6B_271/2009: Kostenauflage bei Verjährung

Das Bun­des­gericht ver­warf mit Urteil vom 6. August 2009 (6B_271/2009) die Beschw­erde gegen eine Entschei­dung des Oberg­erichts ZG, in der das Kos­tendis­pos­i­tiv der ersten Instanz bestätigt wurde. 

Das Strafgericht ZG hat­te das Ver­fahren gegen den Beschw­erde­führer X wegen mehrfach­er Verun­treu­ung (Art. 140 aSt­GB), mehrfach­er unge­treuer Geschäfts­führung (Art. 159 aSt­GB) und mehrfach­er Unter­las­sung der Buch­führung (Art. 166 aSt­GB) eingestellt, da zwis­chen­zeitlich Ver­jährung einge­treten war. Allerd­ings legte ihm die erste Instanz die Hälfte der Unter­suchungs- und Gericht­skosten sowie die Kosten der eige­nen amtlichen Vertei­di­gung auf; ausser­dem beschloss das Gericht, X habe dem Staat die Kosten der amtlichen Vertei­di­gung zu erstat­ten, wenn er zu Ver­mö­gen gelange. Das Strafgericht ZG begrün­dete die Koste­nau­flage mit einem dem Beschuldigten vorzuw­er­fend­en zivil­rechtlichen Ver­schulden, ins­beson­dere ein­er man­gel­haften Buch­führung und einem Ver­stoss gegen die Pflicht zur Auf­be­wahrung der Geschäfts­büch­er betr­e­f­fend die A‑AG. Diese Pflichtver­let­zun­gen hät­ten die Durch­führung des Strafver­fahrens mas­siv erschwert.

Das Bun­des­gericht sah in dieser Koste­nentschei­dung keine Ver­let­zung von Bundesrecht:

2.2 […] Für die Beurteilung der Frage, ob der Beschw­erde­führer die Ein­leitung des gegen ihn geführten Strafver­fahrens durch ein ver­w­er­flich­es oder leicht­fer­tiges Ver­hal­ten verur­sacht oder die Durch­führung des Ver­fahrens erschw­ert hat, ist ein allfäl­liger Ver­jährung­sein­tritt der unter­sucht­en Tatbestände im Herb­st 2008 ohne rechtliche Relevanz. […]

Ins­beson­dere kon­nte das Bun­des­gericht in der Koste­nau­flage keinen Ver­stoss gegen die Unschuldsver­mu­tung erblicken:

3.3 Gemäss Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK gilt jede Per­son bis zur recht­skräfti­gen Verurteilung als unschuldig. Nach der Recht­sprechung ver­stösst es gegen Ver­fas­sung und Kon­ven­tion, in der Begrün­dung des Entschei­ds, mit dem ein Freis­pruch oder eine Ver­fahren­se­in­stel­lung erfol­gt und der beschuldigten Per­son Kosten aufer­legt wer­den, dieser direkt oder indi­rekt vorzuw­er­fen, sie habe sich straf­bar gemacht bzw. es tre­ffe sie ein strafrechtlich­es Ver­schulden. Dage­gen ist es mit Ver­fas­sung und Kon­ven­tion vere­in­bar, ein­er nicht verurteil­ten beschuldigten Per­son die Kosten zu überbinden, wenn sie in zivil­rechtlich vor­w­erf­bar­er Weise – d.h. im Sinne ein­er analo­gen Anwen­dung der sich aus Art. 41 OR ergeben­den Grund­sätze – gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Ver­hal­tensnorm, die aus der gesamten schweiz­erischen Recht­sor­d­nung stam­men kann, klar ver­stossen und dadurch das Strafver­fahren ver­an­lasst oder dessen Durch­führung erschw­ert hat. Die Koste­nau­flage zulas­ten der beschuldigten Per­son auf­grund ver­w­er­flich bewirk­ter Unter­suchung­sein­leitung set­zt mithin adäquate Kausal­ität zwis­chen deren Ver­hal­ten, der ein­geleit­eten Unter­suchung und den erwach­se­nen und aufzuer­legen­den Kosten voraus […].

3.4.2 […] In ihren Erwä­gun­gen lastet die Vorin­stanz dem Beschw­erde­führer nicht an, den objek­tiv­en und sub­jek­tiv­en Tatbe­stand der Unter­las­sung der Buch­führung gemäss Art. 166 aSt­GB erfüllt zu haben. Ohne­hin aber zielt die Argu­men­ta­tion des Beschw­erde­führers an der Sache vor­bei. Er verken­nt, dass sich die hälftige Koste­nau­flage einzig auf die geführte Unter­suchung wegen gewerb­smäs­si­gen Betrugs und Gehil­fen­schaft hierzu sowie wegen mehrfachen betrügerischen Konkurs­es bezieht und betr­e­f­fend den Tatbe­stand der Unter­las­sung der Buch­führung von ein­er Koste­nau­flage abge­se­hen wor­den ist.

Schliesslich habe die Vorin­stanz ihre Koste­nentschei­dung auch nicht willkür­lich getroffen:

3.5.2 […] Gestützt auf § 56bis Abs. 2 StPO/ZG kön­nen die Kosten ganz oder teil­weise der freige­sproch­enen Per­son aufer­legt wer­den, wenn diese die Ein­leitung des Strafver­fahrens durch ein ver­w­er­flich­es oder leicht­fer­tiges Ver­hal­ten verur­sacht oder die Durch­führung des Ver­fahrens erschw­ert hat. […] es sollen nicht der Staat und damit nicht der einzelne Bürg­er als Steuerzahler für Ver­fahren­skosten aufkom­men müssen, die von ein­er beschuldigten Per­son durch vor­w­erf­bares Ver­hal­ten verur­sacht wor­den sind […].

3.6 Schliesslich hat die Vorin­stanz auch die adäquate Kausal­ität zwis­chen dem Ver­hal­ten des Beschw­erde­führers, das heisst der man­gel­haften Buch­führung bzw. dem Ver­stoss gegen die Pflicht­en zur Auf­be­wahrung der Geschäfts­büch­er, und der Höhe der über­bun­de­nen Ver­fahren­skosten zu Recht bejaht. […] sein anfänglich­es Fehlver­hal­ten [hat] die Stra­fun­ter­suchung betr­e­f­fend gewerb­smäs­si­gen Betrug und Gehil­fen­schaft dazu respek­tive betr­e­f­fend betrügerischen Konkurs ins­beson­dere mit Blick auf die Abklärung der Zahlungs­fähigkeit und der Erfül­lungs­bere­itschaft respek­tive der Aushöh­lung der A‑AG erschw­ert und die ihm über­bun­de­nen Unter­suchungskosten generiert […].