4A_144/2025: Anfechtung der Verfahrenssistierung gemäss Art. 297 Abs. 5 SchKG (amtl. Publ.)

In diesem zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Entscheid 4A_144/2025 vom 9. Juli 2025 set­zte sich das Bun­des­gericht mit der Frage auseinan­der, ob der Entscheid eines Zivil­gerichts, das Ver­fahren gemäss Art. 297 Abs. 5 SchKG zu sistieren, einen anfecht­baren Zwis­ch­enentscheid gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG darstellt. Das Bun­des­gericht kam zum Schluss, dass die Sistierung nach Art. 297 Abs. 5 SchKG von Geset­zes wegen ein­tritt und dass die Sistierungsver­fü­gung lediglich deklara­torisch­er Natur ist (E. 1.5.2):

Art. 297 SchKG regelt die Wirkun­gen der Gläu­biger­rechte während der Nach­lassstun­dung. Sämtliche Wirkun­gen treten bere­its mit der Bewil­li­gung der pro­vi­sorischen Nach­lassstun­dung ein (…).
Nach Art. 297 Abs. 5 SchKG bewirkt eine Nach­lassstun­dung, dass Zivil­prozesse und Ver­wal­tungsver­fahren über Nach­lass­forderun­gen sistiert wer­den, mit Aus­nahme von dringlichen Fällen. Wie der Wort­laut der Bes­tim­mung verdeut­licht (…), han­delt es sich dabei nicht um eine Anweisung an den Richter, der über die Zweck­mäs­sigkeit ein­er Sistierung entschei­den soll bzw. kann. Vielmehr tritt die Sistierung mit der Bewil­li­gung der Nach­lassstun­dung von Geset­zes wegen ein. Die entsprechende Ver­fü­gung des Gerichts ist bloss deklara­torisch­er Natur (…).
Entsprechend kann diese nach Art. 297 Abs. 5 SchKG ex leg­eein­tre­tende Sistierungswirkung von vorn­here­in keine gegen das Beschle­u­ni­gungs­ge­bot gemäss Art. 29 Abs. 1 BV ver­stossende Rechtsverzögerung durch das Gericht bedeuten. Daraus fol­gt, dass der für Fälle unangemessen­er Ver­fahrens­dauer angenommene Verzicht auf die Voraus­set­zung des nicht wieder gutzu­machen­den Nachteils (…) auf Beschw­er­den betr­e­f­fend eine Sistierung nach Art. 297 Abs. 5 SchKG nicht zum Tra­gen kommt. Vielmehr muss die beschw­erde­führende Per­son bei solchen Beschw­er­den einen nicht wieder gutzu­machen­den Nachteil rechtlich­er Natur im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dartun.”

Das Erforder­nis eines nicht wieder gutzu­machen­den Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bei ein­er Sistierung nach Art. 297 Abs. 5 SchKG bleibt daher beste­hen (E. 1.5.3).

Dabei ist es laut Bun­des­gericht irrel­e­vant, ob das Zivil­gericht Art. 297 Abs. 5 SchKG ver­let­zt hat und das Ver­fahren zu Unrecht sistiert hat (E. 2):

Die Beschw­erde­führerin stellt teil­weise in Abrede, dass die Vorin­stanz die Sistierungsvo­raus­set­zun­gen von Art. 297 Abs. 5 SchKG zu Recht bejaht hat. Wie oben dargelegt wurde, fehlt es vor­liegend am nicht wieder gutzu­machen­den Nachteil rechtlich­er Natur und damit an ein­er Sachurteilsvo­raus­set­zung. Als imma­nente Folge davon hat eine Über­prü­fung der Tatbe­standsvo­raus­set­zun­gen von Art. 297 Abs. 5 SchKG zu unterbleiben. Ob die entsprechen­den Rügen berechtigt sind, prüft das Bun­des­gericht erst, wenn die geset­zlichen Voraus­set­zun­gen erfüllt sind, damit auf eine selb­st­ständi­ge Beschw­erde gegen einen Zwis­ch­enentscheid einge­treten wer­den kann. Würde es genü­gen, gegen einen Sistierungsentscheid vorzubrin­gen, er beruhe auf der unrichti­gen Anwen­dung von Art. 297 Abs. 5 SchKG, ins­beson­dere auf ein­er unrichti­gen Def­i­n­i­tion der Nach­lass­forderung oder des drin­gen­den Fall­es, die mit dem Endentscheid nicht mehr kor­rigiert wer­den kön­nte, wäre ein nicht wieder gutzu­machen­der Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG regelmäs­sig anzunehmen. Dies entspricht aber nicht der geset­zge­berischen Absicht, die selb­st­ständi­ge Anfecht­barkeit von Zwis­ch­enentschei­den nur restrik­tiv zuzu­lassen (…). Die Sit­u­a­tion entspricht der gefes­tigten Prax­is zur Anfecht­barkeit von Entschei­den betr­e­f­fend vor­sor­gliche Mass­nah­men. Auch hier kann ein nicht wieder gutzu­machen­der Nachteil rechtlich­er Natur im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht darin beste­hen, dass das Bun­des­gericht son­st die gerügten Ver­fas­sungsver­let­zun­gen nicht prüfen kön­nte. Dem­nach genügt es nicht, vorzubrin­gen, der ange­focht­ene Zwis­ch­enentscheid beruhe auf der Ver­let­zung ver­fas­sungsmäs­siger Rechte (Art. 98 BGG), die mit dem Endentscheid nicht mehr kor­rigiert wer­den könnte (…).”