6B_915/2010: Einfache und grobe Verkehrsregelverletzung; Tateinheit bei Überholvorgang

Ein Beschw­erde­führer hat vor dem Bun­des­gericht erfol­g­los die Ver­let­zung der Grund­sätze “ne bis in idem” und “res iudi­ca­ta” gerügt. Das ihm zur Last gelegte Über­hol­manöver, bei dem er „mehr Glück als Ver­stand gehabt habe“, war von der ersten Instanz nach zwei Hand­lungskom­plex­en getren­nt beurteilt wor­den; das Gericht­be­fand ihn der groben Verkehrsver­let­zung (Art. 34 Abs. 4, 35 Abs. 3 sowie 90 Ziff. 2 SVG) und der ein­fachen Verkehrsver­let­zung (Art. 35 Abs. 2 i.V.m. Art. 90 Ziff. 1 SVG) schuldig. Die zweite Instanz hat­te nur die Verurteilung wegen grober Verkehrsver­let­zung zu über­prüfen, wobei es an das Ver­schlechterungs­ge­bot gebun­den war; das erstin­stan­zliche prax­iswidrige Beurteilungss­plit­ting des Über­hol­manövers sei rein prozes­su­al hinzunehmen. Der Beschw­erde­führer machte dage­gen gel­tend, sein Ver­hal­ten sei als eine ein­fache Verkehrsregelver­let­zung in Tatein­heit zu bewerten.

Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde mit Urteil vom 1. Juni 2011 (6B_915/2010) ab. Es beste­ht zwar Tatein­heit im Hin­blick des „in einem Zuge durchge­führten Über­hol­manövers”, so dass der Sachver­halt im Gegen­satz zur Auf­fas­sung der Erstin­stanz nicht aufgeteilt und selb­ständig beurteilt wer­den kann. Allerd­ings ver­let­zte der Beschw­erde­führer mehrere Verkehrsregeln, ging aber nur teil­weise gegen die Verurteilung vor:

5. Indem er lediglich einen der bei­den Teilschuld­sprüche ange­focht­en hat­te, wurde der andere recht­skräftig und der Vorin­stanz verun­möglicht, darauf zurück zu kom­men. Richtiger­weise wäre das gesamte Über­hol­manöver unter den Tatbe­stand von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu sub­sum­ieren gewe­sen. Der Beschw­erde­führer kommt durch dieses “Split­ting” und das Ver­schlech- terungsver­bot bess­er weg.

Der nicht ange­focht­ene Teilschuld­spruch mit der dies­bezüglichen Sank­tion erwuchs in Recht­skraft (res iudi­ca­ta). Den anderen Teilschuld­spruch mit der entsprechen­den Sank­tion focht der Beschw­erde­führer an, und die Vorin­stanz bestätigt Schuld­spruch und Sank­tion der Erstin­stanz. Das ver­let­zt den res iudi­ca­ta-Grund­satz nicht, eben­so wenig den Grund­satz “ne bis in idem”. Die Vorin­stanz bestätigt lediglich den ange­focht­e­nen erstin­stan­zlichen Teilschuld­spruch mit­samt Sanktion.