5A_370/2011: Ungültigerklärung eines Testaments; Schmälerungsabsicht, Eigentumszuweisung und Enterbung

Nach dem Tod ihres Ehe­mannes ist eine Beschw­erde­führerin vor dem Bun­des­gericht erfol­g­los gegen dessen Tes­ta­ment vorge­gan­gen, in dem er seine Ehe­frau und die Adop­tiv­tochter auf den Pflicht­teil ver­wies sowie seinen Adop­tiv­sohn als Alleinerbe ein­set­zte. Kurz vor seinem Ableben war die Ehe geschieden und die Eheschei­dungskon­ven­tion genehmigt wor­den; da der Tod aber vor Ablauf der Rechtsmit­tel­frist ein­trat, erwuchs das Schei­dung­surteil nicht in Recht­skraft. Die Beschw­erde gegen den vorin­stan­zlichen Entscheid, der die Ungültigerk­lärung des Tes­ta­ments ablehnte, wird mit Urteil 5A_370/2011 vom 5. Sep­tem­ber 2011 abgewiesen.

Die Beschw­erde­führerin begehrte die Hinzurech­nung eines sechsstel­li­gen Betrages zu den Errun­gen­schaft­sak­tiv­en bzw. zum Nach­lass, weil der Erblass­er sich dieser Summe in Schmälerungsab­sicht entäussert hätte. Nach Art. 208 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB sind Ver­mö­gensen­täusserun­gen zur Errun­gen­schaft hinzuzurech­nen, die ein Ehe­gat­te während der Dauer des Güter­standes vorgenom­men hat, um den Beteili­gungsanspruch des anderen zu schmälern. Ist eine Schmälerungsab­sicht zu beurteilen, über­prüft das Bun­des­gericht den Schluss, den die Vorin­stanz aus dies­bezüglichen Indizien gezo­gen hat, als Rechts­frage – wie auch die Schädi­gungsab­sicht im Sinne von Art. 288 SchKG (vgl. BGE 134 III 452 E. 4.1 S. 456). Vor­liegend kann allein aus der Tat­sache der Enter­bung sowie aus dem unbekan­nten Ver­wen­dungszweck eines vom Kon­to des Erblassers von diesem abge­hobe­nen Geld­be­trages nicht auf eine Schmälerungsab­sicht geschlossen wer­den (E. 4).

Fern­er ver­langt die Beschw­erde­führerin die Zuweisung der zum Nach­lass gehöri­gen Liegen­schaft zu Eigen­tum, wobei sie ihren Anspruch auf Art. 219 Abs. 3 ZGB stützt. Dieser Bes­tim­mung zufolge kann dem über­leben­den Ehe­gat­ten auf sein Ver­lan­gen das Eigen­tum am Haus eingeräumt wer­den, worin die Ehe­gat­ten gelebt haben, sofern die Umstände es recht­fer­ti­gen; vgl. Art. 4 ZGB. Da hier keine beson­deren Umstände vor­ge­tra­gen wur­den, die eine Über­tra­gung der Immo­bilie recht­fer­ti­gen, fehlt es mithin an den tat­säch­lichen Voraus­set­zun­gen für eine Eigen­tum­szuweisung (E. 5).

Schliesslich bestre­it­et die Beschw­erde­führerin die Recht­mäs­sigkeit der Enter­bung nach Art. 477 Ziff. 2 ZGB, die vom Erblass­er vorgenom­men wurde, weil Ehe­frau und Adop­tiv­tochter ihm gegenüber die ihnen obliegen­den fam­i­lien­rechtlichen Pflicht­en schw­er ver­let­zt hat­ten. Das Bun­des­gericht bestätigt auch insoweit die Vorin­stanz. Die Beschw­erde­führerin habe vor einem Spi­ta­laufen­thalt ihres Ehe­mannes die nöti­gen Hil­feleis­tun­gen nicht vorgenom­men und zuge­lassen, dass der Erblass­er in eine lebens­bedrohliche Sit­u­a­tion ger­at­en sei. Er habe einige Jahre sein Essen in einem Mikrow­ellen­herd wär­men und dort ein­nehmen müssen; sie habe ihm auch eine WC-Schüs­sel neben dem Bett ein­bauen lassen. Zudem habe die Beschw­erde­führerin die Erspar­nisse des Erblassers auf ihre Kon­ti über­weisen lassen und diesem bis zum Erlass ein­er dringlichen Mass­nahme die finanzielle Unter­stützung ver­sagt. Die AHV-Einkün­fte des Erblassers, auf die dieser keinen Zugriff mehr gehabt hat­te, sowie die Miet­zin­sein­nah­men aus seinem Haus seien auf ihre Kon­ti geflossen und von ihr ver­wal­tet wor­den. Auch seine Erspar­nisse von rund ein­er Mil­lion Franken seien auf eines ihrer Kon­ti trans­feriert wor­den. Mit diesem Ver­hal­ten hat die Beschw­erde­führerin ihre ehe­lichen Bei­s­tand­spflicht­en schw­er ver­let­zt (E. 6).