1C_549/2010: Anfechtung der Untätigkeit des kantonalen Gesetzgebers; Nichtweiterführung der Gleichstellungskommission Zug verfassungs- und völkerrechtskonform (amtl. Publ.)

Das BGer weist eine Beschw­erde u.a. der Grü­nen, der CSP und der SP des Kan­tons Zug sowie der Juristin­nen Schweiz ab, mit welch­er der Beschluss des Kan­ton­srats Zug ange­focht­en wurde, die Kom­mis­sion für die Gle­ich­stel­lung von Frau und Mann nicht weit­erzuführen. Der Kan­ton Zug ist wed­er ver­fas­sungs- noch völk­er­rechtlich verpflichtet, eine Gle­ich­stel­lungskom­mis­sion zu schaf­fen oder eine Fach­stelle zur Förderung der tat­säch­lichen Gle­ich­stel­lung von Frau und Mann einzusetzen.

Anfech­tung der Untätigkeit des kan­tonalen Gesetzgebers

Auf den Antrag auf Aufhe­bung des Beschlusses tritt das BGer nicht ein. Mit Bezug auf den zweit­en Antrag, der den Kan­ton zur Schaf­fung ein­er entsprechen­den Stelle verpflicht­en wollte,  hielt das BGer in ver­fahren­srechtlich­er Hin­sicht zunächst fest, dass das BGG zwar die Beschw­erde wegen unrecht­mäs­siger Ver­weigerung und Verzögerung eines anfecht­baren Entschei­ds aus­drück­lich regle (BGG 94), aber keine Regelung für die Säum­nis des (kan­tonalen) Geset­zge­bers enthalte. Es gebe in den Mate­ri­alien zum BGG jedoch keine Anhalt­spunk­te, dass es sich um ein qual­i­fiziertes Schweigen han­dle. Dass sich das all­ge­meine Ver­bot der Rechtsverzögerung und ‑ver­weigerung nach BV 29 I nur auf die Recht­san­wen­dung bezieht, ste­ht einem Ein­treten nicht a pri­ori ent­ge­gen, weil sich aus speziellen Ver­fas­sungsnor­men ein Anspruch auf rechtlich­es Gehör auch im Rechts­set­zungsver­fahren ergeben kann. Ein allfäl­liger Anspruch auf geset­zge­berisches Han­deln lässt sich daher nicht generell aus BV 29 ableit­en, aber u.U. konkret aus dem Geset­zge­bungsauf­trag selb­st. Dabei han­delt es sich aber um eine materiell-rechtliche Frage. Für das Ein­treten auf eine Beschw­erde in öffentlich-rechtlichen Angele­gen­heit­en lässt das BGer daher einen vertret­bar begrün­de­ten poten­ziellen Anspruch genü­gen. Ob dessen Voraus­set­zun­gen im Einzel­nen gegeben sind, ist eine Frage der materiellen Beurteilung. Immer­hin muss der Anspruch sub­stan­ti­iert wer­den; es ist darzule­gen, dass Bun­des- oder Völk­er­recht aus­drück­lich oder aus­gelegt “(poten­ziell) ein[en] klare[n] und bestimmte[n] Auf­trag an den kan­tonalen Geset­zge­ber” enthält. Diese Vor­gabe war im vor­liegen­den Fall eingehalten.

Umset­zung von BV 8 III auch ohne Schaf­fung spezieller Stellen möglich

In der Sache hält das BGer fest, dass BV 8 III Satz 2 zwar einen “Sozialgestal­tungsauf­trag” an den Geset­zge­ber enthalte, die Mass­nah­men zu sein­er Erfül­lung jedoch nicht vorschreibe. Das Übereinkom­men zur Besei­t­i­gung jed­er Form der Diskri­m­inierung der Frau lässt den Ver­tragsstaat­en — Aus­nah­men vor­be­hal­ten — eben­falls die Wahl der Mit­tel. Das BGer wollte dem Kan­ton Zug daher nicht die Schaf­fung ein­er Gle­ich­stel­lungskom­mis­sion vorschreiben, um die weit­er­hin beste­hen­den “gewichti­gen Ungle­ich­heit­en” zwis­chen Frau und Mann zu beseit­i­gen, weil “nicht von vorn­here­in aus­geschlossen [wer­den kann], dass der Gle­ich­stel­lungsauf­trag auch ohne die Schaf­fung spezieller Stellen wirk­sam durchge­führt wer­den kann.”