4A_237/2007: Schlichtungsstellen auch im Aberkennungsprozess erstinstanzlich zuständig (amtl. Publ.)

Das BGer beurteilte die Frage, ob Aberken­nungskla­gen nach SchKG 83 II in mietrechtlichen Stre­it­igkeit­en beim Bezirks­gericht (Miet­gericht) oder bei der Schlich­tungs­be­hörde in Miet­sachen nach OR 274a ff. anhängig zu machen sind, als Frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung. In der Sache entsch­ied es, dass die Schlich­tungsstellen auch dann zuständig sind, wenn der Miet­prozess nach einem Recht­söff­nungsver­fahren erfolgt.

Der Betriebene beantragte beim Bezirk­samt Aarau als Mietschlich­tungs­be­hörde, es sei festzustellen, dass eine in Betrei­bung geset­zte Miet­forderung nicht beste­he. Der Präsi­dent I des Bezirks­gerichts Aarau entsch­ied nach Über­weisung der Akten u.a., Aberken­nungskla­gen seien direkt beim Gericht einzure­ichen. Das OGer AG trat auf eine dage­gen gerichtete Beschw­erde nicht ein, weil das Bezirks­gericht­sprä­sid­i­um seine sach­liche Zuständigkeit zu Recht bejaht habe. Darin liegt nach BGer ein Sachentscheid, dh ein selb­ständig eröffneter Zwis­ch­enentscheid über die Zuständigkeit.

Der Entscheid des OGer AG kon­nte damit an sich ange­focht­en wer­den, doch war der Stre­itwert zu ger­ing. Das BGer trat den­noch auf die Beschw­erde ein, weil es sich um eine Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung (BGG 74 II a) handelte:

Der Beschw­erde­führer bringt vor, nach Art. 274a ff. OR seien Miet­stre­it­igkeit­en erstin­stan­zlich durch die örtlich zuständi­ge Mietschlich­tungs­be­hörde zu behan­deln. Die Vorin­stanz vertrete die Auf­fas­sung, diese bun­desrechtliche Zuständigkeit­sregelung gelte nicht, wenn dem Prozess ein Recht­söff­nungsver­fahren voraus­ge­gan­gen sei. Das Bun­des­gericht habe die Frage noch nicht entsch­ieden. Sie sei von grund­sät­zlich­er Bedeutung.”

Das BGer bestätigt diese Auffassung:

Es beste­ht ein all­ge­meines Inter­esse, dass diese sich oft­mals stel­lende Zuständigkeits­frage, die das Bun­des­gericht mit freier Kog­ni­tion prüfen kann, höch­strichter­lich gek­lärt wird, um eine ein­heitliche Anwen­dung und Ausle­gung des Bun­desrechts her­beizuführen und damit Rechtssicher­heit herzustellen. Namentlich bei Fra­gen der Zuständigkeit beste­ht ein beson­deres Bedürf­nis nach ein­er möglichst baldigen Klärung der Recht­slage durch das Bundesgericht, …”

In der Sache entsch­ied das BGer, die Schlich­tungsstellen seien auch im Aberken­nung­sprozess erstin­stan­zlich zuständig. Ein­er­seits ist die Aberken­nungsklage eine 

materiell­rechtliche Klage, die sich lediglich hin­sichtlich der Parteirollen von ein­er “nor­malen” Klage unter­schei­det, unter­ste­ht sie grund­sät­zlich der Prozessvo­raus­set­zung des durchge­führten Schlich­tungsver­fahrens, soweit sie eine Stre­it­igkeit aus der Miete von Wohn- oder Geschäft­sräu­men betrifft.”

Ander­er­seits beurteilt das BGer das Schlich­tungsver­fahren im Anschluss an ein Recht­söff­nungsver­fahren nicht als sinn­los, denn 

die Frage nach der materiellen Begrün­de­theit der Forderung [bleibt] sowohl nach ver­weigert­er als auch nach erteil­ter pro­vi­sorisch­er Recht­söff­nung offen. Auch hat das Recht­söff­nungsver­fahren nicht zum Ziel, eine Eini­gung der Parteien herbeizuführen.”

Schliesslich lässt sich auch 

aus dem Wort­laut der Vorschrift von Art. 83 Abs. 2 SchKG, wonach der Betriebene innert 20 Tagen nach der Recht­söff­nung auf dem Weg des ordentlichen Prozess­es “beim Gericht” des Betrei­bung­sortes auf Aberken­nung der Forderung kla­gen kann, […] nicht ableit­en, dass bei Aberken­nungskla­gen eine Aus­nahme vom Grund­satz zu machen wäre, dass zunächst die Schlich­tungsstelle anzu­rufen ist.”