Das Bundesgericht präzisierte im Entscheid 4A_266/2010 seine Rechtsprechung zu den Retrozessionen bei Vermögensverwaltungsaufträgen.
Dem Entscheid lag verkürzt folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Gesellschaft war für eine Pensionskasse als externe Vermögensverwalterin tätig. Vertraglich hatten die Parteien u.a. eine Entschädigung von 0.5% p.a. des Depotwerts vereinbart. Weiter enthielt der Vertrag eine Klausel, wonach “allfällige Retrozessionen vollumfänglich” der Vermögensverwaltungsgesellschaft zustünden. Wie sich diese Retrozessionen berechnen, wurde der Pensionskasse indes nicht offengelegt.
Die Depotbank vergütete der Vermögensverwalterin insgesamt mehr als CHF 3.5 Mio. aus vereinnahmten Transaktionsgebühren und Depotgebühren.
Die Pensionskasse klagte gegen die Vermögensverwalterin auf Zahlung dieses Betrages. Das Kantonsgericht Zug hiess die Klage gut, das Obergericht wies sie im Berufungsverfahren ab.
Das Bundesgericht wiederum schützte die Klage. Es erinnerte zunächst an seine Rechtsprechung in BGE 132 III 460, wonach die Ablieferungspflicht des Beauftragten i.S.v. Art. 400 OR neben Vermögenswerten, welche der Beauftragte direkt vom Auftraggeber zur Erfüllung des Auftrags erhält, auch indirekte Vorteile umfasst, die dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung von Dritten zukommen; behalten darf der Beauftragte nur, was er lediglich bei Gelegenheit der Auftragsausführung, ohne inneren Zusammenhang mit dem ihm erteilten Auftrag, von Dritten erhält (BGE 132 III 460 E. 4.1 S. 464 mit Hinweisen).
Zu den indirekten Vorteilen gehören u.a. die sog. Retrozessionen:
Zu den indirekten Vorteilen des Beauftragten gehören unter anderem sogenannte Retrozessionen bzw. Rückvergütungen. Darunter werden namentlich Zahlungen verstanden, die dem Vermögensverwalter gestützt auf eine entsprechende Vereinbarung mit der Depotbank aus vereinnahmten Gebühren zufliessen. Diese fallen im Zusammenhang mit der Verwaltung des Vermögens an und unterliegen daher der Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR (BGE 132 III 460 E. 4.1 S. 464 f. mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Pflicht zur Herausgabe im Sinne von Art. 400 OR dispositiver Natur. Der Auftraggeber kann sowohl im Nachhinein wie auch im Voraus auf die Herausgabe verzichten. Bereits in BGE 132 III 460 E. 4.2 hatte das Bundesgericht festgehalten, Voraussetzung für einen gültigen Vorausverzicht sei, dass der Auftraggeber über die zu erwartenden Retrozessionen vollständig und wahrheitsgetreu informiert ist und dass sein Wille, auf deren Ablieferung zu verzichten, aus der Vereinbarung entsprechend deutlich hervorgehe.
Nach der seinerzeitigen Publikation des BGE 132 III 460 erschien eine Vielzahl von Publikationen zum Thema Retrozessionen. Darin wurde unter anderem diskutiert, welche konkreten Anforderungen an die Information des Auftraggebers zu stellen sind, damit der von ihm ausgesprochene Verzicht gültig ist. Das Bundesgericht unterscheidet dabei drei Stossrichtungen in der Lehre (dargestellt in E. 2.2 mit zahlreichen Quellenangaben).
Das Bundesgericht misst der Ablieferungspflicht innerhalb eines Mandatsverhältnisses eine zentrale Bedeutung zu:
2.3 Wie die Rechenschaftspflicht ist auch die mit ihr eng verbundene Pflicht zur Ablieferung ein zentrales Element der Fremdnützigkeit des Auftrags (132 III 460 E. 4.2 S. 465 f.; [Verweis auf Lehrmeinung]). Die Herausgabepflicht nach Art. 400 Abs. 1 OR lässt sich darüber hinaus als Konkretisierung der Treuepflicht nach Art. 398 Abs. 2 OR verstehen [Verweise auf Lehre]. Die Ablieferungspflicht garantiert die Einhaltung der Treuepflicht und stellt insofern eine präventive Massnahme zur Wahrung der Interessen des Auftraggebers dar, indem sie der Gefahr begegnet, der Beauftragte könnte sich aufgrund der Zuwendung eines Dritten veranlasst sehen, die Interessen des Auftraggebers nicht ausreichend zu berücksichtigen ([Verweise auf Lehre]).Ein Interessenkonflikt ergibt sich etwa bei transaktionsabhängigen Rückvergütungen aus dem damit verbundenen Anreiz des Vermögensverwalters, durch (zu) häufige Transaktionen (sog. Churning) ein Zusatzeinkommen zu erzielen (132 III 460 E. 4.2 S. 466; [Verweise auf Lehre]).
Die Anforderungen an einen gültigen Vorausverzicht umschreibt das Bundesgericht folgendermassen:
2.4 [diverse weitere Ausführungen mit Verweisen auf Lehre] […] Damit ein Vorausverzicht auf die Ablieferung gültig ist, muss der Auftraggeber demnach die Parameter kennen, die zur Berechnung des Gesamtbetrags der Retrozessionen notwendig sind und einen Vergleich mit dem vereinbarten Vermögensverwaltungshonorar erlauben. Eine genaue Bezifferung ist bei einem vorgängigen Verzicht nicht möglich, da sich der Gesamtbetrag des verwalteten Vermögens laufend verändert und die genaue Anzahl bzw. der Umfang der durchzuführenden Transaktionen im Zeitpunkt des Verzichts unbekannt ist [Verweise auf Lehre]. Damit der Kunde den Umfang der zu erwartenden Retrozessionen erfassen und dem vereinbarten Honorar gegenüberstellen kann, muss er zumindest die Eckwerte der bestehenden Retrozessionsvereinbarungen mit Dritten sowie die Grössenordnung der zu erwartenden Rückvergütungen kennen [Verweise auf Lehre]. Letzterem Erfordernis wird beim Vorausverzicht Genüge getan, wenn die Höhe der erwarteten Rückvergütungen in einer Prozentbandbreite des verwalteten Vermögens angegeben wird [Verweise auf Lehre]. Das Zusammenspiel dieser beiden Elemente ermöglicht es dem Auftraggeber, im Hinblick auf einen Verzicht sowohl die Gesamtkosten der Vermögensverwaltung zu erfassen als auch die beim Vermögensverwalter aufgrund der konkreten Anreizstrukturen vorhandenen Interessenkonflikte zu erkennen.
Weiter hält das Bundesgericht fest, eine Pflicht, den Kunden in Hinblick auf eine Verzichtserklärung unaufgefordert über den Umstand der Retrozessionen zu informieren, ergebe sich aus der Treuepflicht des Beauftragten bzw. bereits vor Abschluss des Vertrags aus vorvertraglicher Aufklärungspflicht; wieweit eine aktive Aufklärung erforderlich ist, sei im Einzelfall abzuklären, wobei auch der Geschäftserfahrenheit des Auftraggebers Rechnung zu tragen sei (zum Ganzen: E. 2.5 m.w.H.).
In casu kam das Bundesgericht zum Schluss, der vertragliche Hinweis, allfällige Retrozessionen stünden der beauftragten Vermögensverwalterin zu, sei nicht ausreichend für einen gültigen Verzicht auf den auftragsrechtlichen Herausgabeanspruch (E. 2.6 m.w. H.). Der abgeschlossene Vertrag sei daher teilnichtig i.S.v. Art. 20 Abs. 2 OR, d.h. er gelte, jedoch ohne den Herausgabeverzicht (E. 2.7 m.w.H.).