1B_98/2013: Beschlagnahme und Einziehung ausländischer Fahrzeuge (amtl. Publ.)

In welchen Fällen von Verkehrsregelver­let­zun­gen kommt die Einziehung des Tat­fahrzeugs in Betra­cht? Diese Frage beurteilt das Bun­des­gericht in einem Urteil vom 25. April 2013 (amtl. Publ.), mit dem es die Beschw­erde eines deutschen Staat­sange­höri­gen abweist. Er ist ohne fes­ten Wohn­sitz in der Schweiz und ein­er qual­i­fiziert groben Verkehrsregelver­let­zung im Sinn von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG drin­gend verdächtig. Sein BMW war zur Sich­er­stel­lung von Geld­strafen, Bussen und Kosten sowie zur Einziehung beschlagnahmt worden.

Nach Art. 90a Abs. 1 SVG kann der Strafrichter “die Einziehung eines Motor­fahrzeugs anord­nen, wenn: a. eine grobe Verkehrsregelver­let­zung in skru­pel­los­er Weise began­gen wurde; und b. der Täter durch die Einziehung von weit­eren groben Verkehrsregelver­let­zun­gen abge­hal­ten wer­den kann”.

In sein­er Begrün­dung ver­weist das Bun­des­gericht auf die Botschaft zur Ver­schär­fung der Straf­bes­tim­mungen des SVG per 1. Jan­u­ar 2013 im Rah­men des Hand­lung­spro­gramms des Bun­des für mehr Sicher­heit im Strassen­verkehr (“Via sicura”):

2.3.2 […] Nicht jede grobe Verkehrsregelver­let­zung solle automa­tisch zur Einziehung des Tat­fahrzeugs führen. Von der Möglichkeit der Einziehung dürfe nur Gebrauch gemacht wer­den, wenn die Verkehrsregelver­let­zung in skru­pel­los­er Weise began­gen wor­den sei und sie geeignet sei, den Täter von weit­eren groben Verkehrsregelver­let­zun­gen abzuhal­ten; das urteilende Gericht sei verpflichtet, darüber eine Prog­nose abzugeben (BBl 2010 S. 8484 f.).

Für die kumu­la­tiv zu erfül­lende Einziehungsvo­raus­set­zun­gen von Art. 90a Abs. 1 lit. b SVG kann an die bish­erige Prax­is angeknüpft werden:

2.3.3 […] Danach hat das Gericht im Sinne ein­er Gefährdung­sprog­nose zu prüfen, ob das Fahrzeug in der Hand des Täters in der Zukun­ft die Verkehrssicher­heit gefährdet bzw. ob dessen Einziehung geeignet ist, ihn vor weit­eren groben Verkehr­swidrigkeit­en abzuhal­ten (BGE 137 IV 249 E. 4.4; Urteil 1B_168/2012 vom 8. Mai 2012 E. 2).

Angesichts der Schwere des Tatvor­wurfs ist die Einziehung hier grund­sät­zlich gerecht­fer­tigt; fraglich war jedoch, ob auch die Beschlagnahme des nicht in der Schweiz gemelde­ten Fahrzeugs zur Sicherung ein­er allfäl­li­gen Einziehung erforder­lich war:

2.4 […] Eine mildere Mass­nahme, den Schweiz­erischen Strafver­fol­gungs­be­hör­den den Zugriff auf das Fahrzeug zu sich­ern, ist nicht ersichtlich. Ins­ge­samt erscheint die Beschlagnahme daher auch unter diesem Gesicht­spunkt (ger­ade noch) vertret­bar. Die Strafver­fol­gungs­be­hör­den wer­den allerd­ings dem Umstand, dass die Beschlagnahme unter dem Gesicht­spunkt der Ver­hält­nis­mäs­sigkeit heikel erscheinen kön­nte, durch eine beson­ders beförder­liche Ver­fahrens­führung Rech­nung zu tra­gen haben.