6B_93/2010: mehrfache Veruntreuung

Das Bun­des­gericht fes­tigt mit dem Urteil 6B_93/2010 vom 12. April 2010 seine Recht­sprechung zur Anwend­barkeit der Verun­treu­ung (Art. 138 StGB) auf Darlehen.

2.3.3 […] Wie die Vorin­stanz zu Recht erwäh­nt, hat das Bun­des­gericht ver­schiedentlich fest­ge­hal­ten, dass auch Dar­lehen dem Verun­treu­ungstatbe­stand unter­liegen kön­nen. Dabei kommt eine unrecht­mäs­sige Ver­wen­dung anver­traut­en Gutes nur in Betra­cht, wenn der Treuhän­der verpflichtet ist, dem Treuge­ber den Wert des Emp­fan­genen ständig zu erhal­ten (BGE 133 IV 21 E. 6.2 mit Hin­weisen; 129 IV 257 E. 2.2.2). Wenn das Dar­lehen somit für einen bes­timmten Zweck aus­gerichtet wurde, ist im Einzelfall zu prüfen, ob sich aus der ver­traglichen Abmachung eine Wert­er­hal­tungspflicht des Borg­ers ergibt, d.h. ein Anver­trauen eines Ver­mö­genswerts im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB vor­liegt (Urteil des Bun­des­gerichts 6S.580/1999 vom 23. Jan­u­ar 2001 E. 2.b.aa […]). Wird bei einem Dar­lehen kein bes­timmter Ver­wen­dungszweck verabre­det, ist eine Pflicht des Borg­ers zur ständi­gen Wert­er­hal­tung zu verneinen. Er darf mit dem Dar­lehen nach seinem Belieben wirtschaften. Er ist einzig verpflichtet, es zum ver­traglichen oder geset­zlichen Ter­min zurück­zuer­stat­ten (vgl. Art. 318 OR). Die Annahme ein­er Verun­treu­ung fällt dies­falls auss­er Betracht.

2.4 […] Entschei­dend ist die blosse explizite oder stillschweigende Vere­in­barung ein­er Wert­er­hal­tungspflicht, die jedoch nicht sachen­rechtlich abgesichert wer­den muss, son­dern sich auf eine oblig­a­torische Bindung beschränken kann. Mass­ge­blich ist, ob dem Täter die Ver­fü­gungs­macht über den Ver­mö­genswert von einem anderen bewusst und frei­willig über­tra­gen wird. Nach der Recht­sprechung genügt für die Wert­er­hal­tungspflicht die Begrün­dung eines “fak­tis­chen” oder “tat­säch­lichen” Ver­trauensver­hält­niss­es (BGE 133 IV 21 E. 6.2 mit Hinweisen). […]

Zur Begrün­dung zieht das Bun­des­gericht die Struk­tur des Art. 138 StGB heran:

2.3.3 Der Tatbe­stand von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfasst Fälle, in denen – anders als bei der Verun­treu­ung von Sachen gemäss Abs. 1 der­sel­ben Bes­tim­mung – zivil­rechtlich die Fremd­heit der anver­traut­en Werte nicht gegeben oder zumin­d­est zweifel­haft ist. Voraus­set­zung ist aber, dass der Fall mit der Verun­treu­ung von Sachen ver­gle­ich­bar ist. Absatz 2 soll nur jenes Unrecht erfassen, das mit dem in Absatz 1 umschriebe­nen struk­turell gle­ich­w­er­tig ist. In den Fällen, in denen Absatz 2 zur Anwen­dung kommt, erwirbt der Treuhän­der an den erhal­te­nen Werten Eigen­tum. Er erlangt daher nicht nur eine tat­säch­liche, son­dern auch eine rechtliche Ver­fü­gungs­macht. Die ins Eigen­tum des Treuhän­ders überge­gan­genen Werte sind jedoch bes­timmt, wieder an den Berechtigten zurück­zu­fliessen. In diesem Sinne sind sie wirtschaftlich fremd. […]