6B_577/2010: Unwahre Angaben über kaufmännische Gewerbe

In einem der weni­gen Entschei­de zum Straftatbe­stand “Unwahre Angaben über kaufmän­nis­che Gewerbe” (Art. 152 StGB) hat das Bun­des­gericht die Beschw­erde gegen die Verurteilung durch die Vorin­stanz aufge­hoben sowie die Anforderun­gen an den objek­tiv­en und sub­jek­tiv­en Tatbe­stand dargelegt (Urteil 6B_577/2010 vom 28. Feb­ru­ar 2011).

Zum objek­tiv­en Tatbestand:

4.4 […] Der abstrak­te Gefährdungstatbe­stand von Art. 152 StGB schützt das Ver­mö­gen vor der Gefährdung durch Fehld­is­po­si­tio­nen infolge täuschen­der Informationen.

Nach dem bun­des­gerichtlichen Urteil hat der Beschw­erde­führer die Bilanz aber nicht “manip­ulieren” wollen, um einem Kaufin­ter­essen­ten einen besseren als den wirk­lichen Geschäfts­gang vorzutäuschen. Zwar hat­te der poten­tielle Käufer von einem bes­timmten Forderungsverzicht keine Ken­nt­nis; aber er wusste um den Bestand des Dar­lehens, und es war seine Bedin­gung, dass dieses Dar­lehen nicht mehr in der Bilanz erscheine. Auf­grund des Forderungsverzichts stand die A.-AG im mass­ge­blichen Zeit­punkt um Fr. 300’000.– bess­er da. Die Vorin­stanz hat­te daraus geschlossen, “ein­er aussen­ste­hen­den Per­son” werde voren­thal­ten, dass das Unternehmen im Rah­men der ordentlichen Geschäft­stätigkeit einen erhe­blich grösseren Ver­lust erzielt habe, als dies aus der Erfol­gsrech­nung ersichtlich sei. Allerd­ings wurde die bessere Bilanz nicht durch den Geschäfts­gang bewirkt, son­dern durch den Forderungsverzicht eines Drit­ten. Der Verzicht wurde mit dem Aufwand­kon­to ver­rech­net. Das Gesamtergeb­nis sei somit nicht unrichtig dargestellt worden.

Zum sub­jek­tiv­en Tatbestand:

4.5 […] Es genügt somit nicht, dass die Bilanz nicht den Rech­nungsle­gungsvorschriften entspricht. Der Täter muss vorsät­zlich unwahre oder unvoll­ständi­ge Angaben von erhe­blich­er Bedeu­tung machen oder machen lassen, die einen andern zu schädi­gen­den Ver­mö­gensver­fü­gun­gen ver­an­lassen kön­nen (Art. 152 StGB in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 StGB).

Laut Bun­des­gericht kann hier ein vorsät­zlich­es Ver­hal­ten ent­ge­gen der Vorin­stanz nicht allein damit begrün­det wer­den, dass der Beschw­erde­führer seinen Buch­hal­ter angewiesen habe, erforder­liche Bilanzko­r­rek­turen auf legaler Basis zu vol­lziehen, obwohl für ihn ersichtlich gewe­sen sei, dass nur durch unrecht­mäs­sige Buchun­gen der gewün­schte Erfolg habe erzielt wer­den kön­nen. Es gebe keine Anhalt­spunk­te dafür, dass der Beschw­erde­führer nicht auf eine kor­rek­te Buchung durch seinen langjährig erprobten Buch­hal­ter hätte ver­trauen dür­fen. Gegen einen Täuschungsvor­satz spreche zudem, dass er wusste, dass dem Kaufin­ter­essen­ten die hohen Dar­lehen bekan­nt waren. Der Gegen­stand, über den hätte getäuscht wer­den sollen, war ger­ade ein wesentlich­er Bestandteil der Ver­tragsver­hand­lun­gen und damit offenkundig, so dass nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den dürfe, der Beschw­erde­führer hätte mit einem Täuschungser­folg gerech­net oder eine Täuschung in Kauf genom­men. Es könne ihm lediglich der Vor­wurf gemacht wer­den, dass er die “bere­inigte” Bilanz nicht auf Geset­zeskon­for­mität über­prüft hat­te, bevor er sie den Aktionären vor­legte. Dabei han­delt es sich lediglich um eine Sorgfaltswidrigkeit; es kann hinge­gen nicht umstand­s­los auf (Eventual-)Vorsatz geschlossen werden.