Das BVerwGer schützt die Verfügung der Weko iS Strassenbeläge Tessin vom (RPW 2008 I [pdf], 50 ff.) (vgl. auch die Medienmitteilung des BVerwGer vom 16. Juni 2010, pdf).
Die Implenia AG hatte vor BVerwGer die Verfügung der Weko angefochten, welche die Kartellrechtswidrigkeit von Absprachen im Tessiner Markt für Strassenbeläge u.a. wegen einer Marktaufteilung iSv KG 5 III c festgestellt und verboten hatte.
Zunächst schützte das BVerwGer das Vorgehen der Weko, die Kartellrechtswidrigkeit zu untersagen, obschon auf den Verstoss altes Recht anwendbar und eine direkte Sanktionierung ausgeschlossen war:
“Nach dem Gesagten macht es Sinn, auch diejenigen Verhaltensweisen zu untersuchen, die innert der von der Schlussbestimmung vorgesehenen Frist aufgelöst wurden, und, sofern eine kartellrechtliche Unzulässigkeit festgestellt wurde, die Anwendung solcher Praktiken, unter Sanktionsandrohung nach Art. 50 KG im Zuwiderhandlungsfall, zu verbieten.”
Das BVerwGer prüft die Konkretisierung des Wettbewerbsbegriffs und anderer offener Begriffe des KG durch die Weko (welche die Aufgabe hat, das KG zu konkretisieren und die Wettbewerbspolitik zu formulieren) nur mit Zurückhaltung (vgl. auch BGE 135 II 60 E. 3.2.3 und das Urteil 2050/2007 des BVerwGer, E. 5.6, S. 82, zur EMRK-Konformität der Kognitionsausübung durch das BVerwGer).
In der Sache ging die Weko zu Recht vom Vorliegen einer Horizonalabrede aus. Gegenstand der Abrede war die Aufteilung der Aufträge durch ein Rotationssystem und die Festlegung der Preise (Submissionsabsprache). Durch regelmässige Sitzungsteilnahme hatten die Parteien ihr Interesse gezeigt, an der Abrede im Sinne eines Gentleman’s Agreement teilzunehmen. Die Weko durfte daher die Vermutungsbasis von KG 5 III a und c als erstellt ansehen. Dafür wäre die Prüfung der Auswirkungen der Abrede nicht erforderlich; die Existenz der Abrede genügt. Dennoch hatte die Weko auch die Umsetzung der Abrede geprüft und bejaht — eine Frage, die auch erst bei der Widerlegung der Vermutung hätte geprüft werden können (wie das BVerwGer erwähnt, entspricht dies dem Vorgehen der Weko und auch jenem des BGer im Buchpreisbindungsfall).
Die Weko hatte die Vermutung der Beseitigung wirksamen Wettbewerbs zu Recht als nicht widerlegt erachtet:
Im relevanten Markt — sachlich: erstens der Markt für Belagsproduktion, zweitens der Markt für Strassen- und Belagsbau; örtlich: Kanton Tession) bestand zunächst kein ausreichender Aussenwettbewerb, weder aktuell noch potentiell: 17 der 18 aktiven Unternehmen waren an der Absprache beteiligt, und ein Markteintritt neuer Anbieter fand nicht statt und schien offenbar nicht wahrscheinlich.
Auch ausreichender Innenwettbewerb fehlte. Die Preisabsprache betraf den entscheidenden Wettbewerbsfaktor, den Preis. Im Gegensatz zB zum Buchpreisfall war ein Wettbewerb über andere Parameter (zB Qualität) nahezu ausgeschlossen, weil die Submissionsbedingungen diese Parameter festlegten und dem Wettbewerb damit entzogen.
Dass neben der Absprache ein Restwettbewerb von ca. 40% verbliebt, änderte daran nichts, weil der relevante Markt in beträchtlicher Weise beeinflusst war. Marktanteile allein sagen über den verbleibenden Wettbewerb nichts aus, wie auch der Vergleich mit den Bündner Fahrlehrern zeige (Restwettbewerb von 28% als ausreichend beurteilt).
Dass die Weko dabei die beiden getrennten Märkte gleichzeitig berücksichtigt hatte, ist nach Ansicht des BVerwGer “vertretbar”, weil das Marktverhalten der Belagshersteller dem Strassen- und Belagsbaumarkt untergeordnet war.
Schliesslich war es nicht erforderlich, die Schädlichkeit der Absprache eigens zu prüfen. Implenia als Beschwerdeführerin hatte vorgebracht, die abgesprochenen Preisen hätten den Marktpreisen entsprochen, die Absprache sei deshalb unschädlich gewesen. Allerdings ist im Rahmen von KG 5 III eine Prüfung der Angemessenheit der angebotenen Preise nicht erforderlich. Zudem sanken die Preise nach dem Verbot der Absprache signifikant.
Zuletzt hatte der Kanton Tessin als Marktgegenseite offenbar keine ausreichende disziplinierende Wirkung auf das Verhalten der Parteien der Abrede, namentlich aufgrund mangelnder Transparenz; der Kanton war anscheinend überhaupt nicht in der Lage, die Offerten wirklich zu beurteilen.
Vgl. auch den Beitrag zu Submissionsabsprachen in der Sendung “Eco” des Schweizer Fernsehens.