6B_53/2009: Einziehung, Verwendung zu Gunsten des Geschädigten (Art. 73 StGB)

Mit Urteil vom 24. August 2009 (6B_53/2009) hat das Bun­des­gericht eine Beschw­erde gut­ge­heis­sen, mit der die Geschädigte ein­er Straftat beantragte, der Erlös aus der Ver­w­er­tung eines einge­zo­ge­nen Per­so­n­en­fahrzeugs sei in Anwen­dung von Art. 73 StGB zu ihren Gun­sten zu verwenden.

2.3 Der Beschw­erde­führerin wurde erst- und zweitin­stan­zlich Schaden­er­satz in der Höhe von Fr. 29’881.30 neb­st Zins zuge­sprochen. Vorgängig wurde im Rah­men der gegen Y., X. und weit­ere Per­so­n­en geführten Stra­fun­ter­suchung der im Eigen­tum von Y. ste­hende Per­so­n­en­wa­gen […] beschlagnahmt […]. Die erste Instanz ord­nete in Anwen­dung von aArt. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB seine (akzes­sorische) Einziehung, Veräusserung und die Einziehung des Veräusserungser­lös­es zu Gun­sten des Staates an […]. Die Vorin­stanz hat daraus die Schlussfol­gerung gezo­gen, dass der Antrag der Beschw­erde­führerin auf Ver­wen­dung des Ver­w­er­tungser­lös­es zu ihren Gun­sten im Sinne von Art. 73 StGB […] erstin­stan­zlich und man­gels Anfech­tung recht­skräftig abgewiesen wor­den sei.

2.4 Es stellt sich die Frage, ob die erste Instanz über den Antrag der Beschw­erde­führerin im Sinne von Art. 73 StGB in der Sache entsch­ieden hat, indem sie die Einziehung des Veräusserungser­lös­es zu Gun­sten des Staates ver­fügt hat. Dies ist aus nach­ste­hen­den Grün­den zu verneinen:

Die Zuweisung gemäss Art. 73 StGB erfol­gt nur auf aus­drück­lich­es Ver­lan­gen des Geschädigten. Ein entsprechen­der Antrag kann […] bere­its in der Unter­suchung einge­bracht wer­den. Wurde er unter Nen­nung der Zuweisungssumme gestellt, sind die übri­gen Voraus­set­zun­gen von Amtes wegen zu klären. Allen­falls sind ex offi­cio die zum Entscheid notwendi­gen Beweise zu erheben […]. Die erken­nende Behörde hat dem­nach, unter Mitwirkung des Antrag­stellers, unter anderem die Aktivle­git­i­ma­tion des Gesuch­stellers, die fehlende Deck­ung durch eine Ver­sicherung sowie die erfol­gte Zes­sion der Schaden­er­satz­forderung an den Staat zu prüfen. Im erstin­stan­zlichen Entscheid find­en sich keine dies­bezüglichen Erwä­gun­gen. Die erste Instanz hat sich mit dem am 26. August 2004 gestell­ten Antrag der Beschw­erde­führerin nicht auseinan­derge­set­zt […], und ein Entscheid über die Zuwen­dung hat deshalb keinen Ein­gang in das Urteils­dis­pos­i­tiv gefun­den. Gegen­teiliges musste die Beschw­erde­führerin […] auch nicht ver­muten. Die Ansicht der Vorin­stanz, die erste Instanz habe den Antrag der Beschw­erde­führerin abgewiesen […], ist deshalb unzutr­e­f­fend. Eben­so unrichtig ist die Auf­fas­sung der Vorin­stanz, die erste Instanz habe über den Antrag der Beschw­erde­führerin impliz­it entsch­ieden. Der erstin­stan­zliche Entscheid ste­ht ein­er Ver­wen­dung im Sinne von Art. 73 StGB zu Gun­sten der Beschw­erde­führerin grund­sät­zlich nicht ent­ge­gen (vgl. E. 2.6 nachfolgend).

2.5 Richtig ist, dass die Ver­wen­dung einge­zo­gen­er Ver­mö­genswerte zu Gun­sten des Staates im entsprechen­den Umfang eine ander­weit­ige Ver­wen­dung auss­chliesst. Art. 73 StGB begrün­det jedoch einen Anspruch des Geschädigten gegen den Staat im Strafver­fahren […]. Der Staat soll sich nicht auf Kosten des Geschädigten bere­ich­ern kön­nen, son­dern vielmehr bei Einziehun­gen die Rechte der geschädigten Partei in den Vorder­grund stellen. Die genan­nte Bes­tim­mung gewährt, soweit die darin genan­nten Voraus­set­zun­gen erfüllt sind, ein Recht auf Zus­prechung einge­zo­gen­er Vermögenswerte […].

2.6 Die erste Instanz prüfte den Antrag der Beschw­erde­führerin auf Ver­wen­dung zu ihren Gun­sten gemäss Art. 73 StGB offen­sichtlich nicht und zog den (zukün­fti­gen) Ver­w­er­tungser­lös zu Gun­sten des Staates ein. Im vorin­stan­zlichen Ver­fahren wäre es möglich und angezeigt gewe­sen, über den Antrag der Beschw­erde­führerin zu entschei­den. Nach Art. 73 Abs. 3 StGB sehen die Kan­tone für den Fall, dass die Zus­prechung nicht schon im Stra­furteil möglich ist, ein ein­fach­es und rasches Ver­fahren vor. Ein solch­es Ver­fahren ist etwa durchzuführen, wenn sich ein Geschädigter, der Ansprüche gemäss Art. 73 StGB gel­tend macht, erst nachträglich meldet, also in einem Zeit­punkt, in dem z.B. bere­its im Sinne von Art. 69–72 StGB die Einziehung von Gegen­stän­den oder Ver­mö­genswerten ange­ord­net bzw. eine Geld­strafe oder Busse vom berechtigten Gemein­we­sen schon vere­in­nahmt wurde. Eine nachträgliche Ver­fü­gung ist zuläs­sig, soweit die betr­e­f­fend­en Werte nicht recht­skräftig bere­its anderen Geschädigten zuge­sprochen wur­den […]. Entsprechen­des muss erst recht gel­ten, wenn – wie vor­liegend – der Antrag vor dem erstin­stan­zlichen Einziehungsentscheid gestellt, jedoch darin nicht beurteilt wurde. Somit kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass eine Einziehung zu Gun­sten des Staates ein­er (späteren) Ver­wen­dung im Sinne von Art. 73 StGB grund­sät­zlich nicht ent­ge­gen­ste­ht. Sind aber Geschädigte oder Dritte, die Ansprüche erheben kön­nen, nicht vorhan­den oder nicht zu ermit­teln, fall­en die kon­fiszierten Ver­mö­genswerte bzw. ihr Erlös (defin­i­tiv) der Staatskasse zu […].

2.7 Damit der Schutzgedanke von Art. 73 StGB (E. 2.5 hievor) zum Tra­gen kommt, müssen die Anträge nach Art. 73 StGB auch noch nach dem entsprechen­den Gericht­sentscheid, mit dem die Geld­strafe oder Busse ver­hängt wird, Ver­mö­genswerte einge­zo­gen wer­den etc., zuläs­sig sein, also zum Beispiel auch noch im Beru­fungsver­fahren […]. Die Vorin­stanz hätte selb­st für den Fall, dass die Beschw­erde­führerin ihren Antrag erst­mals (und nicht wie vor­liegend wieder­holt) im kan­tonalen Beru­fungsver­fahren gestellt hätte, einen Sachentscheid fällen müssen.

2.8 Die Vorin­stanz ist auf den Antrag der Beschw­erde­führerin auf Zus­prechung einge­zo­gen­er Ver­mö­genswerte im Sinne von Art. 73 StGB nicht einge­treten, weil sie der unzutr­e­f­fend­en Auf­fas­sung war, die erste Instanz habe den entsprechen­den Antrag recht­skräftig abgewiesen. Ihr Nichtein­tretensentscheid läuft aus den dargelegten Grün­den im Ergeb­nis auf eine Ver­let­zung von Art. 73 StGB hin­aus. Die Beschw­erde ist somit gutzuheissen.