4A_16/2008: Gaunerlohn ist nicht zurückzugeben (Praxisänderung zu Art. 66 OR)

Das Bun­des­gericht hat in einem jüng­sten Entscheid (4A_16/2008) seine bish­erige Recht­sprechung zu Art. 66 OR geän­dert. Nach der bish­eri­gen Recht­sprechung schloss Art. 66 OR die Rück­forderung nicht bloss dessen aus, was zur Ans­tiftung oder Beloh­nung eines rechts- oder sit­ten­widri­gen Han­delns gegeben wurde (“Gauner­lohn”), son­dern die Rück­forderung aller Leis­tun­gen, die auf­grund eines rechts- oder sit­ten­widri­gen Ver­trags erbracht wur­den. Diese Auf­fas­sung (siehe BGE 102 II 401, E. 4) wurde nun­mehr aufgegeben. Das Bun­des­gericht fol­gt damit der herrschen­den Lehre, wonach sich die Unmöglichkeit der Rück­forderung auf den eigentlichen Gauner­lohn beschränkt.

Das vor­liegende Bun­des­gericht­surteil betraf einen Ver­trag über die Entsorgung von Abfällen aus der Auto­mo­bilin­dus­trie. Bei­de Ver­tragsparteien sind im Bere­ich der indus­triellen Abfal­l­entsorgung tätig und ver­mit­teln inländis­chen Abfall­pro­duzen­ten oder Abfal­lab­nehmern aus­ländis­che Entsorg­er und beschaf­fen die notwendi­gen Bewil­li­gun­gen. Im umstrit­te­nen Ver­trag vere­in­barten die Parteien zwecks “Sich­er­stel­lung von langfristi­gen und konkur­ren­zfähi­gen Dien­stleis­tun­gen” in Form eines Kon­sor­tiums zusam­men­zuar­beit­en. Der Ver­trag sah vor, dass die Klägerin von der Beklagten für die in Rech­nung gestell­ten Abfälle CHF 20 pro Tonne erhal­ten werde.

Die Beklagte stellte sich im späteren Rechtsstre­it auf den Stand­punkt, dass der Kon­sor­tialver­trag als unzuläs­sige Wet­tbe­werb­sabrede im Sinne des Kartellge­set­zes zu qual­i­fizieren und aus diesem Grunde nichtig sei. Bei­de Vorin­stanzen (Zivil­gericht des Kt. Basel-Stadt und das Appel­la­tion­s­gericht des Kan­tons Basel-Stadt) ver­weigerten der Beklagten die Beru­fung auf Wil­lens­man­gel; der Hauptein­wand der Beklagten, dass die Klage aus kartell­rechtlichen Grün­den abzuweisen sei, wurde von bei­den Vorin­stanzen verworfen.

Das Bun­des­gericht hält zunächst fest, dass die zivil­rechtlichen Fol­gen eines Ver­stoss­es gegen das Kartellge­setz in Art. 12 f. KG geregelt sind. Danach kann das Gericht u.a. anord­nen, dass Verträge ganz oder teil­weise ungültig sind (Art. 13 lit. a KG). Obschon das BGer auf die in der Lehre umstrit­tene Auf­fas­sung, ob ein Ver­stoss gegen Art. 5 ff. KG ohne weit­eres zur Nichtigkeit des Rechts­geschäfts führt oder ob es dazu ein­er gerichtlichen Anord­nung dieser Rechts­folge bedarf, wird zwar hingewiesen, let­ztlich aber diese Frage offen gelassen (E. 2.1)

Nach Art. 20 OR ist ein Ver­trag wider­rechtlich, wenn sein Gegen­stand, sein Abschluss mit dem vere­in­barten Inhalt oder sein mit­tel­bar­er Zweck gegen objek­tives schweiz­erisches Recht ver­stösst. Voraus­set­zung der Nichtigkeit ist stets, dass diese Rechtsfolge 

” (…) aus­drück­lich im betr­e­f­fend­en Gesetz vorge­se­hen ist oder sich aus Sinn und Zweck der ver­let­zten Norm ergibt (…)

Ver­tragsabre­den, die den Wet­tbe­werb unzuläs­sig beschränken, sollen nicht durchge­set­zt wer­den kön­nen (…). Es ergibt sich aus diesem Zweck, dass rechtswidrige ver­tragliche Abre­den insoweit nichtig sind, als das ver­trags­gemässe Ver­hal­ten den wirk­samen Wet­tbe­werb unzuläs­sig beschränkt (…)” (E. 2.2).

Ein nichtiger Ver­trag ent­fal­tet keine rechts­geschäftlichen Wirkun­gen, sofern der Schutzz­weck der Norm die Ungültigkeit des gesamten Rechts­geschäfts ver­langt. Nach dem Grund­satz der gel­tungser­hal­tenden Reduk­tion soll die Nichtigkeit nur so weit reichen, als es der Schutzz­weck der ver­let­zten Norm verlangt.

Die Nichtigkeit unzuläs­siger Wet­tbe­werb­sabre­den hat vornehm­lich die Nicht-Durch­set­zbarkeit wet­tbe­werb­swidriger Abre­den als solche zum Ziel und soll einen Ausstieg aus einem unzuläs­si­gen Kartel­lver­trag jed­erzeit ermöglichen (…); die Rück­ab­wick­lung bere­its erbrachter Leis­tun­gen wird damit aber nicht geregelt (…)” (E. 2.3).

Bei Män­geln in der Ver­tragsentste­hung, sind bere­its erbrachte Leis­tun­gen grund­sät­zlich nach den Regeln der Vin­dika­tion und der ungerecht­fer­tigten Bere­icherung zurück­zuer­stat­ten. Diese Rück­ab­wick­lung stösst aber an Gren­zen, wenn in voll­ständi­ger oder teil­weise Erfül­lung des Ver­trags Dien­ste erbracht oder Unter­las­sun­gen beachtet wor­den sind, die nicht in natu­ra zurück­er­stat­tet wer­den können.

Das BGer hält sodann fest, dass nach sein­er Recht­sprechung ganz oder teil­weise erfüllte Dauer­schuld­ver­hält­nisse ins­beson­dere bei Anfech­tung wegen Wil­lens­män­geln jeden­falls dann nach der pri­vatau­tonomen Vere­in­barung abgewick­elt wer­den, wenn der Man­gel nicht das Synal­lag­ma bet­rifft. In solchen Fällen würde sich auch bei der inhaltlichen Ver­tragsnichtigkeit die Rück­ab­wick­lung nach der sub­jek­tiv­en Bew­er­tung der Parteien recht­fer­ti­gen (E. 2.4).

Die Beschw­erde­führerin berief sich in der Folge auf Art. 66 OR (E. 3.1), wobei das Bun­des­gericht auf die in der Lit­er­atur ver­bre­it­ete Kri­tik an der bis­lang gel­tenden Recht­sprechung eingeht.

Prax­isän­derung.

Es ist in der Tat bei einem synal­lag­ma­tis­chen Ver­trag nicht einzuse­hen, weshalb gle­icher­massen an einem objek­tiv wider­rechtlichen Rechts­geschäft beteiligte Parteien ungle­ich behan­delt wer­den sollen. Der Umstand, dass eine dieser Parteien ihre ver­tragliche Verpflich­tung schon erfüllt hat, erscheint angesichts des Man­gels in der Entste­hung des Ver­trages zufäl­lig. Der eigentliche Zweck von Art. 66 OR, die Ans­tiftung oder Beloh­nung eines rechts- oder sit­ten­widri­gen Han­delns durch den Auss­chluss der Rück­forderung auch pri­va­trechtlich zu sank­tion­ieren, kommt im Wort­laut von Art. 66 OR insofern zum Aus­druck, als für die erfol­gre­iche Leis­tung die “Absicht” ver­langt wird, damit einen rechtswidri­gen oder unsit­tlichen Erfolg herbeizuführen (…)”.

Die in der Lehre vertretene ein­schränk­ende Ausle­gung auf die Fälle des eigentlichen Gauner­lohnes entspricht diesem Wort­laut und ver­hin­dert die unbe­friedi­gende Wirkung der bish­eri­gen aus­dehnen­den Inter­pre­ta­tion (…). Mit der herrschen­den Lehre ist daher die Rück­forderung nach Art.66 OR nur aus­geschlossen, wenn die Leis­tun­gen zur Ans­tiftung oder Beloh­nung eines rechts- oder sit­ten­widri­gen Ver­hal­tens erfol­gen (Gauner­lohn). Sofern der Zweck der ver­let­zten Norm nicht ein­deutig den Auss­chluss der Rück­er­stat­tung bere­its erbrachter Leis­tun­gen erfordert (…), sind diese daher im Falle der Ver­tragsnichtigkeit zurück­zuer­stat­ten” (E. 3.2).

Dabei hält das BGer fest, dass sich aus dem Schutzz­weck kartell­rechtlich­er Ver­bote nicht ergibt, dass der Auss­chluss der Rück­forderung von Leis­tun­gen ein­deutig auszuschliessen sei. Eine solche Rechts­folge werde wed­er aus­drück­lich ange­ord­net noch liesse sich eine solche mit der erforder­lichen Ein­deutigkeit dem Nor­mzweck ent­nehmen (E. 3.2).

Aus prozess­rechtlich­er Sicht äusserte sich das BGer zur Frage der Sachver­halt­sergänzung (E 1). Das BGer kann Sachver­halts­fest­stel­lun­gen von Amtes wegen berichti­gen oder ergänzen, wenn diese offen­sichtlich unrichtig sind oder auf ein­er Rechtsver­let­zung gem. Art. 95 BGG beruhen. Die Voraus­set­zun­gen ein­er Sachver­halt­srüge nach Art. 97 Abs. 1 BGG und ein­er Berich­ti­gung von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) stim­men im Wesentlichen übere­in (E. 1.1). Die Fest­stel­lung des Sachver­halts kann ins­beson­dere nur dann gerügt wer­den, wenn die Behe­bung des Man­gels für den Aus­gang des Ver­fahrens entschei­dend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG), was unter anderem in der Beschw­erde­schrift darzu­tun ist.