­erde abweist.

Die Beschw­erde­führer machen sowohl materielle (Kindergeschrei; Abhol- und Bringverkehr; Aufen­thalt rund um das Asylzen­trum; Nachtlärm während Ramadan; Anliefer­verkehr; Betreten ihres Grund­stücks; herum­fliegende Papier­fet­zen; Küchengerüche) als auch ideelle (Gefühl des Bedro­ht­seins und latente Angst, welche Wohn­qual­ität beein­trächtige) Immis­sio­nen geltend.

Zu den ange­blich materiellen Immis­sio­nen äussert sich das BGer folgendermassen:

Zwar gin­gen mit dem Betrieb des Asylzen­trums unbe­strit­ten gewisse materielle Immis­sio­nen ein­her. Dass diese Ein­wirkun­gen unten den gegebe­nen Umstän­den bei objek­tiv­er Betra­ch­tung eine Inten­sität erre­icht­en, die das Mass des Zumut­baren über­schritt, ist jedoch wed­er dar­ge­tan noch ersichtlich, zumal in der Land­wirtschaft­szone gewisse Immis­sio­nen hinzunehmen sind, bere­its von der ehe­ma­li­gen Schu­lan­lage bes­timmte Immis­sio­nen aus­ge­gan­gen waren und auch bei ander­weit­iger Nutzung dieser Anlage mit Ein­wirkun­gen zu rech­nen gewe­sen wäre. (E. 6.3.)

In Bezug auf die ange­blich ideellen Immis­sio­nen ist das BGer der Auf­fas­sung, dass die Beschwerdeführer

[…] ins­beson­dere nicht gel­tend [machen], dass es während des Betriebs des Asylzen­trums zu bedrohlichen Sit­u­a­tio­nen oder Über­grif­f­en auf Anwohn­er gekom­men sei. Eben­so wenig führen sie aus, die Krim­i­nal­ität in der Nach­barschaft, im Quarti­er oder in der Gemeinde habe wegen des Zen­trums­be­triebs zugenom­men bzw. die Sicher­heit der Nach­barschaft sei als Folge davon nicht gewährleis­tet gewe­sen […]. Ihren vagen Aus­führun­gen ist überdies nichts zu Häu­figkeit und Dauer sowie den Umstän­den des von ihnen bean­stande­ten “Herum­lungerns” zu ent­nehmen. (E. 6.4.2.)

Gesamthaft kommt das BGer zum Schluss, dass mit dem Betrieb des Asylzen­trums für die Beschw­erde­führer wed­er materielle noch ideelle Immis­sio­nen ein­hergin­gen, die für sich allein betra­chtet die Voraus­set­zung der Spezial­ität (Grun­deigen­tümer wird in spezieller Weise betrof­fen) erfüllten.