Das Bundesgericht bestätigt ein Urteil des Kantonsgerichts Wallis, das einen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbots bejaht hatte: Gemäss dem Arbeitsvertrag eines nach Einzelleistung bezahlten Chefarzt war das Gehalt für Ferien im Lohn inbegriffen. Einige Jahre später wurde gerichtlich festgestellt, dass weder der Vertrag noch die einzelnen Abrechnungen Angaben zum Ferienlohnanteil enthielten. Dies ist grundsätzlich (aber nicht ausnahmslos, s. sogl. unten) aber erforderlich, wenn der Ferienlohn mit dem gewöhnlichen Lohn ausbezahlt werde. Die betreffende Klausel wurde als nichtig erachtet.
Die Berufung auf diese Nichtigkeit wurde indessen — zu Recht, wie das BGer festhielt — als rechtsmissbräuchlich, weil verzögert, erachtet. Entscheidend war dabei die Erwägung, dass der Chefarzt dieser Regelung bewusst zugestimmt und die Beschwerdegegner erst nachträglich auf deren Unzulässigkeit hingewiesen hatte, so dass sie ihre Interessen nicht wahren konnte. Da der Chefarzt Mitglied der “commission des intérêts des hospitaliers” war, wurde ihm das Wissen um die Ungültigkeit der fraglichen Klausel angerechnet bzw. unterstellt (was als Tatfrage für das BGer verbindlich war):
“Konnte die Vorinstanz ohne Willkür davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe mit der Geltendmachung der Nichtigkeit der Vereinbarung derart lange zugewartet, dass der anderen Partei dadurch verunmöglicht wurde, ihre eigenen Interessen zu wahren, durfte sie gestützt darauf ohne Bundesrechtsverletzung Rechtsmissbrauch bejahen.”
Entscheidend war das Wissen des Chefarztes allerdings nicht, denn die Rechtsausübung war aus Sicht des BGer nicht nur verzögert, sondern auch noch zweckwidrig:
“Art. 329d OR sichert dem Arbeitnehmer die nötige Erholung frei von finanziellen Sorgen. Diesem Zweck könnte eine Abrede über den Ferienlohn, wie sie die Parteien getroffen haben, unter Umständen zuwiderlaufen. Dass dies jedoch beim Beschwerdeführer nicht der Fall war, ergibt sich aus seinen eigenen Vorbringen. Die von der angerufenen Norm zu schützenden Interessen wurden gewahrt.”
Das Urteil ist insofern interessant, als das Bundesgericht im Sinne einer Eventualbegründung die Zweckwidrigkeit der (wohl verzögerten) Rechtsausübung anerkannt hat. Beide Begründungen des Rechtsmissbrauchs dürften häufig zusammenfallen. Scheitert der Nachweis des Wissens, das eine Voraussetzung einer vorwerfbaren Verzögerung ist, kann allenfalls die Berufung auf die Zweckwidrigkeit (die ein Wissen erst bei Geltendmachung des Rechtsmissbrauchs voraussetzt) helfen.