5A_54/2011: Errungenschaft; Wert und Ausgleich eines Miteigentumsanteils

Das BGer heisst mit Urteil vom 23. Mai 2011 (5A_54/2011) eine Beschw­erde gegen die gerichtliche Fest­set­zung von Schei­dungs­fol­gen teil­weise gut. Der Beschw­erde­führer rügte, die Vorin­stanz habe den Kauf­preis für den Miteigen­tum­san­teil, den er vere­in­barungs­gemäss nie bezahlt hat, von sein­er Errun­gen­schaft abge­zo­gen, den Wert dieses Miteigen­tum­san­teils (bzw. die auf­grund der Rück­über­tra­gung des Miteigen­tum­san­teils von der Ehe­frau geschuldete Entschädi­gung) jedoch unberück­sichtigt gelassen.

Nach Ansicht des Beschw­erde­führers geht jedoch das eine nicht ohne das andere: Entwed­er set­ze man in der Berech­nung der Errun­gen­schaft seine Kauf­preiss­chuld ein, müsse dann aber auch berück­sichti­gen, dass die Ehe­frau im Rah­men der Eheschei­dung den Miteigen­tum­san­teil wieder zum dama­li­gen Preis zurück­kaufe. Oder aber man stelle fest, dass schon bei der Über­tra­gung des Miteigen­tum­san­teils kein Geld geflossen sei, so dass auch bei der Rück­über­tra­gung des Miteigen­tum­san­teils auf die Beschw­erdegeg­ner­in kein Geld fliessen solle. Das Bun­des­gericht gibt ihm Recht, dass ihm der geset­zliche Entschädi­gungsanspruch ohne Grund ver­weigert und Art. 205 Abs. 2 ZGB ver­let­zt wor­den sei.

2.4.2 Ste­ht ein Ver­mö­genswert im Miteigen­tum und weist ein Ehe­gat­te ein über­wiegen­des Inter­esse nach, so kann er neben den übri­gen geset­zlichen Mass­nah­men ver­lan­gen, dass ihm dieser Ver­mö­genswert gegen Entschädi­gung des andern Ehe­gat­ten zugewiesen wird (Art. 205 Abs. 2 ZGB). Die ungeteilte Zuweisung an den einen Ehe­gat­ten darf den andern Ehe­gat­ten im Grund­satz nicht schlechter stellen als die kör­per­liche Teilung der Sache oder deren Ver­steigerung; in allen drei Fällen muss ein wert­mäs­siger Aus­gle­ich erfol­gen, beste­he er nun im Anteil am erziel­ten Erlös (Ver­steigerung), in einem neuen Ver­mö­gens­ge­gen­stand (kör­per­liche Teilung) oder eben in der Entschädi­gung (ungeteilte Zuweisung). Entsprechend kann das Gericht den Zuweisungsanspruch nur gegen volle, das heisst – land­wirtschaftliche Grund­stücke vor­be­hal­ten – auf dem Verkehr­swert beruhende Entschädi­gung des andern Ehe­gat­ten gutheis­sen (Urteil 5A_600/2010 vom 5. Jan­u­ar 2011 E. 4.1; 5C.325/2001 vom 4. März 2002 E. 4 […]).
2.4.3 […] Trägt das Oberg­ericht aber im beschriebe­nen Sinne dem Grund­stück­kaufver­trag […] Rech­nung, so kann es nicht ange­hen, bei der richter­lich ange­ord­neten Rück­über­tra­gung des Miteigen­tum­san­teils der Verkäuferin den veräusserten Kaufge­gen­stand zurück­zugeben, dem Käufer die ursprünglich vere­in­barte Kauf­preiss­chuld aber weit­er­hin aufzubür­den. Dies käme ein­er Schenkung gle­ich, würde die Beschw­erdegeg­ner­in doch ohne entsprechende Gegen­leis­tung durch eine Zuwen­dung aus dem Ver­mö­gen des Beschw­erde­führers bere­ichert: Sie erhielte den Miteigen­tum­san­teil zu Alleineigen­tum, ohne dafür etwas hergeben zu müssen, und kön­nte vom Beschw­erde­führer oben­drein die Bezahlung des ursprünglichen Kauf­preis­es von Fr. 100’000.– fordern. Dass der Beschw­erde­führer allein durch sein Ein­ver­ständ­nis mit der ungeteil­ten Zuweisung der Liegen­schaft […] auch schenkungsweise auf seinen Entschädi­gungsanspruch nach Art. 205 Abs. 2 ZGB verzichtet hätte, macht die Beschw­erdegeg­ner­in jedoch nicht gel­tend und wird auch nicht vermutet.