6B_766/2009: Mehrfache Begünstigung durch Internetprovider

Das Bun­des­gericht hat sich jüngst mit der Frage beschäftigt, inwieweit sich ein Inter­net-Provider der (mehrfachen) Begün­s­ti­gung gemäss Art. 305 Abs. 1 StGB straf­bar machen kann (Urteil 6B_766/2009 vom 8. Jan­u­ar 2010), wenn er für die Ver­bre­itung von Tex­ten die dafür notwendi­ge Infra­struk­tur gratis zur Ver­fü­gung stellt.

Der Beschw­erde­führer betreibt eine Inter­net­plat­tform, die den Benutzern die Möglichkeit bietet, sich mit einem Pseu­do­nym über ver­schiedene, meist lokalpoli­tis­che The­men anonym zu äussern. Ver­schiedene, namentlich nicht bekan­nte Benutzer beg­in­gen dabei Ehrver­let­zun­gen zum Nachteil des Vizeam­manns von Wohlen. 

Die Auf­fas­sung der Vorin­stanz wurde durch das Bun­des­gericht bestätigt. Danach sei die Inter­net­plat­tform des Beschw­erde­führers als Providerin anzuse­hen, was für ihn mit ein­er beson­deren Ver­ant­wortlichkeit (Spe­ich­er- und Auf­be­wahrungspflicht­en des BÜPF) des einhergehe:

3.2 […] Als Geschäfts­führer mit Einzelun­ter­schrift dieser Gesellschaft sei er für die Ein­hal­tung der geset­zlichen Anforderun­gen ver­ant­wortlich. Eine juris­tis­che Per­son han­dle durch ihre Organe. Es obliege ihm daher gemäss Art. 15 Abs. 3 BÜPF die Pflicht, die für die Teil­nehmeri­den­ti­fika­tion notwendi­gen Dat­en sowie die Verkehrs- und Rech­nungs­dat­en während sechs Monat­en aufzube­wahren. Durch das Löschen der IP-Adressen habe er elek­tro­n­is­che Spuren ver­nichtet, die zur Iden­ti­fika­tion der Kom­men­tar-Ver­fass­er und damit zur Eröff­nung eines Strafver­fahrens beige­tra­gen hätten. […].

Mit seinem Ein­wand, dass bis zum Zeit­punkt der Ver­hand­lung wed­er ein Unter­suchungsver­fahren gegen Dritte eröffnet wurde noch die IP-Adressen eruiert wor­den seien, drang der Beschw­erde­führer nicht durch:

3.4 […] Der Beschw­erde­führer argu­men­tiert zu Unrecht, die Vorin­stanz habe die Ehrver­let­zungs- und Medi­en­de­lik­te gemäss Anklageschrift eingestellt, weshalb gar kein straf­bares Ver­hal­ten mehr vor­liege. Entschei­dend für die Annahme der Begün­s­ti­gung ist vielmehr eine erhe­bliche zeitliche oder inhaltliche Erschw­er­nis der Strafver­fol­gung, die mit einem unwieder­bringlichen Löschen der IP-Adressen der Web­site-Benutzer zweifel­los geschaf­fen wurde. Dass bis anhin keine Behörde an diesen Adressen Inter­esse gezeigt hat, […] ändert hier­an nichts. Bere­its die Ver­hin­derung der Eröff­nung eines Strafver­fahrens kann eine Begün­s­ti­gung­shand­lung darstellen (BGE 69 IV 118).

Auch die Argu­men­ta­tion des Beschw­erde­führers, er habe sich in einem Recht­sir­rtum gemäss Art. 21 StGB befun­den, da er nicht mit der Anwen­dung des BÜPF habe rech­nen müssen und ihm ein Unrechts­be­wusst­sein fehlte, wies das Bun­des­gericht zurück:

3.5 […] Das Löschen der IP-Adressen, obwohl sie vom Serv­er automa­tisch gespe­ichert wor­den seien, habe nur dem Schutz der Anonymität der Benutzer dienen und nur den Zweck ver­fol­gen kön­nen, sie ein­er allfäl­li­gen Strafver­fol­gung zu entziehen […]. Auf welchen geset­zlichen Bes­tim­mungen eine Auf­be­wahrungspflicht der IP-Adressen beruht, erscheint uner­he­blich. Von entschei­den­der Bedeu­tung ist, dass der Beschw­erde­führer die Benutzer sein­er Web­site ein­er allfäl­li­gen Strafver­fol­gung entziehen wollte. […]