4A_508/2016: Verjährung der Herausgabeansprüche von Retrozessionen auf Versicherungsprämien (amtl. Publ.)

Dem Bun­des­gericht bot sich in diesem Urteil die Gele­gen­heit, kon­tro­vers disku­tierte Fra­gen im Zusam­men­hang mit der Ver­jährung der Her­aus­gabeansprüche des Auf­tragge­bers von Retrozes­sio­nen zu klären.

Hin­ter­grund des Urteils war der Auf­trag ein­er Trans­portor­gan­i­sa­tion (Klägerin) an eine Beratungs­ge­sellschaft für Ver­sicherun­gen, für jene ein Ver­sicherungskonzept auszuar­beit­en. Gestützt auf diese Beratung schloss die Klägerin mit ver­schiede­nen Ver­sicherun­gen Verträge ab. Diese Vorgänge fan­den in den Jahren 1994 und 1995 statt. 2005 erfuhr die Klägerin, dass die von ihr beauf­tragte Beratungs­ge­sellschaft bzw. deren Recht­snach­fol­gerin (Beklagte) Anteile der von der Klägerin bezahlten Ver­sicherung­sprämien als Retrozes­sio­nen erhal­ten hat­te. Nach­dem die Klägerin 2006 und 2007 gegen die Beklagte mehrere Betrei­bun­gen ein­geleit­et hat­te, forderte sie in ein­er 2007 ein­gere­icht­en Klage die Her­aus­gabe der Retrozes­sio­nen. Der Stre­itwert betrug über CHF 46 Mio. und über USD 3 Mio. Das erstin­stan­zliche Tri­bunal de pre­mière instance de Genève hiess die Klage teil­weise gut. Das Cham­bre civile de la Cour de jus­tice wies die gegen das Urteil erhobene Beru­fung ab. Es erwog hin­sichtlich der Ver­jährung, dass die Ansprüche auf Her­aus­gabe von Retrozes­sio­nen nach 10 Jahren ab Beendi­gung des Auf­tragsver­hält­niss­es ver­jähren. Die Beklagte erhob Beru­fung und rügte die Ver­let­zung von Bun­desrecht. Ihrer Ansicht nach wür­den die Her­aus­gabeansprüche peri­odis­che Leis­tun­gen darstellen und deshalb nach 5 Jahren ver­jähren. Darüber hin­aus beginne die Ver­jährung nach jedem Erhalt von Retrozes­sio­nen an zu laufen.

Das Bun­des­gericht rief zunächst seine bish­erige Recht­sprechung zu Retrozes­sio­nen und ins­beson­dere die Abliefer­ungspflicht auch indi­rek­ter Vorteile wie beispiel­sweise Retrozes­sio­nen, die dem Beauf­tra­gen infolge der Auf­tragsaus­führung von Drit­ten zugekom­men sind, in Erin­nerung. Der Beauf­tragte habe alle Ver­mö­genswerte her­auszugeben, die in einem inneren Zusam­men­hang zur Auf­tragsaus­führung ste­hen wür­den. Behal­ten dürfe er nur, was er lediglich bei Gele­gen­heit der Auf­tragsaus­führung, ohne inneren Zusam­men­hang mit dem ihm erteil­ten Auf­trag, von Drit­ten erhalte (E. 5.1.1 und 5.1.2, ins­beson­dere mit Ver­weis auf BGE 138 III 755). Die Beklagte anerkan­nte denn auch grund­sät­zlich ihre Her­aus­gabepflicht (E. 5.1.3).

Hin­sichtlich der auf die Her­aus­gabeansprüche von Retrozes­sio­nen anwend­baren Ver­jährungs­frist fol­gte das Bun­des­gericht der Vorin­stanz, wonach diese nach 10 Jahren ver­jähren. Es ver­wies auf seine bish­erige Recht­sprechung, wonach für die Anwen­dung der 5‑jährigen Ver­jährungs­frist voraus­ge­set­zt sei, dass die peri­odis­chen Leis­tun­gen i.S.v. Art. 128 Ziff. 1 OR auf dem­sel­ben Schuld­grund bzw. auf einem ein­heitlichen Schuld­grund beruhen oder geschuldet seien. Dabei han­dle es sich um eine Dauer­schuld, aus der die peri­odis­chen Leis­tungspflicht­en durch Zeitablauf immer wieder neu und selb­ständig her­vorge­hen wür­den (E. 5.2.1, unter anderem mit Ver­weis auf BGE 139 III 263, E. 1.1; BGer 4C.207/2006, E. 2.2.1). Im Gegen­satz dazu wür­den Retrozes­sio­nen nicht aus einem Dauer­schuld­ver­hält­nis entste­hen, son­dern aus der Tat­sache, dass der Beauf­trage ver­mö­gens­mäs­sige oder andere Vorteile von Drit­ten erlangt habe. Jede Her­aus­gabepflicht von Retrozes­sio­nen beruhe damit auf ein­er sep­a­rat­en Grund­lage, weshalb Art. 128 Ziff. 1 OR nicht anwend­bar sei, sich die Ver­jährung deshalb nach Art. 127 OR richte und die Her­aus­gabeansprüche nach 10 Jahren ver­jähren wür­den (E. 5.2.1, ins­beson­dere mit Ver­weis auf Gauch, AJP 3/2014, S. 291).

Was den Beginn der Ver­jährungs­frist ange­ht, erachtete das Bun­des­gericht die Rüge der Beklagten für begrün­det. Es ver­wies auf Art. 400 Abs. 1 OR, wonach der Beauf­tragte verpflichtet sei, auf Ver­lan­gen jed­erzeit über seine Geschäfts­führung Rechen­schaft abzule­gen, und alles, was ihm infolge der­sel­ben aus irgen­deinem Grund zugekom­men sei, dem Auf­tragge­ber zu erstat­ten. Diese Rechen­schaft­spflicht bilde Voraus­set­zung und Grund­lage der Abliefer­ungs- oder Her­aus­gabepflicht (E. 5.3.1, ins­beson­dere mit Ver­weis auf BGE 139 III 49, E. 4.1.2). Daraus könne, ent­ge­gen der Vorin­stanz, nicht abgeleit­et wer­den, dass die Entste­hung des Her­aus­gabeanspruchs auf den Zeit­punkt der Rechen­schaft oder auf das Ende des Auf­tragsver­hält­niss­es ver­schoben werde. Anders als bei der Ver­jährung von Ansprüchen aus uner­laubter Hand­lung oder ungerecht­fer­tigter Bere­icherung (Art. 60 Abs. 1 und Art. 67 Abs. 1 OR) trete die Fäl­ligkeit unab­hängig davon ein, ob der Gläu­biger von der Forderung und der Fäl­ligkeit Ken­nt­nis habe oder haben könne (E. 5.3.1, ins­beson­dere mit Ver­weis auf BGE 136 V 73, E. 4.1). Die von der Beklagten erhal­te­nen Retrozes­sio­nen wür­den somit jew­eils im Umfang jedes einzel­nen Betrags sogle­ich eine Infor­ma­tions- und Her­aus­gabepflicht gegenüber der Klägerin entste­hen lassen. Es könne vernün­ftiger­weise nicht vertreten wer­den, dass die Entste­hung und Fäl­ligkeit dieser Her­aus­gabeansprüche auf das Ende des Auf­tragsver­hält­niss­es ver­schoben wür­den, denn dies würde bedeuten, dass der Auf­tragge­ber die beim Auf­trag­nehmer einge­gan­genen Retrozes­sio­nen während dem laufend­en Auf­tragsver­hält­nis nicht her­ausver­lan­gen kön­nte (E. 5.3.2).

Das Bun­des­gericht hob deshalb das Urteil der Vorin­stanz auf und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwä­gun­gen zurück.