5A_153/2009: Klagefrist nach Sühnversuch bei kürzerer bundesrechtlicher Frist (amtl. Publ.)

Wegen Ver­stoss­es gegen Bes­tim­mungen über die Zucht von Grosspudeln wurde die Beschw­erde­führerin durch ihren Zuchtvere­in mit ein­er ein­jähri­gen Ein­stel­lung ihrer Zucht­tätigkeit belegt. Ihr Ver­stoss gegen dieses Gebot wurde mit ein­er weit­eren, zwei­jähri­gen Sperre geah­n­det. Die Beschw­erde­führerin focht diesen Vere­ins­beschluss an und klagte auf Schaden­er­satz. Strit­tig war die Ein­hal­tung der Monats­frist von ZGB 75.

Ein Sühn­begehren wahrt die Frist von ZGB 75, wenn (1) nach kan­tonalem Recht ein Süh­n­ver­such durchge­führt wer­den kann (oder sog­ar muss), (2) wenn der Sühn­beamte nach kan­tonalem Recht die Stre­it­sache ohne Aussöh­nung von Amtes wegen an das urteilende Gericht weit­erzuleit­en hat oder mind. der Kläger innert ein­er gewis­sen Frist an das urteilende Gericht gelan­gen muss, und (3) wenn der Kläger diese Frist tat­säch­lich ein­hält. Im vor­liegen­den Fall waren die ersten bei­den Voraus­set­zun­gen gegeben; die Beschw­erde­führerin hätte die Klage daher rechtzeit­ig ein­re­ichen müssen. Nach bernischem Prozess­recht hätte dafür eine Frist von sechs Monat­en bestanden. Da aber ZGB 75 eine ein­monatige Frist vor­sieht, hätte die Klage­befug­nis nach gescheit­ertem Süh­n­ver­such inner­halb von einem Monat wahrgenom­men wer­den müssen, wie die ZPO/BE aus­drück­lich bes­timmt.
Allerd­ings war das Sühn­begehren der anwaltlich vertrete­nen Klägerin eigentlich als Klage gemeint, von der ersten Instanz aber in ein Sühn­begehren umgedeutet worden:

Auf Anfrage hin bez­if­ferte sie [sc. die Beschw­erde­führerin] den Stre­itwert am 10. März 2006 auf Fr. 137’850.–. Mit Rück­sicht darauf und wegen formeller Män­gel nahm die Gericht­spräsi­dentin die Klageschrift als Begehren um Ladung zum Aussöh­nungsver­such entgegen.”

Ein Anspruch auf Ver­trauenss­chutz bestand nach BGer nicht. Die Beschw­erde­führerin war anwaltlich vertreten und kan­nte die Monats­frist von ZGB 75. Sie (bzw. ihr Anwalt, der vor BGer nicht mehr auf­trat) hat aber überse­hen, dass die Klage­be­wil­li­gung wie erwäh­nt eben­falls nur einen Monat statt der ordentlichen sechs Monate gültig war. Eine Pflicht zur Belehrung über die Klage­frist sieht das bernische Recht nicht vor, anders als zB die ZPO/ZH. Äussert sich die Gericht­spräsi­dentin den­noch zur Klage­frist, liegt nach bernisch­er Prax­is keine Rechtsmit­tel­belehrung, son­dern eine blosse Auskun­ft vor. Auf eine solche Auskun­ft stützte sich die Beschw­erde­führerin; die Gericht­spräsi­dentin habe an der Ver­hand­lung behauptet, die Klage­frist betrage sechs Monate. Das OGer liess die Frage offen; der Ver­trauenss­chutz greife ohne­hin nicht, weil der Anwalt der Beschw­erde­führerin allein schon durch Kon­sul­tierung des mass­geben­den Geset­zes­textes die Män­gel der Belehrung hätte erse­hen kön­nen. Das BGer bestätigt dieses Urteil:

Recht­suchende geniessen keinen Ver­trauenss­chutz, wenn der Man­gel für sie bzw. ihren Rechtsvertreter allein schon durch Kon­sul­tierung der mass­ge­blichen Ver­fahrens­bes­tim­mung ersichtlich ist. Dage­gen wird nicht ver­langt, neben den Geset­zes­tex­ten auch noch die ein­schlägige Recht­sprechung oder Lit­er­atur nachzuschlagen.”

Zulet­zt bestand auch keine all­ge­meine Rechts­belehrungspflicht aus ein­er gerichtlichen Für­sorgepflicht und eben­so wenig aus ZPO/BE 89. Von einem Anwalt dürfe erwartet wer­den, dass er in voller Ken­nt­nis der Rechts- und Sach­lage han­delt; es beste­he eine Ver­mu­tung, dass er seinen Man­dan­ten hin­re­ichend ver­tritt. Die kan­tonale Prax­is nehme an, dass das Gericht lediglich dann eine Aufk­lärungspflicht habe, wenn für das Gericht offenkundig ist, dass sich der Anwalt über die Frist­berech­nung im Unklaren ist oder sich darüber irrt. Hier kon­nte aber nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, der Anwalt der Beschw­erde­führerin sei der­art unbe­darft gewe­sen, dass das Gericht ihm von Amtes wegen hätte Rechts­belehrun­gen erteilen müssen. Zulet­zt war die Frist­bes­tim­mung des kan­tonalen Prozess­rechts auch keine Über­raschungsklausel im Sinne ein­er regel­recht­en Prozessfalle.