4A_189/2024: Art. 103a VVG ist auch auf das direkte Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG anwendbar (amtl. Publ.)

In diesem zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 4A_189/2024 vom 27. Jan­u­ar 2025 set­zte sich das Bun­des­gericht mit der Frage auseinan­der, ob Art. 103a VVG, der gemäss Wort­laut das Über­gangsrecht für «Verträge» regelt, auch auf das direk­te Forderungsrecht des Geschädigten gegenüber dem Ver­sicherung­sun­ternehmen (Art. 60 Abs. 1bis VVG) anwend­bar ist, wenn der Ver­sicherungsver­trag zwis­chen dem (mut­masslichen) Haftpflichti­gen und dem Ver­sicherung­sun­ternehmen vor Inkraft­treten der Bes­tim­mung abgeschlossen wurde.

Das Bun­des­gericht legte Art. 103a VVG aus und kam zum Schluss, dass die Über­gangs­bes­tim­mung von Art. 103a VVG zur Änderung vom 19. Juni 2020 eine abschliessende Regelung enthält, was dem Gebot der Rechtssicher­heit entspricht (E. 2.4.7).

Daraus fol­gt, so das Bun­des­gericht, dass Art. 103a VVG das direk­te Forderungsrecht gemäss Art. 60 Abs. 1bis VVG auch erfasst. Fol­glich ste­ht dem Geschädigten kein direk­tes Forderungsrecht zu, wenn der in Frage ste­hende Ver­trag vor dem Inkraft­treten von Art. 60 Abs. 1bis VVG abgeschlossen wurde (E. 2.4.8):

«Das bedeutet im zu beurteilen­den Fall, dass auf den vor Inkraft­treten der Änderung vom 19. Juni 2020 abgeschlosse­nen Ver­sicherungsver­trag mit der Beschw­erdegeg­ner­in einzig die in Art. 103a VVG aufge­führten Bes­tim­mungen des neuen Rechts anwend­bar sind. Eine Rück­wirkung weit­er­er Bes­tim­mungen des neuen Rechts — so ins­beson­dere betr­e­f­fend das direk­te Forderungsrecht nach Art. 60 Abs. 1bis VVG — ist geset­zlich aus­geschlossen. Angesichts der spezialge­set­zlichen Über­gangsregelung in Art. 103a VVG sind die all­ge­meinen Regeln zum Über­gangsrecht gemäss SchlT ZGB nicht anwend­bar. Den auf Art. 2 f. SchlT ZGB gestützten Vor­brin­gen in der Beschw­erde ist daher die Grund­lage entzogen.»

Ins­beson­dere set­zte sich das Bun­des­gericht mit dem Argu­ment der Beschw­erde­führerin auseinan­der, dass der Zweck der Teil­re­vi­sion, namentlich die Verbesserung der Posi­tion des Ver­sicherungsnehmers, für die direk­te Anwend­barkeit von Art. 60 Abs. 1bis VVG spreche (E. 2.4.6):

«[M]it der erfol­gten Teil­re­vi­sion des VVG [sollte] ins­ge­samt haupt­säch­lich die Posi­tion des Ver­sicherungsnehmers verbessert wer­den (…). Das Argu­ment der Beschw­erde­führerin, der Zweck des direk­ten Forderungsrechts erfordere über­gangsrechtlich, dass dieses sofort anwend­bar sei, überzeugt daher nicht. Es ver­mag nicht einzuleucht­en, weshalb der Geset­zge­ber beab­sichtigt haben sollte, das direk­te Forderungsrecht (Art. 60 Abs. 1bis VVG) rück­wirk­end gel­ten zu lassen, während die dem Schutz des Ver­sicherungsnehmers dienen­den (neuen) ver­tragsrechtlichen Bes­tim­mungen — mit Aus­nahme der aus­drück­lich aufge­führten — für bere­its beste­hende Ver­sicherungsverträge nach Art. 103a VVG nicht anwend­bar wären. Der mit der Teil­re­vi­sion beab­sichtigte Schutzgedanke ver­mag eine über­gangsrechtlich unter­schiedliche Behand­lung von geschädigten Drit­ten und Ver­sicherungsnehmern nicht zu recht­fer­ti­gen, son­dern spricht im Gegen­teil für deren ein­heitliche Behand­lung (…). Zudem ist zu berück­sichti­gen, dass die Bedin­gun­gen, unter denen das Ver­sicherung­sun­ternehmen zur Leis­tung verpflichtet wird, durch Ver­trag und Gesetz fest­gelegt wer­den, und die Prämie als Gegen­leis­tung durch das daraus fol­gende Risiko des Ver­sicher­ers bes­timmt wird. Neben den unmit­tel­bar ver­sicherungsver­tragsrechtlichen Bes­tim­mungen kann dabei auch das Risiko ein­er direk­ten Inanspruch­nahme durch einen geschädigten Drit­ten (Art. 60 Abs. 1bis VVG) oder die Wahrschein­lichkeit ein­er Schad­loshal­tung im Regress (Art. 95c VVG) einen Ein­fluss auf die Prämienkalku­la­tion haben (…). Auch dies spricht gegen die von der Beschw­erde­führerin vertretene strik­te Tren­nung zwis­chen unmit­tel­bar ver­sicherungsver­traglichen Bes­tim­mungen des VVG und solchen mit Bezugspunk­ten zu Drittparteien im Rah­men des Übergangsrechts.»