5A_369/2007: Anspruch auf einen juristisch gebildeten Richter? (amtl. Publ.)

Wenn ein Richter aus fach­lichen Grün­den nicht in der Lage ist, den Fall in seinen Einzel­heit­en zu erfassen, sich darüber eine Mei­n­ung zu bilden und das Recht darauf anzuwen­den, kann der Anspruch auf ein durch Gesetz geschaf­fenes, zuständi­ges, unab­hängiges und unpartei­is­ches Gericht (BV 30 I) ver­let­zt sein. 

Zwis­chen der richter­lichen Unab­hängigkeit und den für die Ausübung richter­lich­er Tätigkeit erforder­lichen Bil­dungsvo­raus­set­zun­gen beste­ht jedoch insofern ein Kon­nex, als nur aus­re­ichende fach­lich-sach­liche Ken­nt­nisse den Richter zu unab­hängiger Wil­lens­bil­dung und richtiger Recht­san­wen­dung befähi­gen. Der Richter muss in der Lage sein, den Fall in seinen Einzel­heit­en zu erfassen, sich darüber eine Mei­n­ung zu bilden und das Recht darauf anzuwen­den (…). Fehlt es daran, kann nicht von einem fairen Ver­fahren gesprochen wer­den, zumal auch ein Zusam­men­hang mit dem Anspruch auf rechtlich­es Gehör beste­ht: Der Richter muss fähig sein, sich mit den Anliegen und Argu­menten der Ver­fahrensparteien angemessen auseinan­derzuset­zen. Der Anspruch auf einen unab­hängi­gen Richter bzw. auf ein faires Ver­fahren kann deshalb berührt sein, wenn uner­fahrene Laien­richter ohne Möglichkeit der Mith­il­fe ein­er unab­hängi­gen Fach­per­son ihres Amtes wal­ten müssten; dies­falls würde sich jeden­falls die Frage stellen, ob nicht von einem iudex inhab­ilis gesprochen wer­den müsste, dem es an den für eine sachgerechte Entschei­dfind­ung erforder­lichen Eigen­schaften fehlt (…).”

Dies hat das BGer in einem Ver­fahren um die Beset­zung des Bezirks­gerichts Münch­wilen entsch­ieden; der Richter Urs Obrecht, ein vom Volk gewählter Bezirk­srichter ohne juris­tis­che Aus­bil­dung, hat­te ein Ver­fahren um Wegrechte geleit­et. Da aber das Fehlen ein­er juris­tis­chen Aus­bil­dung einen Richter nicht per se unfähig macht, das Richter­amt auszuüben, und da die Ver­fahrensleitung und Entschei­dfind­ung unter Mitwirkung eines juris­tisch aus­ge­bilde­ten Gerichtschreibers erfol­gte, erschien Urs Obrecht nicht als zur Ausübung des Richter­amtes unfähig.