6B_147/2009: Gewerbsmässiger Betrug mittels Internetauktionen

X richtete im Namen der A‑AG ein Kon­to auf Inter­ne­tauk­tion­splat­tform I ein und bot im Auf­trag von Y nicht vorhan­dene Mobil­tele­fone und Note­books an. Die Gewin­ner der Auk­tion forderte er zur Vorauszahlung auf und ver­an­lasste die Über­weisung der Kauf­preise auf das Kon­to der A‑AG, wofür er von Y einen Anteil am Erlös erhielt. Y lieferte die Ware jedoch nicht, weil ihm die finanziellen Mit­tel fehlten. Schliesslich startete er eine neue Auk­tion auf der Inter­ne­tauk­tion­splat­tform II. Bei bei­den Auk­tio­nen kam es nicht in allen Fällen zu Zahlun­gen der Gewinner.

Das Kreis­gericht Bern-Lau­pen sprach X und Y eines mit­täter­schaftlichen began­genen mehrfachen Betrugs und Betrugsver­suchs (Art. 146 Abs. 1, 22 Abs. 1 StGB) schuldig; das Oberg­ericht Bern hob die Entschei­dung nach der Appel­la­tion der Staat­san­waltschaft Bern-Mit­tel­land und der bei­den Verurteil­ten auf.

Mit Urteil vom 9. Juli 2009 (6B_147/2009) hat das Bun­des­gericht den Freis­pruch der Beschw­erdegeg­n­er X und Y aufge­hoben. Die Staat­san­waltschaft hat­te in ihrer dage­gen gerichteten Beschw­erde vorge­bracht, die Vorin­stanz verneine das Vor­liegen eines beson­deren Ver­trauensver­hält­niss­es, ohne die anderen Fall­grup­pen der Arglist zu prüfen. Die Sache wurde zur neuen Entschei­dung zurück­gewiesen, bei der auch die Frage der Gewerb­smäs­sigkeit, die von der Beschw­erde­führerin anlässlich der Appel­la­tion beantragt wurde, zu beurteilen sei.

Das Bun­des­gericht sah das Betrugsmerk­mal der Arglist als erfüllt an, nach­dem es in Übere­in­stim­mung mit sein­er ständi­gen Recht­sprechung ein­er­seits die Art und Inten­sität der angewen­de­ten Täuschungsmit­tel und ander­er­seits die Eigen­ver­ant­wortlichkeit der Opfer geprüft und bejaht hatte:

1.6.1. […] Die Beschw­erdegeg­n­er haben ihren Leis­tungswillen betr­e­f­fend die Liefer­ung der Geräte vor­getäuscht, im Wis­sen darum, die Geräte nie zu liefern. Diese Täuschung bezieht sich auf eine innere Tat­sache, welche von den Bietern nicht über­prüft wer­den kon­nte. Eine solche Täuschung ist arglistig, es sei denn, eine zumut­bare Über­prü­fung lege die Erfül­lung­sun­fähigkeit nahe (vgl. Urteil 6B_440/2008 vom 11. Novem­ber 2008 E. 4.1 mit Hin­weisen). Die Inter­ne­tauk­tio­nen stellen eine rel­a­tiv neue und rasche Geschäft­sart dar, welche auf gegen­seit­igem Ver­trauen basiert. Auch wenn die Inter­net­plat­tfor­men auf die ange­bote­nen Sicher­heitsvorkehrun­gen hin­weisen, sind Vorauszahlun­gen üblich und für die prak­tis­che Bedeu­tung von Inter­ne­tauk­tio­nen wichtig. Zudem ver­fügten die Beschw­erdegeg­n­er in den meis­ten Fällen über keine Bew­er­tun­gen, und es han­delte sich nicht um grössere Kauf­sum­men. Vor diesem Hin­ter­grund waren den Bietern der Auk­tio­nen die Über­prü­fung der Erfül­lungs­fähigkeit der Beschw­erdegeg­n­er nicht zumut­bar und der fehlende Leis­tungswille nicht erkennbar. Die Täuschung über die Ver­tragser­fül­lung stellte dem­nach nicht lediglich eine ein­fache Lüge dar.”

1.6.2. Bei der Beurteilung der Eigen­ver­ant­wortlichkeit der Opfer ist von der fehlen­den Erkennbarkeit des Leis­tungswil­lens und der Leis­tungs­fähigkeit der Beschw­erdegeg­n­er auszuge­hen. Wie bere­its aus­ge­führt, sind bei Inter­ne­tauk­tio­nen Vorauszahlun­gen üblich. Auch wenn die Bieter die Seriosität des Anbi­eters nicht näher über­prüft haben, reicht dies für die Bejahung der zum Auss­chluss der Arglist führen­den Opfer­mitver­ant­wor­tung nicht aus. Das Ver­hal­ten der Geschädigten ist zwar fahrläs­sig. Ein Aus­nah­me­fall, bei welchem der strafrechtliche Schutz ent­fällt, ist demge­genüber nicht gegeben. Auf­grund der Usanz bei Inter­ne­tauk­tio­nen haben mehr als die Hälfte der Bieter die Vorauszahlung tat­säch­lich geleis­tet. Ihnen kann nicht Leicht­fer­tigkeit vorge­wor­fen wer­den, welche das betrügerische Ver­hal­ten der Beschw­erdegeg­n­er in den Hin­ter­grund treten lässt. Uner­he­blich ist fern­er, dass nicht alle Bieter die Vorauszahlung geleis­tet haben. Ob die Täuschung arglistig ist, hängt nicht davon ab, ob sie gelingt (s. BGE 135 IV 76 E. 5.2 S. 79 mit Hin­weisen). Anson­sten wäre eine Verurteilung wegen ver­sucht­en Betrugs per se nicht möglich. Somit ist eine über­wiegende Opfer­mitver­ant­wor­tung zu verneinen.“