5a_53/2010: Wohnsitzwechsel wirkt sich auf die Zuständigkeit des Rechtsöffnungsgerichts aus (amtl. Publ.)

Strit­tig war im vor­liegen­den Fall die Frage, 

ob und wie sich ein Wohn­sitzwech­sel des Schuld­ners auf die örtliche Zuständigkeit des Recht­söff­nungs­gerichts auswirkt.”

Die Frage bet­rifft SchKG 53, wonach die Betrei­bung am bish­eri­gen Orte fort­ge­set­zt wird, wenn der Schuld­ner seinen Wohn­sitz (i) nach der Pfän­dungsankündi­gung oder (ii) der Zustel­lung der Konkur­san­dro­hung oder (iii) des Zahlungs­be­fehls zur Wech­sel­be­trei­bung verän­derte, und SchKG 84 I, in der Revi­sion von 1994/97 einge­führt wurde. In der Lehre ist strit­tig, ob die Ein­führung von SchKG 84 I zur Folge habe, dass SchKG 53 bei der Recht­söff­nung nicht mehr oder nur in weni­gen Aus­nah­me­fällen zur Anwen­dung komme, oder ob sie im Gegen­teil insoweit nichts geän­dert habe. Die kan­tonale Prax­is fol­gt der zweit­en Ansicht (keine Änderung).

Das BGer schliesst sich der zweit­en Ansicht an: Wenn der Schuld­ner seinen Wohn­sitz nach Zustel­lung des Zahlungs­be­fehls ver­legt, ist das Gesuch um Recht­söff­nung beim Gericht des neuen Wohn­sitzes zu stellen, falls der Schuld­ner dem Gläu­biger die Wohn­sitzver­legung angezeigt hat oder der Gläu­biger sonst­wie davon erfahren hat.

Als Ausle­gungsergeb­nis kann fest­ge­hal­ten wer­den, dass die Geset­zes­re­vi­sion von 1994/97 mit dem neu geschaf­fe­nen Art. 84 Abs. 1 SchKG die bish­erige Recht­sprechung zum Gerichts­stand der Recht­söff­nung, namentlich zu dessen Verän­der­lichkeit bei Wohn­sitzwech­sel des Schuld­ners gemäss Art. 53 SchKG, nicht gegen­stand­s­los gemacht hat. Hat der Schuld­ner — wie hier — den Wohn­sitz seit der Zustel­lung des Zahlungs­be­fehls ver­legt, ist das Gesuch um Recht­söff­nung beim Gericht des neuen Wohn­sitzes zu stellen, sofern der Schuld­ner dem Gläu­biger die Wohn­sitzver­legung angezeigt hat oder der Gläu­biger — wie hier — sonst­wie davon erfahren hat. Die abwe­ichende Ansicht, wonach das Gesuch um Recht­söff­nung trotz Wohn­sitzwech­sels des Schuld­ners an dessen bish­erigem Wohn­sitz zu stellen sei, kann nicht geteilt wer­den. Der ange­focht­ene Unzuständigkeit­sentscheid erweist sich als bun­desrechtswidrig. Die Beschw­erde muss in diesem Punkt gut­ge­heis­sen werden.”

Im Urteil find­et sich fern­er eine Zusam­men­fas­sung der bish­eri­gen Recht­sprechung des BGer über die Verän­der­lichkeit des ordentlichen Betrei­bung­sortes zufolge Wohnsitzwechsels.

Das Bun­des­gericht hat die Verän­der­lichkeit des ordentlichen Betrei­bung­sortes zufolge Wohn­sitzwech­sels auch mit Bezug auf das Recht­söff­nungsver­fahren anerkan­nt und dabei Regeln aufgestellt, die sich wie fol­gt zusam­men­fassen lassen: (1.) Das Recht­söff­nungs­ge­such ist dem Gericht am Betrei­bung­sort zu stellen, und zwar selb­st dann, wenn die Betrei­bung nicht am geset­zmäs­si­gen Betrei­bung­sort ange­hoben wurde, der Schuld­ner aber sein­erzeit darauf verzichtet hat, den Zahlungs­be­fehl wegen örtlich­er Unzuständigkeit mit Beschw­erde gemäss Art. 17 ff. SchKG anzufecht­en. (2.) Hat der Schuld­ner seit der Zustel­lung des Zahlungs­be­fehls seinen Wohn­sitz ver­legt, muss das Gesuch um Recht­söff­nung dem Gericht am neuen Wohn­sitz des Schuld­ners gestellt wer­den. (3.) Trotz Wohn­sitzwech­sels seit der Zustel­lung des Zahlungs­be­fehls kann der Schuld­ner am alten Wohn­sitz auf Recht­söff­nung belangt wer­den, wenn er dem Gläu­biger die Wohn­sitzver­legung nicht angezeigt hat und der Gläu­biger auch nicht sonst­wie nach­weis­lich davon erfahren hat oder wenn der Schuld­ner im Recht­söff­nungsver­fahren keine Einrede der Unzuständigkeit erhebt (BGE 76 I 45 E. 3 S. 48 ff.; 112 III 9 E. 2 S. 11 ff. mit ein­er Präzisierung der Recht­sprechung; BGE 115 III 28 E. 2 S. 30). Dass Art. 53 SchKG über den Betrei­bung­sort bei Wohn­sitzwech­sel unmit­tel­bar nur auf den vom Wohn­sitz — und ana­log vom Sitz — des Schuld­ners abhängi­gen ordentlichen Betrei­bung­sort (Art. 46 SchKG), nicht hinge­gen auf die beson­deren Betrei­bung­sorte (Art. 48 — 52 SchKG) anwend­bar ist, ergibt sich aus dem Geset­zes­text (BGE 115 III 28 E. 2 S. 31 mit Hinweis).”