4A_144/2010: keine Revision aufgrund neuer Diagnose-Methode im Pechstein-Verfahren (amtl. Publ.)

Das BGer hat dem Ver­fahren i.S. Pech­stein ein weit­eres Kapi­tel hinzuge­fügt. Clau­dia Pech­stein wurde wegen eines ungewöhn­liche Retiku­lozyten-Werts im Juli 2009 für zwei Jahre ges­per­rt und machte eine Erbkrankheit gel­tend. Im fol­gen­den Ver­fahren vor dem TAS beantragte Pech­stein nach Abschluss der Experten-Hear­ings die Wieder­eröff­nung des Ver­fahrens — ein Gutachter habe seine Mei­n­ung vor den Hear­ings offen­bar zugun­sten von Pech­stein geän­dert und sei deshalb nicht mehr aufge­boten wor­den. Das TAS lehnte den Antrag ab, was das BGer bestätigte (dazu unser früher­er Beitrag).

Dage­gen ver­langte Pech­stein Revi­sion, was das BGer im vor­liegen­den Urteil abgewiesen wird.
Als Revi­sion­s­grund führte Pech­stein an, es sei nach dem Urteil des TAS eine neue Diag­nosemeth­ode (basierend auf dem Sphärozy­tose-Quo­tien­ten) entwick­elt wor­den, mit denen das Blut­bild von Pech­stein unter­sucht wer­den kön­nte. Sie reichte dazu mehrere Gutacht­en ein (z.B. dieses).

Bei inter­na­tionalen Schieds­fällen ist eine Revi­sion nach der Recht­sprechung möglich, obschon das IPRG keine entsprechende Bes­tim­mung enthält. Das BGer wen­det BGG 123 II a an, wonach die Revi­sion voraus­set­zt, dass nachträglich erhe­bliche Tat­sachen oder entschei­dende Beweis­mit­tel gefun­den wer­den, die im Ver­fahren nicht beige­bracht wer­den kon­nten, aber unter Auss­chluss von Tat­sachen und Beweis­mit­teln, die erst nach dem Entscheid ent­standen sind.

Vor­liegend zweifelt das BGer daran, dass die Gutacht­en, die gestützt auf die neue Meth­ode erstat­tet wur­den, als “nachträglich aufge­fun­dene Beweis­mit­tel” zu betra­cht­en sind. Die neue Meth­ode kon­nte anscheinend erst ab Dezem­ber 2009 und damit nach dem TAS-Entscheid vom Novem­ber 2009 gutachter­lich einge­set­zt wer­den, so dass das Beweis­mit­tel erst nach dem Ver­fahren ent­standen wäre.

Die Frage wurde aber von BGer offen­ge­lassen. Wenn das Revi­sion­s­ge­such mit neuen Beweis­mit­teln begrün­det wird, die im Ver­fahren bere­its behauptete Tat­sachen betr­e­f­fen, und wenn diese Tat­sachen Gegen­stand eines aufwendi­gen Beweisver­fahrens waren, muss im Revi­sion­s­ge­such gezeigt wer­den, dass die Beweis­mit­tel im früheren Ver­fahren trotz hin­re­ichen­der Sorgfalt nicht beige­bracht wer­den kon­nten, was nur mit Zurück­hal­tung anzunehmen sei. Hier sei es schlicht nicht plau­si­bel, dass eine bish­er unbekan­nte Meth­ode so kurz nach dem Entscheid des TAS aufge­taucht sei. Es sei unzulässig,

sich in einem Schiedsver­fahren zunächst auf wis­senschaftlich anerkan­nte Meth­o­d­en zu ver­lassen und entsprechende medi­zinis­che Gutacht­en und Experten zum Beweis anzu­bi­eten, um sich nach einem neg­a­tiv aus­ge­fal­l­enen Schied­surteil im Rah­men des Revi­sionsver­fahrens nun­mehr auf unpub­lizierte und wis­senschaftlich noch wenig erhärtete Meth­o­d­en zu berufen. Hätte sich die Gesuch­stel­lerin zur Unter­mauerung ihres Prozess­stand­punk­ts auf weit­ere denkbare Diag­nosemöglichkeit­en stützen wollen, wären ihr entsprechende Bemühun­gen zur Beib­ringung solch­er Beweis­mit­tel zumut­bar gewe­sen.”

Fraglich war fern­er, ob die neuen Beweis­mit­tel über­haupt erhe­blich wären, weil sie nach Auf­fas­sung des BGer einen wesentlichen Entschei­d­grund des TAS nicht betrof­fen hätte. Gewisse Schwankun­gen des Retiku­lozyten-Werts seien mit der Diag­nose ein­er Erbkrankheit, die auf­grund der neuen Meth­ode gutachter­lich gestellt wurde, nicht erk­lär­lich. Dem wider­sprächen die neuen Gutacht­en zwar, doch sei dieses Argu­ment bere­its im TAS-Ver­fahren gewürdigt wor­den (dem wider­spricht Pech­stein allerd­ings; vgl. hier); insofern seien die Gutacht­en keine neuen Beweis­mit­tel, son­dern nur der Ver­such ein­er neuen Sachverhaltswürdigung.

Das BGer weist das Revi­sion­s­ge­such deshalb ab.