4A_36/2008: Fristversäumnis wegen mangelnder Kanzleiorganisation

Ein Anwalt ein­er Kan­zlei von ca. 20 Anwäl­ten hat­te am let­zten Tag der Frist eine Appel­la­tion­serk­lärung ans OGer SO unterze­ich­net. Ein Prak­tikant liess die Rechtss­chrift zusam­men mit ander­er Post in der Kan­zlei liegen, was erst am fol­gen­den Mor­gen, nach Fristablauf, ent­deckt wurde. Das OGer SO ver­weigerte eine Frist­wieder­her­stel­lung; das BGer bestätigt diesen Entscheid.

Nach der ZPO SO kann eine Frist nur wieder­hergestellt wer­den, wenn ihr Ver­säum­nis unver­schuldet war: 

… nach der Prax­is der Solothur­nischen Gerichte werde das Fehlver­hal­ten ein­er Hil­f­sper­son des Vertreters diesem (und damit auch der Partei) nicht als eigenes Ver­schulden zugerech­net. Es sei aber zu prüfen, ob dem Vertreter “cul­pa in eli­gen­do, instru­en­do vel cus­to­di­en­do” vorzuw­er­fen sei. Die Prax­is, welche das Ver­schulden der Hil­f­sper­so­n­en nicht anrechne, dürfe nicht dazu führen, dass die Schuld am Ver­säum­nis allzu leicht auf diese Per­so­n­en geschoben wer­den könne (…).”

Die cura in eli­gen­do sei nicht ver­let­zt wor­den, eben­so die cura in cus­to­di­en­do. Dage­gen sei die Kan­zlei man­gel­haft organ­isiert gewesen: 

… eine ganze Rei­he gravieren­der Män­gel in der Betrieb­sorgan­i­sa­tion: unklare Regelung der Zuständigkeit für den Post­di­enst am Mon­tag-Nach­mit­tag, Belas­tung des Prak­tikan­ten mit einem beson­ders umfan­gre­ichen und zeitlich dringlichen Auf­trag zu jen­er Uhrzeit, als er den Post­di­enst hätte besor­gen sollen, und damit Hin­derung an der Erfül­lung des Post­di­en­stes durch die Anwalt­skan­zlei selb­st sowie häu­fig vork­om­mende Post­gänge durch die Sach­bear­beit­er mit den von ihnen bear­beit­eten Rechtsschriften.”

Man­gel­haft war ins­beson­dere, dass die Kan­zlei für die gle­iche Zeit mehrere Per­so­n­en zum Post­di­enst eingeteilt hat­te, ohne genau festzule­gen, welche dieser Per­so­n­en tat­säch­lich zuständig war, und dass die die für den Post­di­enst zuständi­ge Per­son für diese ausseror­dentlich wichtige Funk­tion nicht von son­sti­gen Auf­gaben ent­lastet wurde. Zudem oblag der Post­di­enst nicht nur den eingeteil­ten Per­so­n­en, son­dern auch den Anwäl­ten selb­st, wenn diese zur Zeit, da die Post abge­holt wurde (ca. 17:30 Uhr), noch mit ein­er zu versenden­den Rechtss­chrift befasst waren.