6B_689/2010; 6B_690/2010: Betrug; Opfermitverantwortung von Behörden

X und Y, bei­de seit mehreren Jahren Sozial­hil­feempfänger, hat­ten in dem von ihnen unterze­ich­neten Unter­stützungs­ge­such wahrheitswidrig angegeben, Y sei arbeit­s­los. Tat­säch­lich erzielte dieser als Hauswart der von ihnen bewohn­ten Liegen­schaft ein monatlich­es Einkom­men von Fr. 400.–. Hier­für wur­den sie wegen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) zu ein­er bed­ingten Geld­strafe verurteilt. Die dage­gen ein­gelegte Beschw­erde weist das Bun­des­gericht mit Urteil vom 25. Okto­ber 2010 (vere­inigte Ver­fahren 6B_689/2010 und 6B_690/2010) ab:

Das Argu­ment, es läge keine Arglist vor, weil das Sozialamt die zumut­bare Über­prü­fung der Angaben bei­der Beschw­erde­führer unter­lassen habe, wird vom Bun­des­gericht verworfen:

4.3.3 […] Auch unter dem Gesicht­spunkt der Opfer­mitver­ant­wor­tung erfordert die Erfül­lung des Tatbe­stands indes nicht, dass das Täuschung­sopfer die grösst­mögliche Sorgfalt wal­ten lässt und alle erden­klichen Vorkehren trifft. Entsprechend ent­fällt der strafrechtliche Schutz nicht bei jed­er Fahrläs­sigkeit des Getäuscht­en, son­dern nur bei Leicht­fer­tigkeit, welche das betrügerische Ver­hal­ten des Täters in den Hin­ter­grund treten lässt (BGE 135 IV 76 E. 5.2; 128 IV 18 E. 3a; 126 IV 165 E. 2a; je mit Hin­weisen).
4.3.4 Let­zteres gilt nach der Recht­sprechung auch im Bere­ich der Sozial­hil­fe. Die Behörde han­delt leicht­fer­tig, wenn sie die ein­gere­icht­en Belege nicht prüft oder es unter­lässt, die um Sozial­hil­fe ersuchende Per­son aufzu­fordern, die für die Abklärung der Einkom­mens- und Ver­mö­gensver­hält­nisse rel­e­van­ten Unter­la­gen wie beispiel­sweise die let­zte Steuer­erk­lärung und Steuerver­an­la­gung oder Kon­toauszüge einzure­ichen. Hinge­gen kann ihr eine solche Unter­las­sung, angesichts der grossen Zahl von Sozial­hil­feer­suchen, nicht zum Vor­wurf gemacht wer­den, wenn diese Unter­la­gen keine oder voraus­sichtlich keine Hin­weise auf nicht deklar­i­erte Einkom­mens- und Ver­mö­genswerte enthal­ten (vgl. Urteil 6B_409/2007 vom 9. Okto­ber 2007 E. 2.2 […]).