5A_283/2011: Ungeteilte Zuweisung von Miteigentum bei Ehescheidung

Das Urteil 5A_283/2011 vom 29. August 2011 beschäftigt sich mit der ungeteil­ten Zuweisung von gemein­schaftlichen Ver­mö­genswerten im Rah­men ein­er Eheschei­dung nach Art. 205 Abs. 2 ZGB. Eine solche ungeteilte Zuteilung von Miteigen­tum kann vorgenom­men wer­den, wenn ein Ehe­gat­te ein über­wiegen­des Inter­esse nach­weist und den anderen Ehe­gat­ten entschädigt (siehe auch BGE 119 II 197 E. 2 S. 198 f.). Im vor­liegen­den Fall wurde dem Ehe­mann als Folge der Schei­dung die während der Ehe im Gesamteigen­tum erwor­bene Liegen­schaft als Alleineigen­tum zugewiesen und die darauf las­ten­den Grundp­fand­schulden ein­schliesslich der offe­nen Zin­sen über­bun­den. Die Ehe­frau ging erfol­g­los gegen diese Zuteilung vor.

Das Bun­des­gericht wirft zunächst die Frage auf, ob diese Vorschrift auch auf Gesamteigen­tum (bei ein­er ein­fachen Gesellschaft unter den Ehe­gat­ten) Anwen­dung find­et, was in der Lehre umstrit­ten ist. Das höch­ste Gericht sah sich bish­er nur in dem Urteil 5C.325/2001 vom 4. März 2002 mit diesem Prob­lem kon­fron­tiert. Damals erübrigte sich jedoch eine Auseinan­der­set­zung, weil die Voraus­set­zun­gen für eine Zuweisung nach Art. 205 Abs. 2 ZGB ohne­hin nicht erfüllt waren. Auch hier kann die Stre­it­frage offen gelassen wer­den, weil die Beschw­erde­führerin die Anwend­barkeit von Art. 205 Abs. 2 ZGB anerkan­nt hat (E. 2.2).

Zur Ausle­gung der Bes­tim­mung hält das Bun­des­gericht daraufhin fest: 

2.3 Ein über­wiegen­des Inter­esse gemäss Art. 205 Abs. 2 ZGB ist dann anzunehmen, wenn ein Ehe­gat­te, aus welchen Grün­den auch immer, eine beson­ders enge Beziehung zur stre­it­i­gen Sache nach­weist. Das Gericht hat auf­grund der konkreten Sach­lage eine Inter­essen­ab­wä­gung vorzunehmen und seine Entschei­dung nach Bil­ligkeit zu tre­f­fen (Art. 4 ZGB; BGE 119 II 197 E. 2 S. 199). Die ungeteilte Zuweisung gemäss Art. 205 Abs. 2 ZGB set­zt nicht nur voraus, dass der über­nah­mewil­lige Ehe­gat­te ein über­wiegen­des Inter­esse am Ver­mö­genswert in gemein­schaftlichem Eigen­tum nach­weist, son­dern auch, dass er den andern Ehe­gat­ten für seinen Anteil entschädigt. Auf die Entschädi­gung ist auch die Über­nahme ein­er sol­i­darisch einge­gan­genen Schuld­verpflich­tung durch den Ehe­gat­ten anzurech­nen, der die Zuteilung ver­langt, so dass der andere Ehe­gat­te aus sein­er Schuldpflicht ent­lassen wird. Eine solche Schuldüber­nahme set­zt die Zus­tim­mung des Gläu­bigers voraus (Art. 176 OR; vgl. zum Ganzen Urteil 5A_600/2010 vom 5. Jan­u­ar 2011 E. 4.1 […]).

Hier kam die Vorin­stanz zu dem Schluss, dass bei­de Ehe­gat­ten ein erhe­blich­es Inter­esse an der Zuteilung der Liegen­schaft hät­ten. Man­gels eines “Wertüber­schuss­es der Liegen­schaft” beste­he das Inter­esse des Ehe­gat­ten, dem die Liegen­schaft nicht zugewiesen werde, nicht in einem Bar­erlös, son­dern namentlich in der Ent­las­sung aus der Sol­i­darhaft für die auf der Liegen­schaft las­ten­den Grundp­fand­schulden. Damit komme die geset­zlich geforderte Entschädi­gung vor­liegend “der Ent­las­sung des nicht übernehmenden Ehe­gat­ten aus der Schuldpflicht gle­ich”. Während der Beschw­erdegeg­n­er gegen­wär­tig ohne Weit­eres in der Lage sei, die Beschw­erde­führerin für ihren Teil zu entschädi­gen, könne die Beschw­erde­führerin den Beschw­erdegeg­n­er derzeit nicht insoweit entschädi­gen, als dass er aus der Sol­i­darhaf­tung enlassen würde. Daraus folge, dass das finanzielle Inter­esse des Beschw­erdegeg­n­ers an der Zuweisung der Liegen­schaft überwiege. 

Das Bun­des­gericht bestätigt die Vorin­stanz, weil der rechts­genügliche Nach­weis ein­er Ent­las­sung des Beschw­erdegeg­n­ers aus dem Sol­i­darschuld­ver­hält­nis durch die Gläu­biger­bank fehlt und damit die Beschw­erde­führerin nicht in der Lage ist, ihn insoweit zu entschädi­gen, als die Entschädi­gung in dessen Ent­las­sung aus der Sol­i­darhaf­tung beste­ht (E. 4.5). Es tritt daher im Ergeb­nis nicht auf Beschw­erde ein.