6B_298/2007: Foul und Einwilligung (amtl. Publ.)

Andrew McKim, Eishock­eyspiel­er beim ZSC, wurde durch ein Foul von Kevin Miller (HC Davos) gezwun­gen, seine Kar­riere aufzugeben. Nach einem Body­check war er vornüber gestürzt und mit seinem Kopf auf dem Eis aufgeschlagen.

Neben ver­bandsin­ter­nen Sank­tio­nen wurde Miller durch das BezGer ZH wegen ein­fach­er und fahrläs­siger schw­er­er Kör­per­ver­let­zung verurteilt. Das OGer ZH sprach Miller auf Beru­fung hin frei. Dage­gen wiederum gelangte McKim ans BGer.

Den Even­tu­alvor­satz in Bezug auf die ein­fache Kör­per­ver­let­zung bejahte das BGer unter Hin­weis auf BGE 121 IV 249:

Ob Even­tu­alvor­satz oder bewusste Fahrläs­sigkeit vor­liegt, hängt unter anderem von der Schwere der Sorgfalt­spflichtver­let­zung und von der dem Täter bekan­nten Nähe des Ver­let­zungsrisikos ab. Bei der Fes­tle­gung des zuläs­si­gen Ver­hal­tens und der zu respek­tieren­den Sorgfalt­spflicht­en sind neb­st dem all­ge­meinen Grund­satz “nem­inem laedere” ins­beson­dere auch die Spiel­regeln des Inter­na­tionalen Eishock­ey Ver­bands (IIHF) zu beacht­en. Diese Regeln dienen nicht nur dem geord­neten Spielver­lauf, son­dern vor allem auch der Unfal­lver­hü­tung und der Sicher­heit der Spiel­er (E. 3 a.a.O.). Wird eine den Schutz der Spiel­er vor Ver­let­zun­gen bezweck­ende Spiel­regel absichtlich oder in grober Weise mis­sachtet, so darf keine stillschweigende Ein­willi­gung in das der sportlichen Tätigkeit innewohnende Risiko ein­er Kör­per­ver­let­zung angenom­men wer­den (E. 4 a.a.O.; Bestä­ti­gung von BGE 109 IV 102 E. 2). In casu war der Spiel­er seinem Gegen­spiel­er mit vorgestreck­tem Knie und hoher Geschwindigkeit in die Beine gefahren (“Kni­es­tich”). Von der hohen, dem Spiel­er bekan­nten Ver­let­zungswahrschein­lichkeit bei dieser klar regel­widri­gen Aktion durfte auf die Inkauf­nahme der Ver­let­zungs­fol­gen geschlossen werden.”

Das BGer set­zte sich in der Folge mit den Lehrmei­n­un­gen zur Frage auseinan­der, ob von der Inkauf­nahme des Risikos auf die Ein­willi­gung in eine Ver­let­zung geschlossen wer­den darf. Neuere Mei­n­un­gen vertreten die Ansicht, dass 

Ver­let­zun­gen bei Mannschaftss­portwet­tkämpfen strafrechtlich nicht über die Ein­willi­gung des Betrof­fe­nen zu lösen [sind], son­dern ein Prob­lem der Tatbe­stand­sein­schränkung nach den Grund­sätzen der Sozial­adäquanz, des erlaubten Risikos oder des selb­stver­ant­worteten Han­delns auf eigene Gefahr [sind].”

Das BGer kommt zum Schluss, dass die gegen­sät­zlichen Lehrmei­n­un­gen im Ergeb­nis übere­in­stim­men: Für die Unter­schei­dung zwis­chen uner­laubten und noch tolerierten Risiken sei jeden­falls auf die anwend­baren Spiel­regeln zurück­zu­greifen. Soweit nur jenes Risiko ver­wirk­licht wird, welch­es das BGer das “sportart­spez­i­fis­che Grun­drisiko” nen­nt, sollte das Strafrecht nicht ein­greifen. Dazu gehören “nor­male” Fouls und Ver­let­zun­gen. Als Faus­tregel gilt:

Je krass­er indes Regeln ver­let­zt wer­den, die dem kör­per­lichen Schutz der Spiel­er dienen, desto weniger kann von der Ver­wirk­lichung eines spiel­typ­is­chen Risikos gesprochen wer­den und desto eher rückt eine strafrechtliche Ver­ant­wortlichkeit des Spiel­ers ins Blickfeld (…).”

Die Anwen­dung dieser Grund­sätze ergab, dass der Freis­pruch durch das OGer bun­desrechtswidrig war. Das “objek­tiv krass regel­widrige Ver­hal­ten” von Kevin Miller war b, denn wer den Geg­n­er check­en will, ohne dessen genaue Posi­tion zu ken­nen, nimmt auch einen regel­widri­gen Check von hin­ten in Kauf.

Da die Fol­gen des Checks für den Beschw­erdegeg­n­er als pro­fes­sionellen Hock­eyspiel­er vorausse­hbar waren, war auch der Freis­pruch in Bezug auf even­tu­alvorsät­zliche schwere Kör­per­ver­let­zung aufzuheben.