Das Bundesgericht hat mit dem für die amtliche Sammlung vorgesehenen Urteil vom 22. August 2011 (6B_1000/2010) die Beschwerde einer Ausländerin gutgeheissen, die sich gegen die Einziehung ihres Entgelts aus einer „Schwarzarbeit“ wandte. Die Beschwerdeführerin wurde wegen eines rechtswidrigen Aufenthaltes und einer nicht bewilligten Erwerbstätigkeit in der Schweiz (Art. 115 Abs. 1 lit. b und c AuG) verurteilt, woraufhin der noch unverbrauchten Teil ihres Lohnes beschlagnahmt und eingezogen wurde.
Das Bundesgericht kommt zu dem Schluss, dass das Zivilrecht und das öffentliches Recht ausländische Arbeitnehmer ohne Arbeitsbewilligung in ihren arbeitsrechtlichen Ansprüchen schützen, weshalb die einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts (Art. 320 Abs. 2 OR) und des Gesetzes über die Bekämpfung der Schwarzarbeit (Art. 14 und 15 BGSA) als spezialgesetzliche Normen der strafrechtlichen Ausgleichseinziehung (Art. 70 Abs. 1 StGB) grundsätzlich vorgehen.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine Einziehung nach Art. 70 StGB nicht zulässig, soweit die Einnahmen aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft stammen (BGE 125 IV 4 E. 2a/bb S. 7; 120 IV 365 E. 1d S. 367). Die Unrechtmässigkeit der Vorteile dürfe dabei nicht schon aufgrund der Tatbegehung selbst geschlossen werden, sondern der Vorteil müsse „in sich“ unrechtmässig sein. Stammten die Einnahmen aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft, seien sie nicht Produkt einer strafbaren Handlung und damit nicht unrechtmässig. In diesem Umfang bestehe keine Grundlage für eine Einziehung.
Im vorliegenden Fall geht es um Entgelt aus „Schwarzarbeit“. Eine fehlende fremdenrechtliche Arbeitsbewilligung bewirkt nach ständiger Rechtsprechung als solche nicht die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR (BGE 122 III 110 E. 4e S. 116; 114 II 279 E. d/aa S. 283). Zivilrechtlich gilt vielmehr eine gesetzliche Abschlussvermutung nach Art. 320 Abs. 2 OR.
3.3 […] Art. 320 Abs. 3 OR soll auch Ausländer schützen, die ohne gültige Arbeitsbewilligung gearbeitet haben und um den Mangel des Arbeitsvertrages wussten oder hätten wissen sollen (vgl. BGE 132 III 242 E. 4.2.4 mit Hinweisen). Es würde dem Schutzgedanken widersprechen, wenn sich “Schwarzarbeiter” nicht auf diese Bestimmung berufen könnten […]. Die Zivilrechtsordnung schützt somit den Lohnanspruch der Beschwerdeführerin (Art. 319 OR). Unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten stammen die sichergestellten Lohnbeträge „aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft“ […]. Damit erscheint deren strafrechtliche Einziehung als unzulässig.
Auch das Gesetz über die Bekämpfung der Schwarzarbeit schützt die Ansprüche von Arbeitnehmer aus einer nicht bewilligten Erwerbstätigkeit. Nach Art. 14 BGSA sind die Behörden verpflichtet, im Rahmen eines Weg- oder Ausweisungsverfahrens die betroffenen Ausländer insbesondere darauf hinzuweisen, dass sie auf Grund ihrer nicht bewilligten Erwerbstätigkeit gegebenenfalls Ansprüche gegenüber Arbeitgebern haben. Muss die betroffene Person die Schweiz verlassen, so kommt den gewerkschaftlichen Organisationen gemäss Art. 15 Abs. 1 BGSA ein Klagerecht auf Feststellung über die Ansprüche zu, die ein Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber geltend machen könnte.
3.5 […] Das BGSA erweitert mit den Mitteln des öffentlichen Rechts den zivilrechtlichen Schutz ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Arbeitsbewilligung als schwächeren Vertragsparteien vor der Ausbeutung durch […]. Es widerspräche Wortlaut, Sinn und Zweck dieser Gesetzgebung, in der Folge die gegebenenfalls klageweise durchgesetzten Lohnansprüche einzuziehen.
Wenngleich sich strafbares Verhalten nicht lohnen darf (BGE 129 IV 107 E. 3.2), stehen neben den zivil- und öffentlichrechtlichen Normen auch Gesichtspunkte der Einheit der Rechtsordnung einer Einziehung von Entgelt aus „Schwarzarbeit“ entgegen.
3.5 […] Es handelt sich demnach um eine bundesrechtlich normierte sozialpolitische Einschränkung des strafrechtlichen Einziehungsrechts. Wo dieser Schutzgedanke der schwächeren Vertragspartei nicht zum Tragen kommt, steht einer Einziehung grundsätzlich nichts mehr im Wege.