4A_78/2011: Nach wie vor kein Urheberrecht an Corbusiers LC1-Stuhl; diesmal keine Anlehnung — Le Corbusier III

In einem Urteil, das voraus­sichtlich “Le Cor­busier III” getauft wird, ver­weigert das BGer wie bere­its in BGE 113 II 190 (“Le Cor­busier I”) den Urhe­ber­rechtss­chutz eines Le Cor­busier-Stuhls. Die damals unter dem aURG ver­wen­de­ten Kri­te­rien seien heute noch vol­lum­fänglich gültig. Anders als damals half aber das UWG nicht weit­er, da das BGer keine unlautere Anlehnung an den Namen oder die Möbelserie “LC” iSv UWG 3 d, 3 e oder 2 sah.
Dem Urteil lag eine Auseinan­der­set­zung zwis­chen der Cassi­na S.p.A. (Ital­ien), der Inhab­erin ein­er weltweit­en, exk­lu­siv­en Lizenz der Erben von “Le Cor­busier” ein­er­seits und ein­er ital­ienis­chen Gesellschaft ander­er­seits zugrunde. Let­ztere hat­te nach Darstel­lung von Cassi­na Nachah­mungen der geschützten Möbel ver­trieben. Wer­bung für ihr Ange­bot war in der Schweiz erhältlich, und Schweiz­er Kun­den wur­den von Ital­ien aus beliefert. Cassi­na klagte vor dem Zürcher Obergericht.

Strit­tig war zunächst der Werkcharak­ter iSv URG 2 II f (Werke der ange­wandten Kun­st) des Mod­ells LC1. Das OGer hat­te den Werkcharak­ter gestützt auf BGE 113 II 190 (“Le Cor­busier I”) verneint. Das BGer hält vol­lum­fänglich an sein­er dama­li­gen Beurteilung fest (Zitat aus dem neuen Urteil):

In der Botschaft des Bun­desrates […] zum Urhe­ber­rechts­ge­setz vom 9. Okto­ber 1992 […] wird fest­ge­hal­ten, dass […] im Ver­gle­ich zum alten Urhe­ber­rechts­ge­setz nichts am Anwen­dungs­bere­ich des Urhe­ber­rechts geän­dert wor­den sei […]; der Werk­be­griff hat sich durch das neue Urhe­ber­recht nicht verän­dert […]. Die bis dahin ergan­gene Recht­sprechung wurde dem­nach mit dem neuen Urhe­ber­rechts­ge­setz nicht ein­fach über­holt, son­dern es kann grund­sät­zlich darauf zurück­ge­grif­f­en wer­den. Die Recht­sprechung zum neuen Urhe­ber­rechts­ge­setz hat sich insofern weit­er­en­twick­elt, als nicht mehr auf die Urhe­ber-Indi­vid­u­al­ität, son­dern allein auf die Werk-Indi­vid­u­al­ität abgestellt wird (vgl. die Angaben in Erwä­gung 2.1). Dabei wer­den bei der Werkkat­e­gorie der Werke der ange­wandten Kun­st ver­gle­ich­sweise hohe Anforderun­gen an den indi­vidu­ellen Charak­ter gestellt […] und es trifft insofern nicht zu, dass die “Zweifels­fall­regel” nicht mehr gelte […].

Das Bun­des­gericht hat im genan­nten Entscheid BGE 113 II 190 […] [d]em Stuhl […] die urhe­ber­rechtliche Schutzfähigkeit abge­sprochen, weil ihm das erforder­liche Mass an indi­vidu­ellem Gepräge abging und nicht weil auf heute nicht mehr gel­tende Kri­te­rien zur Beurteilung der Werkqual­ität abgestellt wor­den wäre. Hin­sichtlich des indi­vidu­ellen Gepräges des LC 1 Stuh­les im Ver­gle­ich zu den bei­den Vor­läufer­mod­ellen hat sich seit dem Entscheid BGE 113 II 190 nichts geändert […]”

Der urhe­ber­rechtliche Schutz der weit­eren Mod­elle war vor BGer nicht strit­tig (dazu eben­falls das Le Cor­busier I‑Urteil). – Ein zweit­er Stre­it­punkt betraf den Gegen­stand des Ver­bots: Das Rechts­begehren hat­te ein Ver­bot des “Verkaufs in der Schweiz” ver­langt. Dies hat­te das OGer abgewiesen, da das Eigen­tum nach ital­ienis­chem Recht mit dem Ver­tragss­chluss in Ital­ien überg­ing. Ital­ienis­ches Recht war nach IPRG 100 I bzw. IPRG 118 anwend­bar. Der Trans­port der Möbel sei deshalb als eigen­er Import von Eigen­tum durch die Käufer zu betra­cht­en. Das BGer schützt diese Über­legung, weil das Rechts­begehren tat­säch­lich vom “Verkauf in der Schweiz” gesprochen habe.

Schliesslich war der Schutz des urhe­ber­rechtlich nicht geschützten Mod­ells LC1 durch das Lauterkeit­srecht (UWG 3 d bzw. UWG 2; en pas­sant auch UWG 3 e) fraglich. Anders als im erwäh­n­ten Urteil Le Cor­busier I verneint dies das BGer:

Anders als in jen­em Fall, in dem die dama­lige Beklagte ihre Erzeug­nisse, ein­schliesslich des Stuhls LC 1, aus­drück­lich als Kopi­en der Le Cor­busier-Werke beze­ich­net und während einiger Zeit sog­ar unter dieser Beze­ich­nung dafür gewor­ben hat­te, stellte die Vorin­stanz im vor­liegen­den Fall auf­grund der Würdi­gung des aktenkundi­gen Werbe­ma­te­ri­als fest, dass die Beschw­erdegeg­n­er für ihre Nachah­mungen grund­sät­zlich nicht mit dem Namen “Cor­busier” war­ben. Auch son­st ver­wen­de­ten sie in der Wer­bung für den Stuhl LC 1 keine Beze­ich­nun­gen, die vom durch­schnit­tlichen Kon­sumenten automa­tisch als auf Le Cor­busier zurück­ge­hend erkan­nt wür­den. Eine ein­heitlich gestal­tete Wer­bung für die ganze Möbelserie, ein­schliesslich des Stuh­les LC 1, lag nach den verbindlichen Fest­stel­lun­gen der Vorin­stanz nicht vor. Wenn die Vorin­stanz aus diesen Umstän­den schloss, die Beschw­erdegeg­n­er hät­ten sich bei ihrer Wer­bung für den nachgemacht­en Stuhl LC 1 nicht an den Namen von Le Cor­busier oder seine Möbelserie “LCangelehnt, liegt darin keine unrichtige Anwen­dung von Art. 3 lit. d oder namentlich auch von Art. 3 lit. e UWG.”