6B_756/2010: Raub mit gefährlicher Waffe

Das Bun­des­gericht weist mit Urteil vom 6. Dezem­ber 2010 (6B_756/2010) eine Beschw­erde der Staat­san­waltschaft Schaffhausen ab, die rügte, dass der Beschw­erdegeg­n­er von der Vorin­stanz nicht wegen qual­i­fizierten Raubes gemäss Art. 140 Ziff. 2 StGB verurteilt wor­den war. Das von ihm ver­wen­dete Küchen­mess­er mit ein­er Klin­gen­länge von 20 cm sei durch das Oberg­ericht Schaffhausen zu Unrecht nicht als “andere gefährliche Waffe” im Sinne dieser Bes­tim­mung betra­chtet worden.

Das Bun­des­gericht sieht die Qual­i­fika­tion im vor­liegen­den Fall nicht gegeben. Wed­er das Merk­mal “Waffe” noch das Merk­mal “gefährlich” seien gegeben. Als Waffe gilt unter Berück­sich­ti­gung von Art. 4 Abs. 1 lit. c und d WG jed­er Gegen­stand, der – unab­hängig von der Art der Ver­wen­dung im konkreten Fall – nach sein­er Bes­tim­mung zu Angriff oder Vertei­di­gung dient; dies im Gegen­satz zum Begriff des gefährlichen Gegen­stands im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 2 StGB, bei dem die konkrete Ver­wen­dung im Einzelfall mass­ge­blich ist (E. 3.2.2. mit Ver­weis auf BGE 117 IV 135 E. 1c/bb). Ob die Waffe gefährlich und deshalb ein­er Schuss­waffe gle­ichzustellen ist, hängt allein von objek­tiv­en Gegeben­heit­en, d.h. von dem objek­tiv gefährlichen Charak­ter ab; sie muss also geeignet sein, bei der in Frage ste­hen­den Ver­wen­dungsart gefährliche Ver­let­zun­gen zu bewirken (E. 3.2.3 mit Ver­weis auf BGE 113 IV 60 E. 1a). Diese Voraus­set­zun­gen seien hier nicht erfüllt.

3.2.2 […] wird der Begriff der Waffe alleine auf­grund des Kri­teri­ums der objek­tiv­en Zweckbes­tim­mung definiert. Sub­jek­tive Momente sind unbeachtlich. Zweck­widriger Gebrauch eines All­t­ags­ge­gen­standes macht diesen dem­nach nicht zur Waffe im Sinne des Waf­fenge­set­zes. Eine der­ar­tige Ausle­gung des Begriffs würde der Bes­tim­mung jegliche Kon­tur nehmen und ins­beson­dere gegen das Bes­timmtheits­ge­bot und Ver­hält­nis­mäs­sigkeit­sprinzip ver­stossen. Im Hin­blick auf Art. 1 StGB ist Art. 4 Abs. 1 lit. d WG restrik­tiv auszule­gen. Ist ein Gerät lediglich geeignet, Men­schen zu ver­let­zen, jedoch nicht dazu bes­timmt, gilt es somit nicht als Waffe (BGE 129 IV 348 E. 2.3 und 2.4 mit Hin­weisen; Urteil 6B_543/2010 vom 29. Novem­ber 2010 E. 2.4 […]).

3.2.4 All­t­ags­ge­gen­stände wie Küchen­mess­er gel­ten somit nicht als Waffe, da diese bei bes­tim­mungs­gemäss­er Ver­wen­dung als Küchen­werkzeug zum Ein­satz gelan­gen. Der Gebrauch des Messers zur Dro­hung macht daraus im Einzelfall keine Waffe im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB, auch nicht, wenn ein der­ar­tiges Mess­er unbe­strit­ten ern­sthafte Ver­let­zun­gen verur­sachen kann. Die Beschw­erde­führerin verken­nt, dass nicht auss­chliesslich die Gefährlichkeit eines Gegen­standes mass­ge­blich ist. Auch ein Gerät, das geeignet ist, schwere Ver­let­zun­gen her­beizuführen, gilt nicht als Waffe, wenn es nicht dazu bes­timmt ist, als solche zu dienen. Die Anwen­dung der Bes­tim­mung im vor­liegen­den Fall würde zu ein­er unver­hält­nis­mäs­si­gen Aus­dehnung des Waf­fen­be­griffs führen.