4A_228/2018: Anfechtbarkeit aussergerichtlicher Vereinbarungen im Haftpflichtrecht

Die Beschw­erde­führerin wurde als Beifahrerin eines Miet­fahrzeugs Opfer eines Verkehrsun­falls. Sie erlitt einen Kop­fan­prall mit Ris­s­quetschwunde ober­halb des recht­en Auges und ver­lor vorüberge­hend das Bewusst­sein. Nach­dem die Beschw­erde­führerin einen Tag im Spi­tal überwacht wurde, trat­en bei der Beschw­erde­führerin während Monat­en Schwinde­lan­fälle auf. Sie klagte unter anderem auch über erhe­bliche Müdigkeit und rasche Erschöpf­barkeit. Ein Arzt schätzte die Arbeits­fähigkeit langfristig auf 50 % bezo­gen auf ein Pen­sum von 50 %.

Im Som­mer 2000 ging die Beschw­erde­führerin eine Entschädi­gungsvere­in­barung ein. Sie erhielt CHF 180’000 sowie zusät­zlich CHF 30’000 für vor­prozes­suale Anwalt­skosten. Die Vere­in­barung enthielt unter anderem eine Sal­dok­lausel. In der Vere­in­barung wurde präzisiert, sollte die Beschw­erde­führerin zu einem späteren Zeit­punkt Renten­leis­tun­gen oder eine Integrität­sentschädi­gung gemäss UVG oder IVG beziehen, müsste sie die aus­gerichteten Leis­tun­gen zurück­zahlen, soweit diese Leis­tun­gen zeitlich und sach­lich kon­gru­ent und regress­fähig sind.

Im Jahr 2001 focht die Beschw­erde­führerin die Entschädi­gungsvere­in­barung gestützt auf Art. 87 Abs. 2 SVG an. Die IV erhöhte rück­wirk­end den Inva­lid­itäts­grad und sprach eine ganze Rente zu. Vor dem Region­al­gericht Emmen­tal-Ober­aar­gau beantragte die Beschw­erde­führerin, die Vere­in­barung sei aufzuheben und ihr seien CHF 2’800’000 zuzus­prechen. Das Region­al­gericht wies die Klage indessen ab. Das Oberg­ericht des Kan­tons Bern schützte im Ergeb­nis diesen Entscheid. Das Bun­des­gericht wies die dage­gen gerichtete Beschw­erde ab, soweit es darauf ein­trat (Urteil 4A_228/2018 vom 5. Novem­ber 2018).

Das Bun­des­gericht hat­te zu beurteilen, ob nach Abschluss der Vere­in­barung eine neue Sit­u­a­tion einge­treten war, die durch die Vere­in­barung bzw. die Sal­dok­lausel noch nicht erfasst wer­den kon­nte (E. 3.2). Das Bun­des­gericht verneinte das Vor­liegen ein­er neuen Situation.

Die Beschw­erde­führerin macht verge­blich gel­tend, sie habe nicht vorausse­hen kön­nen, dass sie eine andauernde Per­sön­lichkeitsstörung entwick­eln würde. Sie habe im Zeit­punkt des Ver­gle­ichsab­schlusses eine andere Per­sön­lichkeit aufgewiesen als heute (E. 3.4.3). Das Bun­des­gericht erwog dage­gen im Wesentlichen, eine neue Sit­u­a­tion liege nicht bere­its dann vor, wenn sich die im Zeit­punkt des Ver­gle­ichsab­schlusses diag­nos­tizierten gesund­heitlichen Prob­leme ver­schlechtern wür­den. In solchen Fällen liege kein neuer Schaden, son­dern lediglich ein Folgeschaden vor (E. 3.4.3).

Das Gericht verneinte auch das Vor­liegen ein­er offen­sichtlich unzulänglichen Entschädi­gung. Die Beschw­erde­führerin habe ins­beson­dere nicht dargelegt dass die einge­tretene gesund­heitliche Entwick­lung ein Szenario war, für dessen Ein­tritt eine hohe Wahrschein­lichkeit bei Abschluss der Vere­in­barung  sprach, sodass die vere­in­barte Entschädi­gung bere­its zum Zeit­punkt des Ver­gle­ichs nicht angemessen gewe­sen wäre (E. 4).