Wieder einmal ist ein kantonaler Entscheid vom Bundesgericht als „überspitzt formalistisch“ gerügt worden. Es hat mit Urteil 6B_171/2011 vom 8. August 2011 die Beschwerde der Walliser Staatsanwaltschaft gutgeheissen und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Zum Sachverhalt: In einem Strafverfahren wurden sechs Beamte u.a. ungetreue Amtsführung (Art. 314 StGB), Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 StGB) und Anstiftung (Art. 24 StGB) dazu sowie drei andere Beschuldigten u.a. ungetreue Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB), Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) und Anstiftung (Art. 24 StGB) dazu zur Last gelegt. Das Bezirksgericht Brig sprach alle Beschuldigten in sämtlichen Anklagepunkten frei. Auf die dagegen eingelegte Berufung trat das Kantonsgericht Wallis im Hauptpunkt (Antrag auf Schuldigsprechung) nicht ein. Mit ihrer daraufhin erhobenen Beschwerde in Strafsachen war die Staatsanwaltschaft erfolgreich.
Die Vorinstanz hatte zur Begründung ausgeführt, dass die erstinstanzlichen Freisprüche auf zwei selbstständigen Begründungen beruhten: Erstens sei die Anklageschrift ungenügend, weshalb eine Verurteilung gegen den Anklagegrundsatz verstiesse, und zweitens seien die eingeklagten Straftatbestände ohnehin nicht erfüllt.
Diese Begründung ist laut Bundesgericht zu formalistisch:
3.3 Aus den Erwägungen in diesem Urteil geht nicht klar hervor, ob die erste Instanz die Anklageschrift auch in Bezug auf die Anklagepunkte der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) und der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 StGB) als ungenügend erachtet und ob sie somit die Beschuldigten in diesen Punkten auch wegen Verletzung des Anklagegrundsatzes freigesprochen hat. […]
In Anbetracht dieser Unklarheiten im erstinstanzlichen Entscheid war für die Staatsanwaltschaft nicht erkennbar, dass die erste Instanz die Anklageschrift allenfalls auch in den Anklagepunkten der Urkundenfälschung (Art. 251 StGB) und der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 StGB) als unzureichend erachtet und dass somit der erstinstanzliche Freispruch auch in diesen Anklagepunkten auf zwei selbstständigen Begründungen beruht haben könnte.
Es ist daher überspitzt formalistisch und somit willkürlich, wenn die Vorinstanz auf die allein gegen die Freisprüche in den Anklagepunkten der Urkundenfälschung und der Urkundenfälschung im Amt erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft nicht eintritt mit dem Argument, dass auch diese Freisprüche erkennbar auf zwei selbstständigen Begründungen beruhten.