Das Bundesgericht hat im Urteil 6B_337/2012 vom 19. März 2013 (amtl. Publ.) ausdrücklich seine Rechtsprechung zur Strafbarkeit einer HIV-Infektion geändert.
Bisher qualifizierte das oberste Gericht die HIV-Infektion konstant als (vorsätzliche bzw. fahrlässige) lebensgefährliche schwere Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1 StGB bzw. Art. 125 Abs. 2 StGB):
3.4.1 […] Es ging davon aus, dass die Infektion mit dem HI-Virus nach relativ langer Zeit bei vielen Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Immunschwäche AIDS und anschliessend mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod führte. Dass die Lebensgefahr im Sinne der zitierten Bestimmungen notwendigerweise eine zeitlich unmittelbare bzw. akute sein müsse, verneinte es. Massgeblich sei nur, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs bestehe. Die HIV-Infektion erfülle diese Voraussetzung.
An dieser Rechtsprechung hält das Bundesgericht nicht fest, da sich angesichts neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und moderner antiviraler Kombinationstherapien nicht mehr sagen lässt, dass der Zustand der Infiziertheit mit HIV schon als solcher generell lebensgefährlich ist:
3.4.2 […] Damit fehlt es heute — unter der Voraussetzung medizinischer Behandlung — an der erheblichen Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Verlaufs und folglich an der Lebensgefahr der HIV-Infektion im Sinne der Tatbestandsvariante von Art. 122 Abs. 1 StGB.
Gleichwohl behandelt das Bundesgericht eine Übertragung des HIV als nachteilige pathologische Veränderung mit Krankheitswert:
3.4.3 […] Lässt sich diese Infektion auf einen Übertragungsakt zurückführen, ist mit nahezu einhelliger Meinung von einer tatbestandsmässigen Körperverletzung auszugehen […]).
Fraglich ist allerdings, ob die HIV-Infektion unter den Tatbestand der einfachen Körperverletzung (Art. 123 StGB bzw. Art. 125 Abs. 1 StGB) oder unter denjenigen der schweren Körperverletzung (Art. 122 Abs. 3 StGB bzw. Art. 125 Abs. 2 StGB) zu subsumieren ist. Das Bundesgericht zählt einige Argumente für die rechtliche Einordnung der Tat auf (E. 3.4.4), lässt die Abgrenzung hier aber offen, weil diese Frage weder Gegenstand der Anklage noch der vorinstanzlichen Urteile bildete (E. 3.4.5).