Wenn ein Richter aus fachlichen Gründen nicht in der Lage ist, den Fall in seinen Einzelheiten zu erfassen, sich darüber eine Meinung zu bilden und das Recht darauf anzuwenden, kann der Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht (BV 30 I) verletzt sein.
“Zwischen der richterlichen Unabhängigkeit und den für die Ausübung richterlicher Tätigkeit erforderlichen Bildungsvoraussetzungen besteht jedoch insofern ein Konnex, als nur ausreichende fachlich-sachliche Kenntnisse den Richter zu unabhängiger Willensbildung und richtiger Rechtsanwendung befähigen. Der Richter muss in der Lage sein, den Fall in seinen Einzelheiten zu erfassen, sich darüber eine Meinung zu bilden und das Recht darauf anzuwenden (…). Fehlt es daran, kann nicht von einem fairen Verfahren gesprochen werden, zumal auch ein Zusammenhang mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör besteht: Der Richter muss fähig sein, sich mit den Anliegen und Argumenten der Verfahrensparteien angemessen auseinanderzusetzen. Der Anspruch auf einen unabhängigen Richter bzw. auf ein faires Verfahren kann deshalb berührt sein, wenn unerfahrene Laienrichter ohne Möglichkeit der Mithilfe einer unabhängigen Fachperson ihres Amtes walten müssten; diesfalls würde sich jedenfalls die Frage stellen, ob nicht von einem iudex inhabilis gesprochen werden müsste, dem es an den für eine sachgerechte Entscheidfindung erforderlichen Eigenschaften fehlt (…).”
Dies hat das BGer in einem Verfahren um die Besetzung des Bezirksgerichts Münchwilen entschieden; der Richter Urs Obrecht, ein vom Volk gewählter Bezirksrichter ohne juristische Ausbildung, hatte ein Verfahren um Wegrechte geleitet. Da aber das Fehlen einer juristischen Ausbildung einen Richter nicht per se unfähig macht, das Richteramt auszuüben, und da die Verfahrensleitung und Entscheidfindung unter Mitwirkung eines juristisch ausgebildeten Gerichtschreibers erfolgte, erschien Urs Obrecht nicht als zur Ausübung des Richteramtes unfähig.