Das BGer kassiert ein Urteil des OGer TG, das einen lückenhaften Vermögensverwaltungsvertrag auf bundesrechtswidrige Weise ergänzt hatte. Der Vertrag sah vor, dass eine Einlage von EUR 300’000 zusammen mit Fremdkapital in gleicher Höhe in eine bestimmte Anlage bei einem Versicherer (EUR 500k) und andererseits in Aktien- und Obligationenfonds (EUR 100k) zu investieren war. Die durch den Abschluss des Vertrags mit dem Versicherer generierte Abschlussprovision (eine Retrozession) durfte die Verwalterin als Entgelt für den Beratungs- und Abschlussaufwand eingehalten. Später wurde diese Anlage jedoch umgeschichtet, wodurch neue Retrozessionen entstanden.
Strittig war die Auszahlung dieser Retrozessionen. Das OGer TG hatte die erwähnte Regelung (keine Auszahlung der Retrozessionen für die Erstanlage) auch auf die Umschichtung angewandt. Der Vertrag sei insoweit lückenhaft, und redliche Parteien hätten die für die Erstanlage getroffene Regelung auch auf die Umschichtung angewandt, hätten sie die Frage bedacht. Das BGer verwirft diesen Schluss:
Diese Lückenfüllung kann nicht geschützt werden. Wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, übergeht sie das vorhandene dispositive Recht, gestützt auf das der Vertrag ergänzt werden kann und das vorliegend für die Vertragsergänzung nach dem hypothetischen Parteiwillen keinen Raum lässt:
Richtigerweise musste die Lückenfüllung also von OR 394 III (“Eine Vergütung ist zu leisten, wenn sie verabredet oder üblich ist”) und OR 400 I (Ablieferungspflicht) ausgehen. Dass die Einbehaltung von Provisionen der Versicherungsgesellschaften eine übliche Honorarabrede sei, stand vorliegend aber nicht fest (für Retrozessionen im Rahmen von Vermögensverwaltungsverträgen ist dies in BGE 132 III 460 E. 4.3 verneint worden). Wird die Vergütung weder vertraglich noch gesetzlich geregelt und fehlt auch eine Verkehrsübung, ist sie vom Gericht so festzusetzen, dass sie den erbrachten Leistungen objektiv angemessen ist. Die Vorinstanz hätte also fragen müssen, welche Vergütung dem Beratungs- und Abschlussaufwand der Beschwerdegegnerin angemessen ist.
Die Provision selbst war nach OR 400 I herauszugeben. Ob die Verzichtsklausel mit Bezug auf die Retrozession für die Erstanlage überhaupt gültig war, konnte das BGer deshalb offenlassen; es bezweifelt die Gültigkeit aber, weil nicht festgestellt wurde, dass über die Eckdaten der Höhe der Provision informiert wurde (BGE 132 III 460).
Die Widerklage der Vermögensverwalterin auf das Erfolgshonorar hatte das OGer TG dagegen zu Recht gutgeheissen. Bedingung für die Entstehung des Erfolgshonorars war, dass das Anlageziel einer Verdoppelung der angelegten Mittel in 10 Jahren erreicht wurde. Der Vertrag sah bei vorzeitiger Beendigung eine Auszahlung vor, wenn die Voraussetzungen des Erfolgshonorars eingetreten sind. Das OGer TG hatte diese Klausel zu Recht so ausgelegt, dass bei vorzeitiger Vertragsbeendigung das zu erreichende Anlageziel im Verhältnis zur Vertragsdauer herabzusetzen war:
Es widerspricht aber auch nicht dem Wortlaut, wenn weiter angenommen wird, dass im Fall des vorzeitigen Vertragsrücktritts nicht nur das Element der Anlagedauer, sondern entsprechend auch dasjenige des Anlagezieles herabgesetzt ist. Eine solche Auslegung steht vielmehr im Einklang mit dem mutmasslichen Willen vernünftig handelnder Vertragsparteien. Wäre stets auf das für die vereinbarte Anlagedauer von 10 Jahren prognostizierte Anlageziel von EUR 600’000.– abzustellen, hätte es der Auftraggeber in der Hand, (bei gegebenen Umständen) kurz vor Erreichen dieses Zieles vorzeitig zu kündigen und so der Ausrichtung eines Erfolgshonorars zu entgehen.