Im Entscheid 4A_46/2024 vom 17. April 2025 (zur Publikation vorgesehen) befasste sich das Bundesgericht in einem Revisionsverfahren mit der Frage der Zulässigkeit eines Beweismittels, das nach dem Schiedsentscheid entstanden ist, sich aber ausschliesslich auf Tatsachen bezieht, die sich bereits zuvor ereignet haben. Es hielt fest, dass solche Beweismittel der Revision nach Art. 190a lit. a Abs. 1 IPRG nicht zugänglich sind.
Ein britischer Investor leitete 2019 ein PCA-Schiedsverfahren gegen die Volksrepublik China wegen Verletzung eines bilateralen Investitionsschutzabkommens («BIT») ein, nachdem sein Investment in China durch staatliche Massnahmen beeinträchtigt worden war. China beantragte mit Revisionsgesuchen vom 23. Januar 2024 (BGer 4A_46/2024) und vom 4. Oktober 2024 (BGer 4A_528/2024) die Aufhebung des Zuständigkeitsentscheids vom 30. Dezember 2021. Das Bundesgericht sistierte das Verfahren BGer 4A_46/2024 zunächst bis zum Entscheid des Schiedsgerichts über ein Wiedererwägungsgesuch, das das Schiedsgericht jedoch ablehnte. Eine Vereinigung der beiden Verfahren lehnte das Bundesgericht ab, weil sich die Verfahren überwiegend auf unterschiedliche rechtliche und tatsächliche Grundlagen stützten.
Das Bundesgericht hielt zunächst fest, dass ein Revisionsgesuch nach Art. 190a IPRG sowohl gegen einen schiedsrichterlichen End- und Teilentscheid als auch gegen einen Zwischenschiedsspruch zulässig sei. Der fragliche Entscheid müsse für das Schiedsgericht bindend sein, da nur rechtskräftige Entscheide der Revision zugänglich seien. Folglich sei ein Zwischenentscheid, mit dem das Schiedsgericht seine Zuständigkeit bejahe, revisionsfähig. Hingegen sei die Revision gegen prozessleitende Verfügungen oder Entscheide über vorsorgliche Massnahmen unzulässig, da ihnen keine Bindungswirkung zukomme (vgl. bspw. BGE 149 III 227, zusammengefasst auf Swissblawg). Zudem setze die Revision ein schutzwürdiges Interesse voraus. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.
Nach Art. 190a Abs. 1 lit. a IPRG sei die Revision eines Schiedsentscheids möglich, wenn eine Partei «nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel findet, die sie im früheren Verfahren trotz gehöriger Aufmerksamkeit nicht beibringen konnte; ausgeschlossen sind Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Schiedsentscheid entstanden sind». Das Revisionsgesuch sei innert 90 Tagen ab Entdeckung des Revisionsgrundes einzureichen (Art. 190 Abs. 2 IPRG), wobei gemäss Bundesgericht für jeden Revisionsgrund die Frist einzeln zu laufen beginne. Die Revisionsfrist beginne nicht bereits mit blossen Vermutungen zu laufen; vielmehr müssedie gesuchstellende Partei über hinreichend sichere Kenntnis der neuen Tatsache verfügen, um sich auf diese berufen zu können, auch wenn sie dafür noch keinen sicheren Beweis vorlegen kann.
Vorliegend habe die Gesuchstellerin nachträglich drei Dokumente entdeckt (vom 9. Oktober 2023 sowie vom 12. September und 22. Dezember 2012), gestützt auf die das Schiedsgericht seine Zuständigkeit hätte verneinen sollen. Bezüglich des Dokuments von 2023 befand das Bundesgericht, dass dieses rechtzeitig eingereicht worden sei. Hinsichtlich der beiden Dokumente aus dem Jahr 2012 führte es aus, dass die Gesuchstellerin die Einhaltung der Revisionsfrist nicht habe nachweisen können. Entsprechend trat das Bundesgericht in Bezug auf diese beiden Beweismittel nicht auf das Revisionsgesuch ein.
Die Gesuchstellerin machte geltend, das Beweismittel aus dem Jahr 2023 stelle ein schriftliches Geständnis des Zeugen C. dar, das seine beiden im Schiedsverfahren zu Gunsten des Gesuchsgegners abgegebenen Zeugenerklärungen widerlege. Auf Grundlage dieses Geständnisses hätte das Schiedsgericht ihrer Ansicht nach voraussichtlich das Vorliegen einer Investition im Sinne des BIT verneint und entsprechend seine Zuständigkeit abgelehnt.
Das Bundesgericht prüfte daraufhin, ob Art. 190a Abs. 1 lit. a IPRG auch Beweismittel wie das vorliegende Geständnis erfasse, die zwar nach dem Schiedsentscheid entstanden seien, sich aber ausschliesslich auf bereits vorher bestehende Tatsachen beziehen. Es stellte klar, dass einzig vor dem Entscheid bestehende Tatsachen einen Revisionsgrund bilden können. Dies ergebe sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung sowie aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts (bspw. BGE 149 III 227) und gelte sowohl für Art. 190a Abs IPRG als auch für das parallele Art. 123 BGG. Da das Geständnis erst nach dem Zuständigkeitsentscheid entstanden sei, stelle dieses ein der Revision nicht zugängliches Beweismittel dar.
Das Bundesgericht wies das Revisionsgesuch daher ab, soweit es darauf eintrat.